
„Dass jemand darum kämpfen muss, dass er biologische Lebensmittel produzieren darf…“, darüber ärgert sich Christian Fallbacher. Der Landwirtschaftsmeister und seine Frau Susanne, eine studierte Agrarwissenschaftlerin, haben eine nun schon zwei Jahre andauernde Odyssee an Behördengängen, zweifelhaften Gutachten, Stellungnahmen und Berufungen hinter sich. 2019 beschloss Familie Fallbacher aus Pixendorf (Niederösterreich, Bezirk Tulln), ihren bestehenden Rinderstall durch einen Zubau auf ihrer Hofstelle zu ergänzen und in einen neuen Bio-Stall für 239 Mastschweine umzubauen. Wenn der neue Stall fertig ist, wollen sie Exkursionen, Veranstaltungen und Kochkurse auf ihrem Hof abhalten. Durch ein Fenster sollen Besucher von der Schauküche aus direkt in den Schweinestall reinsehen können. Vor Jahren hatten die Fallbachers schon einen bestehenden Schweinestall nach Bio-Richtlinien umgebaut. Zur Minderung von Emissionen setzen sie schon jetzt auf Kot-Harn-Trennung: Im Auslauf schiebt ein Schrapper mehrmals täglich den Kot ab, der Harn wird über eine Rinne separat abgeleitet. Der bestehende Stall bietet Platz für 90 Bio-Mastschweine.Der zuständige LK-Berater hat eine Geruchsausbreitungs- bzw. Geruchsstundenhäufigkeitsberechnung angestellt. Er kommt zu folgendem positiven Ergebnis: „Im Bereich der Nachbargrundstücke und der Wohnhäuser zur Hauptstraße hin ist auch in unmittelbarer Nähe zu den Stallungen eine Verbesserung der Situation gegenüber der bisherigen Tierhaltung ersichtlich. So verringert sich die Geruchsstundenhäufigkeit am Grundstück des östlichen Anrainers im südlichen Bereich des Anwesens (Wohnhaus) teilweise um mehr als 70 % gegenüber den Werten errechnet aus dem bisherigen Tierbestand.“
Falsche Berechnungen
Als die Bauwerber das Projekt – einen Stall nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zur Minderung von Emissionen bzw. der Geruchsbelästigung (siehe Info) – eingereicht hatten, dachten sie nicht, dass es Probleme geben könnte. Begonnen hätten diese nach Christian Fallbachers Erzählung mit der Bestellung des ersten Amtssachverständigen durch den Bürgermeister: „Der Sachverständige kam gar nicht zu uns auf den Betrieb. Wir erfuhren erst von seiner Beauftragung, als die Gemeinde uns sein erstes Gutachten übermittelte. Mit dem Begleitschreiben, dass angesichts seiner Berechnungen voraussichtlich keine Baugenehmigung erteilt werden könne.“ Susanne Fallbacher zweifelte an der Richtigkeit der errechneten, auffällig hohen Geruchszahl. Sie und ihr Mann baten um ein persönliches Gespräch mit dem Sachverständigen. Susanne Fallbacher erzählt: „Bei diesem Termin konnte er tatsächlich nicht mehr sagen, wie er auf sein Ergebnis gekommen war. Er betonte mehrmals, dass er nicht vom Fach sei. Eigentlich wäre er für Kompostanlagen zuständig und wisse gar nicht, warum er diesen Auftrag bekomme habe.“ Bei einem Runden Tisch am Gemeindeamt erklärte der Sachverständige dann, er habe mit Ferkel-Geruchszahlen aus einer Tabelle der Forschungseinrichtung HBLFA Raumberg-Gumpenstein (Steiermark) gerechnet, jedoch kaum Abschlagsfaktoren für emissionsmindernde Maßnahmen wie Kot-Harn-Trennung berücksichtigt. Auf den Hinweis der Bauwerber, dass sie keine Ferkel, sondern Mastschweine halten wollen, „konnte der Sachverständige keine weiteren Erklärungen mehr liefern“, so die Landwirtin. Darauf folgten ein mehrmaliger Schriftwechsel zwischen Gutachter und Landwirtschaftskammer sowie kostspielige Forderungen seitens der Gemeinde. Unter anderem sollte Familie Fallbacher einen Energieausweis für den geplanten Offenstall vorlegen. Nicht nur für Familie Fallbacher, sondern auch für den zuständigen LK-Berater war diese Forderung „aus fachlicher Sicht nicht nachvollziehbar“.
