Schwein„Die gängige Haltungsform ist für Schweine überhaupt nicht optimal.“

„Die gängige Haltungsform ist für Schweine überhaupt nicht optimal.“

Ein Interview von Katharina FOHRINGER, LANDWIRT Redakteurin

LANDWIRT: Wer steht hinter dem Verein zur Förderung der Offenstallhaltung?

Bert Mutsaers: Wir haben den OffenstallVerein im April 2016 gegründet. Darin sind Mitglieder der gesamten Wertschöpfungskette vertreten, aber auch Wissenschaftler und Privatpersonen, denen tiergerechte Schweinehaltung am Herzen liegt.

Was ist die Motivation hinter Ihrem Engagement?

Wir wollen gemeinsam unserer Verantwortung gegenüber den Tieren und einer Umwelt gerecht werden, die einen zunehmend bewussteren Umgang mit Bodenschätzen, Rohstoffen und Ressourcen erfordert.

Ist eines Ihrer Ziele, die Schweinehaltung in Deutschland grundlegend zu verändern wie es einige Tierrechtsund Umweltorganisationen auch immer wieder fordern?

Natürlich wäre es wünschenswert, wenn sich tiergerechte Haltungsformen wie das OffenstallKonzept systemweit durchsetzen würden. Zunächst besteht unser Ziel aber darin, Landwirte auf Landesund Bundesebene zu motivieren, sich für die Offenstallhaltung zu entscheiden. Wir wollen sie bei der Umsetzung des Konzepts unterstützen. Dafür müssen aber auch die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden: Das hierzulande bestehende bürokratische und rechtliche System hindert derzeit viele Landwirte daran, ihren Stall umzubauen. Damit sich das ändert, suchen wir aktiv den Dialog mit der Politik.

In der Nähe von Siedlungsgebieten ist es oft schwierig bis unmöglich, eine Genehmigung für Außenklimaställe zu bekommen. Anrainer fürchten Geruchsund Lärmbelästigung. Wie kann ein bauwilliger Landwirt seine Nachbarn von diesem Konzept überzeugen?

In der Nähe von Siedlungsgebieten ist es sicherlich sehr schwierig, die Genehmigung für einen Neuoder Umbau zum Offenstall zu bekommen. Es könnte aber helfen, den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, einmal einen Offenstall zu besuchen. So können sie vor Ort persönlich erleben, dass durch die getrennten Funktionsbereiche im Stall die Geruchsbelästigung deutlich geringer ausfällt als viele denken.

Auf der Vereinshomepage steht: „Wir wollen mit dem Offenstall-Konzept eine artgerechte Haltung von Schweinen fördern.“ Manche Berufskollegen mit herkömmlichen Stallsystemen sehen sich durch die sogenannten Tierwohl-Ställe in ein schlechtes Licht gerückt. Sind denn die gängigen konventionellen Stallsysteme nicht artgerecht?

Ich spüre ein großes Unwohlsein, dass wir in der Schweinehaltung immer so weitermachen wie bisher. Wenn heute neu gebaut wird und große Summen investiert werden, dann stellt man wieder dieselben geschlossenen Systeme hin, wie sie vor 20, 30 Jahren schon gebaut wurden. Natürlich sind die Ställe heute moderner, aber das Prinzip ist dasselbe. Dabei ist die gängige Haltungsform für Schweine überhaupt nicht optimal.

Die drei entscheidenden Vorteile eines Offenstalls gegenüber einem konventionellen Stallsystem sind …?

Doppelt soviel Platz und Komfort, frei wählbare Klimazonen mit natürlichen Witterungseinflüssen sowie tiergerechte Funktionsbereiche zum Liegen, Fressen, Bewegen, Koten und Harnen. Das Ergebnis: vitale Schweine, die sich sichtlich wohlfühlen.

Wie viel mehr muss Fleisch von Schweinen aus Offenställen kosten, damit sich diese Haltungsform auch rentiert?

Unser Konzept besteht darin, Produkte, deren Fleisch zu 100 Prozent aus Offenstallhaltung stammt, mit einem Logo zu kennzeichnen und zu einem etwas höheren Preis – teurer als konventionell, aber günstiger als Bio – anzubieten. Wir gehen davon aus, dass man nur ungefähr 20 Prozent des Preises aufschlagen muss, um auf diese Weise bedeutend mehr Tierwohl zu erhalten. Der Mehrbetrag kommt ausschließlich und ohne Umwege den Landwirten zugute und erhöht deren Wertschöpfung. Voraussetzung ist aber natürlich die Bereitschaft des Verbrauchers, für artgerechte Tierhaltung etwas mehr Geld auszugeben.

Auf Ihrer Homepage findet sich ein Beitrag von Greenpeace über einen Offenstall. Sollte die Branche generell mehr mit NGOs kooperieren, um das Image der Schweinehaltung zu verbessern?

Unser Verein hat sich zum Ziel gesetzt, eine tiergerechte Form der Schweinehaltung zu etablieren – ein Anliegen, das wir mit vielen NGOs teilen. Mit dem Offenstall-Konzept erfüllen wir beispielsweise auch Forderungen des Deutschen Tierschutzbundes. Da macht es für uns Sinn, an einem Strang zu ziehen.

Thema Ringelschwanz: Lässt sich ein Kupierverzicht nur in Offenställen umsetzen?

Mit schweinegerechter Futterzusammensetzung und -verabreichung, genügend Beschäftigungsmöglichkeiten, viel Platz und unterschiedlichen Klimareizen sorgen wir im Offenstall dafür, dass die Schweine beschäftigt und ausgeglichen sind und ihre Ringelschwänze unversehrt lassen. Ich fürchte, dass sich diese Bedingungen in konventionellen Ställen auch mit gutem Stallmanagement nur schwer herstellen lassen.

Wo sehen Sie die Schweinehaltung in zehn Jahren? Wird sich das Offenstallkonzept in Deutschland in absehbarer Zeit gegen die derzeit üblichen, konventionellen Ställe durchsetzen?

Wir glauben, dass sich nachhaltige und zukunftsweisende Tierhaltungskonzepte wie das Offenstall-Konzept langfristig durchsetzen werden, allerdings wohl nicht innerhalb weniger Jahre. Wir setzen uns für eine Systemänderung ein. Diese kann aber nur dann gelingen, wenn alle Parteien mitziehen: Industrie, Handel, Verbraucher, NGOs und vor allem auch die Politik müssen in ihren Entscheidungen zu artgerechter Tierhaltung beitragen wollen.

Der Verein

Gründung: April 2016

Mitglieder aus der gesamten Wertschöpfungskette: Landwirte, ein Schlachtbetrieb, Veredler, Wissenschaftler, Privatpersonen

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