Bauernsprecher Hans MeisterWie wollen wir leben?

Wie wollen wir leben?

Ob Pandemie, Bildung, Klima. Landwirtschaft oder Umweltschutz. Aus allen Ecken und Enden kommen unterschiedliche, sich widersprechende Signale. Politik, Wissenschaft, Interessensgruppen, Klimaschützer, alle reden, fordern, schlagen vor: wachsen, schrumpfen, aussteigen, umsteigen. Und das alles gleichzeitig und sofort. Ein selten erlebtes Durcheinander, Drunter und Drüber. Die Verunsicherung ist groß. Und es gibt keinen klar erkennbaren und sicheren Pfad aus dem Dilemma.
Auch die Landwirtschaft ist stark betroffen. Neue GAP, neue Biovorschriften, Green Deal. Man will Vielfalt und Effektivität, Quantität und höchste Qualität, man will es klimaneutral und günstig, traditionell und neu, flächenreduziert und versorgungssicher. Und das alles ohne Zauberei.
Wie wollen wir leben? Weiter wie bisher mit vollem Wachstumskurs und nebenbei noch Klima, Umwelt und das Finanzsystem retten? Oder leiser treten, umsteuern, verzichten? Vor solchen Entscheidungen flüchtet man gern, zum Beispiel in die bekannte, nachstehende Geschichte:

Der Geschäftsmann und der Fischer

Eines Tages steht ein Geschäftsmann am Pier in einem kleinen Fischerdorf und beobachtet einen Fischer mit seinem alten Kahn, in dem einige Thunfische liegen. Der Geschäftsmann gratuliert dem Fischer und fragt, wie viel Zeit er braucht, um die Fische zu fangen. „Nur ein paar Stunden, nicht mehr“, antwortet der Fischer. „Warum bleibst du nicht länger draußen am Meer und fängst mehrere Fische“, wundert sich der Geschäftsmann. „Ein großer Fisch reicht mir, um meine Familie für morgen zu versorgen“, sagt der Fischer. „Was machst du sonst den ganzen Tag?“, lässt der Geschäftsmann nicht locker. „Ich schlafe bis zu Mittag, dann gehe ich ein paar Stunden fischen, anschließend spiele ich mit meinen Kindern, danach gehe ich im Dorf spazieren. Abends trinke ich Wein mit meinen Freunden und spiele Gitarre. Sehen Sie, ich genieße mein Leben“, erklärt der Fischer.

„Ich bin ein Wallstreet-Manager“, sagt der Geschäftsmann, „und ich helfe dir. Du machst alles falsch. Du musst den ganzen Tag fischen und dir ein großes Boot kaufen.“ „Und dann?“, fragt der Fischer „Dann wirst du viele Fische fangen und kaufst dir mehrere Boote. Eines Tages hast du deine eigene Flotte.“ „Und dann?“ „Dann wirst du den Fisch nicht an den Großhändler verkaufen, sondern direkt in die Fabrik. Du erhöhst deinen Gewinn, ziehst in die Großstadt und eröffnest deine eigene Fabrik.“ „Und wie viel Zeit brauche ich dafür?“ „15 bis 20 Jahre.“ „Das ist eine lange Zeit der Schufterei und ich werde wenig Zeit für meine Kinder haben“, gibt der Fischer zu bedenken. „Aber dann“, lächelt der Geschäftsmann, „dann kommt das Beste. Du verkaufst deine Fabrik und wirst sehr reich.“ „Und dann?“ „Dann hörst du auf zu arbeiten, ziehst in ein kleines Dorf am Meer, wirst bis zum Mittag schlafen, ein bisschen fischen, mit deinen Enkelkindern spielen, im Dorf spazieren gehen, abends mit deinen Freunden Wein trinken und Gitarre spielen und das Leben genießen.“ „Aber genau das tue ich ja jetzt schon“, lacht der Fischer. „Warum noch 20 Jahre warten?“ Was ist unsere Vorstellung? Was und wie ist unser Blick nach vorne? Weihnachten ist eine gute Zeit, um darüber nachzudenken.

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