Bauernsprecher Hans MeisterDie Amerikanisierung Europas

Die Amerikanisierung Europas

Europa und die USA sind so einheitlich nicht, wie es oberflächlich betrachtet scheint. Am deutlichsten zeigen sich die Unterschiede im Rechtssystem und in der Wirtschaftsauffassung. Während es in der US-Wirtschaft nur um Profit geht, gilt in Europa noch immer das Prinzip der sozialen Marktwirtschaft. Die Betonung liegt dabei auf noch. Denn das System schwächelt und wird still und leise schleichend zurückgebaut. Der Fokus der europäischen Wirtschaftspolitik liegt, nach amerikanischem Vorbild, nicht mehr in der Schaffung von Wohlstand für alle, sondern im Bereich globale Konkurrenzfähigkeit für wenige. Bleibt die Frage zu beantworten, wer soll noch qualitativ Hochwertiges kaufen – das gilt auch für Lebensmittel –, wenn immer weniger tatsächlich etwas verdienen? Wer wird noch in langfristige Güter investieren, wenn er selbst nicht ein Minimum an Sicherheit hat? Damit beginnt sich die Spirale billig, billiger, am billigsten nach unten zu drehen – eine Spirale, die den Wohlstand nicht nährt, sondern vernichtet.

Sehr deutlich treten diese grundsätzlich unterschiedlichen Positionen jetzt, bei den Verhandlungen um das Handelsabkommen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership) zu Tage. Gesetze bestimmen, welche Produktionsmethoden oder Verarbeitungstechnologien in einem Land zugelassen oder verboten werden. Ob Wachstumshormone in der Fütterung eingesetzt werden dürfen, ob gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden können oder ob geschlachtete Hühner in einem Chlorbad mit Chlordioxid desinfiziert werden oder nicht.

Vorsorgeprinzip

In Europa gilt dafür als Rechtsstandard das Vorsorgeprinzip. Das heißt, es darf nur etwas zugelassen werden, wenn eindeutig feststeht, dass es nicht gesundheitsgefährdend ist. Der amerikanische Rechtsstandard ist genau umgekehrt: Solange nicht erwiesen ist, dass ein Produkt oder ein Herstellungsverfahren gesundheitsschädlich ist, ist es erlaubt. Das sind zwei völlig unterschiedliche Herangehensweisen, um zu entscheiden, ob bestimmte Pflanzenschutzmittel, Hormone oder gentechnisch veränderte Organismen erlaubt werden oder nicht. Mit dieser Rechtssicht kann man alle europäischen Standards im Bereich Landwirtschaft und Umwelt unterlaufen und die Landwirte in vielen Teilen Europas in existenzielle Schwierigkeiten bringen. Dabei geht es im europäischen Vorsorgeprinzip nicht darum den Import von Waren nach Europa zu verhindern, sondern schlicht und einfach um die Gesundheit der Bürger.

Das Handelsabkommen entscheidet somit auch über die zentrale politische Frage der nationalen Selbstbestimmung – was darf ein Staat noch selbst bestimmen? Welche Umweltauflagen, welche Lebensmittelstandards? Oder hebeln am Ende Konzerne mit Klagen vor Schiedsgerichten, gegen deren Spruch nicht berufen werden kann, die Selbstbestimmung der Staaten aus? Schreiben also die Konzerne an der zukünftigen Gesetzgebung mit? Wenn nicht mehr der Wille der Bürger entscheidet, sondern jener der Konzerne, ist dies das Ende der Demokratie. Es geht also um viel, vor allem darum, ob alles dem Profit geopfert werden darf.

Persönlich fürchte ich, dass sich auch hier der amerikanische Standpunkt gegenüber dem Europäischen durchsetzen wird. Nicht sofort, aber sicher. Hollywood und Fast Food haben auch ihre Zeit gebraucht. Aber heute sind beide europäische Wirklichkeit.

Ich wünsche mir mehr europäisches Selbstbewusstsein.

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hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151

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