BioAcker und GrünlandWarum Blühstreifen zu Unrecht das Gewissen beruhigen

Warum Blühstreifen zu Unrecht das Gewissen beruhigen

Philipp Unterweger ist Biodiversitätsberater.
Quelle: zVg

Der Landwirtschaft wird oft vorgeworfen, sie zerstöre die Artenvielfalt. Müssen Bio-Bauern sich angesprochen fühlen?

Dazu erzähle ich Ihnen eine Geschichte: Vor zwei Jahren habe ich nachts auf einem innerstädtischen Campingplatz in München Laubfrösche gehört. Als Biologe habe ich mich darüber sehr gefreut, weil die in Deutschland total selten sind. Anschließend bin ich für eine Nacht auf einen Bio-Bauernhof ins Alpenvorland gefahren. Da habe ich nichts gehört, keine Schwalbe, keinen Frosch. Stummer Frühling.

Woran lag das?

Rundherum war nur Intensivgrünland. Die Artenvielfalt stammt sowohl aus einer guten Naturlandschaft, als auch aus einer naturnahen Kulturlandschaft. Die Landwirte haben früher die Natur in der Kulturlandschaft unbewusst gefördert und Vielfalt geschaffen. Das ist aus verschiedenen Gründen verloren gegangen. Egal ob bio oder konventionell: Es fehlt das Verständnis für das, was wir mal hatten und das, was wir wieder brauchen.

Was war früher anders? Was haben die Bauern besser gemacht?

Die Bevölkerung wächst und immer mehr Fläche wird versiegelt, Flüsse wurden begradigt. Seit 80 Jahren geht´s extrem bergab. Ein Grund dafür ist die Intensivierung. Die Antwort auf fast alles, was schiefläuft, ist einfach. Sie lautet: Weil wir es können. Weil wir die Maschinen immer schneller, größer, leistungsfähiger bauen. Weil wir immer effizienter und fleißiger, ja unersättlicher werden. Das ist nicht mal etwas Bewusstes. Wir wollen ja nicht, dass die Vögel sterben. Vereinfacht gesagt ist ein großer Schlepper einfach cooler als ein kleiner. Und weil wir cool sein wollen, stirbt alles aus.

So einfach geht Insektenschutz – ganz ohne Ansaat. Mulchen würde diesen Anblick innerhalb weniger Jahre zerstören.
Quelle: zVg

Eine provokante Aussage. Ein Landwirt muss aber von seinen Flächen leben und effizient wirtschaften.

Das stimmt. Aber: An Wegrändern, Rainen, Böschungen, Ufern, in den Hecken, in feuchten Mulden und Senken und auf dem Hofgelände muss man keinen Ertrag erzielen. Trotzdem schlägt man Hecken nieder, fährt ohne Rücksicht mit schweren Traktoren in Wegränder und Böschungen, mulcht jeden Quadratmeter Waldrand und Saum, entastet Bäume bis auf vier Meter – auch dort, wo kein Auto fährt. Das hat nichts mit den Nöten der Bauern zu tun. Das ist einfach fehlende Sensibilität für eine schöne Landschaft, fehlender Respekt vor der Natur.

Tun Bio-Bauern nicht per se genug für die Artenvielfalt?

Ich denke, ein Bio-Getreidefeld sollte signifikant anders aussehen als ein konventionelles. Das tut es meist nicht. Bei tausenden Hektar großen Bio-Kartoffelfeldern in Mecklenburg-Vorpommern etwa kann ich keinen Unterschied zu konventionellen Äckern erkennen.

Vermissen Sie Unkraut auf Bio-Äckern – oder worum geht´s?

Es geht um die Möblierung der Landschaft, die Landschaft muss funktionaler sein. Wer „Bio“ denkt, der muss begreifen, dass ein Hektar Land mehr produzieren muss als nur Ernteprodukte
in Gebindegrößen. Das schafft man zum Beispiel mit Buffetäckern.

Was ist ein Buffetacker?

Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Ein Landwirt hat zwischen seinen Äckern verschiedene Hecken. Eine Hecke aus Wildsträuchern für die Vögel, eine Hecke mit Nutzobst wie Äpfel, Pflaumen und Beeren, eine Hecke mit Heilpflanzen für seine Rinder. Außerdem arbeitet er pfluglos, sät eine Mischung aus Getreide, Lein und Linsen in den gefrästen Acker. Mit der Ernte dieser Kulturen hat er einen Dreifachertrag. Nach der Ernte beweidet er diese Flächen mit seinen Rindern, weil unten schon wieder Gras aufgewachsen ist. Er hat auch einen mobilen Melkstand zum Melken auf der Weide. Die Summe der Produkte füllt ein ganzes Buffet – für den Menschen und für alle Organismen, die mit uns leben.

Kommentare

1 Kommentar

Spätestens beim Absatz zum Thema “Buffetacker” wird klar, dass der Akademiker noch nie auf einem lw. Betrieb gearbeitet hat.
Meines Erachtens gibt es zur abgestuften Bewirtschaftung keine Alternative, um die Herausforderungen Biodiversität und Rentabilität bewältigen zu können.

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