Agrarpolitik ohne Bodenhaftung

„Vision 2028+“ – unter diesem Titel kündigte Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig auf der Rieder Messe seine künftige Strategie für die österreichische Landwirtschaft und den ländlichen Raum an. Es brauche ein „klares Zukunftsbild, wohin die Reise gehen soll“, meinte er. Der Öffentlichkeit verraten will er seine Pläne im kommenden Frühjahr – also vor der Nationalratswahl 2024.

Damit ist klar: Totschnig, der vor einem Jahr noch quer durch Österreich zog und mit den Bauern aktuelle Entwicklungen und zukunftsträchtige Chancen besprach, setzt wieder auf Aktionismus. Auf Wahlkampf. Damit überdeckt er den Umstand, dass die Politik den Lebensrealitäten der Landwirte ratlos gegenübersteht.

Diese haben wir auf der Rieder Messe zuhauf mitbekommen. Da ist zum Beispiel Bauer H. aus Niederösterreich, dem seine Molkerei heuer bereits neun Mal den Erzeugerpreis gekürzt hat. Macht seit Jahresbeginn in Summe 20 Cent weniger aufs Kilo. Die explodierten Betriebsmittelkosten sind für ihn aber weiter unverrückbar hoch. Oder Bauer L. aus Oberösterreich, der an der Agrarbürokratie verzweifelt. Seit einem halben Jahr wartet er allein auf das Bestätigungsschreiben für seinen Antrag auf Investitionsförderung. Und wir haben mit Bäuerin F. aus der Steiermark gesprochen, die sich nicht mit 350.000 Euro für den Umbau ihres Rinderstalles verschulden will – bloß, weil die AMA-Marketing, „getrieben vom Handel“, Betriebe mit dauernder Anbindehaltung im nächsten Jahr aus ihrem Gütesiegel schmeißt. Bio-Bauer Z. aus Salzburg hat wiederum die Nase gestrichen voll. Wegen der neuen innerösterreichischen GAP-Auflagen. Er will aus Bio aussteigen.

„Vision 2028+“ – schön und gut. Aber für die Bauern ist es nichts Neues aus Wien. PR-Aufgeblasenes wie dieses kennen wir bereits von Totschnigs Vorgängern. Bauern brauchen stattdessen konkrete Antworten auf die Fragen, wie und wohin es weitergeht. Aber nicht erst im Frühjahr 2024. Sondern schon jetzt.