AckerbauBodenHeftige Diskussionen: Bringt doch nichts?

Heftige Diskussionen: Bringt doch nichts?

Pflug oder Direktsaat? Jedem das Seine.
Quelle: Böck

„Pfluglos ackern: Bringt doch nichts? – Neue Fakten“ Unter diesem Titel veröffentlichte die Fachzeitschrift Agrarheute zuletzt zwei Onlineartikel und versetzte damit vielen überzeugten Mulch- und Direktsäern einen regelrechten Stich ins Herz. Betrachtet wurden dabei zwei wissenschaftliche Arbeiten. Eine Ältere vom Thünen-Institut in Braunschweig und eine neue Metastudie der Universität Basel. Das Ergebnis der beiden Studien: Die Ziele der Kohlenstoffspeicherung, der Bodenschutz und die Erntesteigerung, sind mit pfluglosem Ackerbau und Direktsaat allein nicht zu erreichen. Die Direktsaat sei sogar durch die vermehrte Ausgasung von Lachgas deutlich schädlicher für die Umwelt.

Gernot Bodner ist Professor für Pflanzenbau an der Universität für Bodenkultur Wien.
Quelle: Böck

Die Wissenschaft

Die Zusammenfassung der Metastudie kommt zum Schluss, dass die Ernteerträge bei der Direktsaat signifikant geringer sind und auch die Wassererosion durch die Direktsaat kaum verhindert wird. Ebenso ist die Speicherung von Kohlenstoff auf Direktsaatflächen begrenzt oder geht gar gegen null. Wir haben mit Gernot Bodner von der Universität für Bodenkultur in Wien über diese Ergebnisse gesprochen. Seiner Meinung nach ist das mit den Metastudien so eine Sache. Die sind derzeit allgemein groß im Trend. „Wissenschaftliche Arbeiten gibt es ja mittlerweile sehr viele, und das über den ganzen Globus verteilt“, erklärt der Pflanzenbauprofessor. „In den Metastudien versucht man daraus verallgemeinerbare Trends herauszuziehen. Das Ergebnis soll dann die globale Sicht widerspiegeln.“ Aber so einfach ist das im Ackerbau nicht. Bedenkt man die unterschiedlichen Böden und die unterschiedlichen klimatischen Bedingungen, wird schnell klar, dass man hier nur schwer eine globale Aussage treffen kann. „Das ist ja schon alleine in einem kleinen Land wie Österreich kaum möglich. Feuchtgebiet und Trockengebiet. Lehmhügel und Sandboden. Das macht Vergleiche schwierig. Vor allem wenn Daten aus anderen Klimaräumen dazu kommen.“ Dass der Verzicht auf den Pflug kein Humbug ist, zeigen zumindest regionale Versuche sehr gut. „Eine bessere Bodenstruktur, eine bessere Mulchbedeckung, ein besseres Wasserspeichervermögen, ein aktiveres Bodenleben und – den Studien zum Trotz – einen höheren Humusgehalt konnten wir bei Versuchen mit verringerter Bearbeitungsintensität sehr wohl bestätigen.“

Machen Sie sich Ihr eigenes Bild. Hier gehts zum ersten und zum zweiten Beitrag.

Der ewige Humus(diskurs)