INFO
Geplante Emissionsminderungsmaßnahmen am Betrieb Fallbacher:
- Kot-Harn-Trennung durch Ableitung des Harns über eine Harnrinne
- regelmäßiges Abschieben der Mistfläche mit einem mechanischen Schieber (Schrapper)
- ein Sonnenschutz zur Reduktion von Emissionen auf den Auslaufflächen
- Multiphasenfütterung mit Anpassung des Rohproteingehalts für jede Mastphase
- Einsatz eines Futterzusatzstoffs für eine bessere Futterverwertung sowie Reduzierung von Ammoniak und Treibhausgasen
- Kühlen des Liegebereiches im Sommer
Kot-Harn-Trennung für weniger Emissionen: Ein Schrapper schiebt im Auslauf mehrmals täglich den Kot ab, der Harn wird über eine Rinne abgeleitet.Quelle: Engler
Gutachten: gegen jede Vernunft
Die Fallbachers wollten einen anderen, fachlich versierten Gutachter. Daraufhin bestellte die Gemeinde einen zweiten Amtssachverständigen. Dieser war auch tatsächlich vom Fach. Unfassbar für die Bio-Bauern war dann aber das Fazit dieses Sachverständigen, das er in einem fragwürdigen Gutachten niederschrieb. Christian Fallbacher schildert: „Der zweite Sachverständige empfiehlt uns, einen ortsüblichen Stall mit Spaltenboden und Zwangsentlüftung zu bauen, weil neue Haltungssysteme noch nicht ausreichend erprobt wären. Das heißt, er fordert eine Tierhaltung, die nicht der Tierethik entspricht und in naher Zukunft gesetzlich unterbunden werden soll. Das kann doch nicht sein Ernst sein!“ Der zweite Sachverständige hätte zudem die Geruchsausbreitungsrechnungen seines Gutachter-Kollegen sowie des zuständigen LK-Beraters als „kompletten Blödsinn“ hingestellt. Die herangezogenen Emissions- und Minderungsfaktoren der steirischen Forschungseinrichtung HBLFA Raumberg-Gumpenstein würden ihm zufolge „einer näheren Prüfung nicht standhalten“. Nicht nur Familie Fallbacher, auch das Bundesministerium für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT) ist irritiert ob dieser Meinung: „Die fachliche Kritik an dem Gutachten der HBLFA Raumberg-Gumpenstein können wir nicht nachvollziehen. Die HBLFA Raumberg-Gumpenstein ist die höchstanerkannte Forschungsstelle in Österreich, wenn es um das Thema Nutztierhaltung geht.“
Aus Fachkreisen hört man, dass dieses Gutachten nicht zur gewohnten Arbeit des Sachverständigen passe. Dieser habe in dem Fall wohl versäumt, dass es für neue Stallsysteme sehr wohl Ergebnisse gebe, die eine Geruchsminderung von bis zu 80 % gegenüber einem normalen Stall bewiesen. Diese Ergebnisse würden in Gutachten bereits verwendet, zumindest in anderen Bundesländern als Niederösterreich. Ein Brancheninsider ist irritiert: „Die Empfehlung, heutzutage noch einen Vollspaltenstall zu bauen, ist gegen jede Vernunft.“ Susanne Fallbacher spricht das aus, was auch andere Beteiligte denken: „Die Vermutung liegt nahe, dass von außen Einfluss auf den Sachverständigen genommen wurde.“
Auf Basis des letzten negativen Gutachtens hat die Gemeinde Michelhausen den Bauantrag Mitte Juli 2021 abgelehnt. Die Bio-Bauern vermuten, dass ihr neuer Stall vom Bürgermeister aufgrund des nahen Siedlungsbaus nicht gewollt ist. Einer Einladung seitens Familie Fallbacher, sich das Bauvorhaben vor Ort anzusehen, sei der Großteil der geschäftsführenden Gemeinderatsmitglieder nicht gefolgt, da man sich „nicht einseitig beeinflussen lassen wollte“, schüttelt Susanne Fallbacher den Kopf.
