Die größten Agrarförderungen bekommen die Agrarmarkt Austria (AMA), die österreichische Telekom, diverse Tourismuseinrichtungen und die hektarstärksten landwirtschaftlichen Betriebe. Red Bull wurde innerhalb eines Jahres wieder um 250 Millionen reicher. Gleichzeitig sinken die Realeinkommen weiter Teile der Bevölkerung und kämpfen viele Landwirte ums wirtschaftliche Überleben.
Unsere Gesellschaft tappt in eine immer größer werdende Gerechtigkeitslücke. Wir entwickeln uns immer schneller zur Zwei-Klassen-Gesellschaft – dort die Gewinner, da die Verlierer. Während eine kleine Elite immer reicher wird und sich ihre Privilegien – von Einkommen bis Pension – sichert, haben immer mehr Menschen damit zu kämpfen über die Runden zu kommen. Es darf also niemanden wundern, wenn sich heute große Teile der Gesellschaft benachteiligt, allein gelassen und an den Rand gedrängt fühlen. Das Gefühl, mit seinen Anliegen und Problemen auf die Seite geschoben zu werden und nur noch eine Randnotiz zu sein, nimmt auch in der Landwirtschaft stark zu.
In einem mehrseitigen Schreiben schildert mir Herr Lercher Johann, aus Sillian in Osttirol, seine Sicht der Dinge:
„Ratlos sind die Bauernvertreter, wie man den Einkommensverfall des Bauernstandes beenden könnte. Vom EU-Agrarbudget bekommen die landwirtschaftlichen Großbetriebe und deren Produktabnehmer, wie Molkereien, Marmeladenund Getränkehersteller 85 % des Fördergeldes. Die übrigen Kleinbauern und Bergbetriebe dürfen sich die restlichen 15 % teilen.
Zudem sind die Bauern die einzige Berufsgruppe für die es keine Wertsicherung, also Inflationsabgeltung gibt. Weder bei den Produktpreisen, noch bei den Förderungen.
Auch sind die Bauern die einzige selbständige Berufsgruppe, wo die Abnehmer (Molkerei, Viehhändler, Sägewerker etc.) den Produktpreis bestimmen.Die EU übersieht offenbar, dass Landwirtschaft nicht nur Großbetriebe sind, sondern bäuerliche Familienbetriebe, die für zahlreiche Wirtschaftsbetriebe und den Fremdenverkehr (Landschaftspflege und natürliche Lebensmittel) lebensnotwendig sind.
Ich habe meinen landwirtschaftlichen Betrieb vor einem Jahr eingestellt, um mich der Versklavung des Bauernstandes zu entziehen.“
Zwei Klassen von Familienbetrieben
Auch eine aktuell durchgeführte Studie der Wirtschaftsuniversität (WU) Wien zeichnet ein bedenkliches Bild. Dabei wurden tausend landwirtschaftliche Betriebe in Niederösterreich untersucht:
Rund 60 % der Betriebe wissen heute nicht, ob sie einen Nachfolger haben werden oder nicht. Als Gründe werden angeführt: die generelle negative wirtschaftliche Entwicklung der Branche, fehlendes Interesse der Kinder, geringe Entlohnung bei hohem Arbeitseinsatz, Abhängigkeit von Förderungen und der ständig steigende bürokratische Aufwand.
Dazu kommt, dass mehr als die Hälfte der befragten Betriebe mit dauerhaften finanziellen Problemen zu kämpfen hat. Für viele Höfe ist es gerade noch möglich, den laufenden Betrieb zu erhalten. Unter diesen Bedingungen können notwendige Investitionen nicht getätigt werden. Das wiederum bremst Innovation und Chancen für die Zukunft. Dadurch besteht die ernste Gefahr, so die Studie, dass es auch bei landwirtschaftlichen Familienbetrieben zu einer Art Zwei-Klassen-Gesellschaft kommt. Nur noch gut 40 % können es sich leisten, ihren Betrieb weiterzuentwickeln – dem großen Rest bleibt für Zukunftsinvestitionen nichts übrig.
Das schafft Frust und wird als Ungerecht empfunden.
Nicht die Gier, sondern Augenmaß und mehr Rücksichtnahme auf Benachteiligte muss wieder die Richtschnur werden. Es braucht wieder mehr Gerechtigkeit.
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