„Es gibt viele Bodenbearbeitungsstudien, die höhere Humusgehalte auch bis in tiefere Bodenschichten zeigen“, erklärt Bodner. „Der Mechanismus ist recht klar. Schonende Bodenbearbeitung zerstört weniger Bodenaggregate, eine wichtige Speicherquelle von Humus. Noch wichtiger ist aber das Gesamtsystem. Reduzierte Bearbeitung braucht einfach mehr Bodenbiologie, etwa aus intensiver Zwischenfrucht. Das weiß jeder Praktiker.“ Das wird aber oft in Versuchen nicht widergespiegelt. Da wird nur die Bearbeitungsintensität variiert, während der Rest des Systems gleich bleibt. Das ist für wissenschaftliche Vergleiche verständlich, so Bodner. „Jeder Praktiker aber weiß, dass ein bodenschonendes Bearbeitungssystem einen bodenaufbauenden Bewuchs braucht. In unseren Untersuchungen an 20 Standorten mit verschiedenen Böden und Klimabedingungen in Österreich konnten wir zeigen, dass Pionierbetriebe bis in eine Tiefe von 35 cm Bodentiefe um ca. 25 % mehr Humus haben als vergleichbare Standardbetriebe. Und keiner dieser Betriebe setzt den Pflug ein.“ „Die beiden Arbeiten und die Ergebnisse sind sicherlich nicht falsch“, betonte Bodner, „man sollte aber aus solchen Studien keine expliziten Empfehlungen für die Praxis ableiten. Dafür braucht es ein breiteres Sichtfeld.“

Franz Grötschl ist Landwirt im Lackendorf (Burgenland).
Quelle: Böck

Enttäuschte Praktiker

Den Landwirten Franz Grötschl und Michael Reber sind die besagten Artikel sehr sauer aufgestoßen. Grötschl hat sich die ältere Arbeit vom Thünen-Institut schon vor Jahren genauer angesehen. „Es mag schon sein, dass man bei dem Versuch diese Ergebnisse herausbekommen hat“, erklärt Grötschl, „doch hat man meiner Meinung nach die Versuchskriterien falsch gewählt. Hier hat man ja nur Eisen gegen Eisen getauscht. Sprich, nur zwischen Pflug, Grubber und Sämaschine gewechselt. Ansonsten blieb alles gleich.“ Das mag wissenschaftliche Praxis sein, aber bei einem Systemvergleich zwischen Pflug und Direktsaat funktioniere das halt nicht, so die beiden Praktiker. „Das wird ein jeder erfolgreiche Mulch- und Direktsäer bestätigen. Wer auf Minimalbodenbearbeitung setzen möchte, muss das ganze System umkrempeln“, so Reber weiter. „Zwischenfrüchte, Immergrün, Diversität, aber auch das richtige Nährstoffgleichgewicht im Boden sind wichtige Dinge, die man bei der Minimalbodenbearbeitung im Kopf behalten muss. Wer das berücksichtigt, hat auch gute Erträge, baut gleichzeitig Humus auf, schützt den Boden vor Erosion und belastet die Umwelt auch nicht mit dem schädlichen Lachgas.“

Michael Reber ist Landwirt in Schwäbisch Hall (Baden-Württemberg).
Quelle: Reber

Nicht zum Lachen

Das Argument, dass Minimalbodenbearbeitung mehr Lachgas produziere als der Pflug, kann Franz Grötschl gar nicht nachvollziehen. „Lachgas entsteht vor allem bei anaeroben Prozessen im Boden. Also wenn organische Substanz im Boden ohne Sauerstoffzufuhr umgesetzt wird. Wenn ich dann lese Direktsaat sei quasi giftig für die Umwelt, und gleichzeitig sehe ich vor der Haustüre, wie die Landwirte am 16. November – am Tag des Pfluges – die Zwischenfruchte einpflügen, dann könnte ich schreien.“ Was Michael Reber aber am meisten störte, war eigentlich der Titel der Geschichte. „Wenn das eine Pflugfabrik schreibt, okay. Aber von der Fachpresse erwarte ich mir mehr Fingerspitzengefühl. Es mag schon sein, dass die Wissenschaft bei der einseitigen Betrachtung auf diese Ergebnisse kommt. Wundert mich auch nicht. Und wenn man den ganzen Text liest, kommt es auch gar nicht mehr so wild rüber. Aber wer liest schon den ganzen Text? Die meisten lesen wahrscheinlich den Titel und fühlen sich bei ihrer Arbeit bestätigt, gehen raus, hängen den Pflug an, drehen alles um und glauben im schlimmsten Fall sie hätten etwas Gutes für das Klima getan.“

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