Nicht unterkriegen lassen
Das Verfahren zieht sich nun schon zwei Jahre hin. Christian Fallbacher: „Die Covid- Förderungen sind weg, die Baukosten sind um gut ein Drittel gestiegen und wir werden auf den Verfahrenskosten sitzenbleiben – dabei könnten wir schon längst mit unserem Stall fertig sein.“ Familie Fallbacher hat sich mittlerweile einen Anwalt genommen und Berufung eingelegt. Sie wollen sich nicht unterkriegen lassen: „Wir sind immer noch entschlossen, diesen Stall auf unserer Hofstelle zu bauen. Wir sind hier im Bauland-Agrar, haben die ganze Infrastruktur vor Ort und könnten eine bereits versiegelte Fläche sinnvoll nutzen.“ Seine Frau ergänzt: „Wenn die Tierhaltung einmal von unserem Hof weg ist, dann können unsere Kinder hier keine Tiere mehr halten.“
Anfang Oktober haben Christian und Susanne Fallbacher ein neues Gutachten vom zweiten Sachverständigen erhalten. Ein Auszug daraus: „Wenn mir in der Berufung vorgeworfen wird, geradezu die Errichtung neuer, dem Tierwohl in keiner Art und Weise entsprechender Stallgebäude zu fordern […] so ist dem entgegenzuhalten, dass es bekannt ist, dass Tierwohl nicht zwingend mit Umweltfreundlichkeit und Emissionsarmut korreliert. Unbestritten hat die mittlerweile verbotene Käfighaltung bei Legehennen in Verbindung mit Kotbändern und Kotbandbelüftung geringere Emissionen verursacht als die Volieren- oder Bodenhaltung. […] Kühe in Anbindehaltung auf Kurzständen kommen seltener zu Sturz und brechen sich dabei seltener die Beine als Kühe auf vereisten oder rutschigen Laufgängen im Außenklima- Laufstall.“ Diese Zeilen lassen Familie Fallbacher einmal mehr ratlos zurück.
„Stehen hinter unseren Bauern“
Aus dem Landwirtschaftsministerium heißt es zum vorliegenden Fall: „Aus Sicht des Bundesministeriums ist es sehr unverständlich, dass es Bauern generell schwer gemacht wird, Bio-Mastschweineställe zu erweitern oder zu bauen. Auf der einen Seite gibt es den gesellschaftlichen Druck, mehr für Tierwohl zu leisten, und auf der anderen Seite werden so manchen Betrieben Steine in den Weg gelegt, tierwohlfreundliche Ställe zu bauen. Wir stehen in dieser Frage hinter unseren Bauern und haben mit dem Tierwohlpakt (z.B. mit Erhöhung der Investitionsförderung für besonders tierwohlfreundliche Ställe) ein ganz klares Zeichen zur Unterstützung unserer Bäuerinnen und Bauern gesetzt.“ Das BMLRT könne aber grundsätzlich nicht in laufende Verfahren eingreifen. Zudem wären dem Ministerium als nicht zuständige Behörde „die Hände gebunden“. Laut dem BMLRT muss die Baubehörde Gutachten von Sachverständigen grundsätzlich ernst nehmen. In Falle dieses zweifelhaften Gutachtens rät das Ministerium dem Bauwerber aber, ein weiteres Gutachten einzuholen, „um das bestehende Gutachten zu entkräften“ – idealerweise auch mit der Expertise der HBLFA Raumberg-Gumpenstein.
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LANDWIRT BIO 06/2021
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