Bauernsprecher Hans MeisterDas Milch-Dilemma

Das Milch-Dilemma

Die derzeitige Wut der Bauern ist gerecht. Aber die Gesellschaft und der Markt sind nicht gerecht. Überrascht, hilflos und überfordert steht die Agrarpolitik dem Produzentpreisverfall bei der Milch gegenüber. Die Milchmädchenrechnung, wir schaffen die Quotenregelung ab und alles bleibt wie es war, ist nicht aufgegangen. Was nicht besonders überraschend kam. Sowohl die Überproduktion war absehbar als auch der Kampf aller um die gleichen Exportmärkte. „Wenn der Preis das einzig bestimmende Element ist, dann hat die bäuerliche Landwirtschaft in dieser Struktur keine Chance“, erklären jetzt Agrarpolitiker angesichts der aktuellen Entwicklungen rund um den Milchpreis.

Ein starker und richtiger Satz. Wie wahr, möchte man dazu sagen. Nur, wie ändert man das? Der Preis wird nur dann nicht zum alleinig bestimmenden Objekt, wenn die Nachfrage größer als die Angebotsmenge ist oder wenn es andere – das Produkt – unterscheidende Merkmale gibt. Wenn Erzeugnisse für den Käufer durch den Ort oder die Art ihrer Herstellung, durch besonderen Geschmack oder Wirkung für den Verbraucher unterscheidbar werden. Das zu erreichen und erkennbar zu machen setzt engagierte, innovative Verarbeitungsbetriebe und auch einen entsprechenden Marketingaufwand voraus. Passiert das nicht, bleibt das Produkt, weil ohne bestimmende Merkmale, austauschbar. Der Kunde greift zum Billigeren. Die Differenz zahlen die Milchbauern.

Exporthoffnungen

Das alles ist bekannt und ein alter Hut. Trotzdem wird von den Verantwortlichen gerne abgelenkt, wie zum Beispiel mit der ständigen Wiederholung des Stehsatzes: „Das schon schwierige Umfeld mit Russland-Embargo und deutlich geringeren Exporten nach China hat sich in der jüngsten Vergangenheit weiter verschärft.“ Diese Situation ist sicher nicht hilfreich. Aber genau das passiert, wenn in einem Überschussmarkt alle auf die gleichen Exportmärkte setzen. Man liefert sich aus. Diese Märkte sind unsicher, preislich heiß umkämpft und setzen alle Teilnehmer der weltweiten, billigen Konkurrenz aus. Gleichzeitig wird von den Politikern, die die schwierigen Exportmärkte beklagen, zu wenig hinterfragt, welche Maßnahmen denn die Molkereiwirtschaft zu einer Absatzverbesserung im Inland gesetzt haben? Welche Innovationen, welche Marketingmaßnahmen hat es in den vergangenen Jahren als Vorbereitung auf das Quotenende gegeben? Oder haben alle nur auf den Export gesetzt?

Gerne nehmen diesbezüglich Agrarpolitiker den ganzen Lebensmittelhandel in die Pflicht: „Sowohl die Verarbeiter als auch der Handel und die Gastronomie müssen zu heimischer Ware greifen“, wird da gerne gefordert.

Müssen ist immer schlecht. Wer lässt sich dazu zwingen, etwas Bestimmtes zu kaufen? Mit Zwang erreicht man nichts. Daraus spricht auch die Hilflosigkeit, keine Ideen und keine Instrumente zur wirklichen Verbesserung der Situation zu haben. Im besten Fall ist es gut gemeint. Ein politisches Wunschdenken, das so nicht funktioniert. Regionalität ist gut und kommt auch an, aber auch dabei darf die Tatsache nicht übersehen werden: In einem Markt mit Überschüssen gibt der billigste Anbieter den Preis vor.

Überschuss ist gewollt

Die Hauptprobleme am Milchmarkt sind die enormen Überschüsse und das Fehlen starker, international bekannter Marken.

Jetzt, nach Abschaffung der Quote die Überkapazitäten durch freiwilligen Lieferverzicht wieder drosseln zu wollen, klingt irgendwie nach Schildbürgerstreich. Dann hätten alle, die das jetzt fordern, vorher für die Beibehaltung der Kontingentierung sein müssen. In Wirklichkeit ist der Milchüberschuss wesentlicher Teil des Spieles. Und das Match heißt: verschärfter Verdrängungswettbewerb. Während die einen aus dem Markt gedrängt werden, stocken die anderen auf. Profitieren werden die Gunstlagen und die großen Milchverarbeiter.

So ist das, wenn man Begrenzungen abschafft und auf die Gerechtigkeit des freien Marktes hofft.

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hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151


Rechtliche Beratung: Dr. Paul Tschuffer, Leiter SVB Steiermark

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