Bauernsprecher Hans MeisterAnstiftung zur industriellen Landwirtschaft

Anstiftung zur industriellen Landwirtschaft

Alle Parameter in der globalen, europäischen und heimischen Landwirtschaft sind auf Verdrängung ausgelegt: das Fördersystem, der globale Freihandel, die Macht der Märkte. Das Agrarsystem wird dadurch zu einer branchenübergreifenden Anstiftung zur industriellen Landwirtschaft. Wer nicht mitmacht oder keine eigene Nische findet, ist draußen. Wachsen oder weichen.

Nur so ist zu verstehen, dass in den vergangenen 20 Jahren 33 Prozent der österreichischen und 51 Prozent der deutschen Bauern ihre Höfe zusperrten und dies trotz der Milliarden Euro, die jährlich aus Brüssel in die Landwirtschaft fließen. Wem nützen die Förderungen?

Daraus ergibt sich die Frage: Kann es so weitergehen oder braucht es für die Zukunft ein anderes Konzept für die Landwirtschaft?

Botschaft aus Brüssel: ab 2020 keine Änderung in Sicht. Die Agrarlobby und ihre politischen Helfershelfer setzen sich durch. Die Pflanzenschutz-, Futtermittel-, Düngemittelund Verarbeitungsindustrie brauchen große Betriebseinheiten, die mit industriellen Produktionsmethoden billige Rohstoffe für die internationalen Lebensmittelkonzerne zur Verfügung stellen.

Das ganze derzeitige Agrarsystem mit seinem „Billig, billiger, am billigsten“ ist darauf ausgerichtet nur jene auf Dauer überleben zu lassen, die es am billigsten können.

Das führt auf der Bauernseite zu einer enormen Kapitalabhängigkeit der Betriebe, zu negativen Auswirkungen auf Familien, Tier und Umwelt, zu einem schlechten Image in der Öffentlichkeit und damit insgesamt zur Gefährdung herkömmlicher landwirtschaftlicher Betriebe wie wir sie kennen.

Als überzeugten Europäer nervt mich diese Uneinsichtigkeit. Wann wird endlich breitflächig diskutiert welche Art von Landwirtschaft wir in Zukunft brauchen und wollen? Weder in der Politik noch innerhalb der Landwirtschaft gibt es einen wahrnehmbaren Richtungsstreit.

Die Landwirtschaft darf es nicht nur den Interessen der Wirtschaft überlassen, wie die Bauern zu wirtschaften haben. Aber genau in diesem Dilemma stecken wir heute. Es gilt nicht mehr das Prinzip „Leben und leben lassen“, sondern „der Gewinner kassiert alles“.

Das zu tolerieren ist ein Versagen der Politik, weil es uns wegführt von der sozialen Marktwirtschaft hinein in einen Raubtier-Kapitalismus, in dem wenige alles dominieren. Das ist mit ein wesentlicher Grund, für die Abwanderung aus ländlichen Regionen abseits der Speckgürtel von Städten und für die Ausdünnung der Dörfer.

Durch den Zwang zum ständigen Wachsen verschwimmen die Grenzen zwischen herkömmlicher bäuerlicher und industrialisierter Landwirtschaft. Die Zuschreibungen erfolgen willkürlich, weil es bis heute nicht gelungen ist, hier eine erklärbare Abgrenzung zu finden. Die Grenze verläuft dabei aus meiner Sicht nicht zwischen groß und klein, bio oder konventionell, sondern beispielsweise beim Anteil von importierten Futtermitteln, (Stichwort: global fressen, regional stinken) bei der Intensität und bei der Nachhaltigkeit der Produktion.

Es bräuchte endlich auf europäischer Ebene eine verständliche, unterscheidbar machende Abgrenzung zwischen den Begriffen Landwirtschaft und industrialisierter Landwirtschaft. Es können nicht ständig alle in einen Topf geworfen werden und die Unschuldigen mit den Schuldigen büßen. In der Wirtschaft unterscheidet man – auch in getrennt agierenden politischen Vertretungen – schon lange zwischen „kleinen und mittleren Unternehmen“ (KMU’s) und Industriebetrieben. Meiner Meinung nach braucht auch die Landwirtschaft eine Differenzierung in „kleine und mittlere landwirtschaftliche Betriebe“ (KMLB’s) und in Betriebe mit industrialisierter Landwirtschaft.

Die kleinen und mittleren Betriebe brauchen wesentlich stärkere politische und finanzielle Unterstützung und mehr Perspektiven als nur die permanente Anstiftung zur industriellen Landwirtschaft.

Ihnen allen ein gesundes, gutes Neues Jahr!

Sie wollen uns Ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:

hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0043 316/821636-167, Fax: DW 151

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