Bauernsprecher Hans MeisterGanzjahres-Freilandhaltung

Ganzjahres-Freilandhaltung

„Der Rewe Konzern macht seit einiger Zeit, im Rahmen seiner Biomarke ‚Ja! Natürlich‘, Werbung mit Freilauf für alle Tiere. Das Ziel soll die Freilandhaltung aller Tiere sein. Mit dieser Kampagne werden die Tierschutzstandards weiter in die Höhe getrieben. Auch andere Biomarken von anderen Handelskonzernen haben viel strengere Tierhaltungsvorschriften als im österreichischen Tierzuchtgesetz festgeschrieben sind. Ich frage mich: Wie sinnvoll ist das ständige Hinauf-Lizitieren der Tierschutzstandards durch die Handelskonzerne? Warum erheben unsere Bauernvertreter ihre Stimme nicht dagegen?

Kaiser Josef führte nicht ohne Grund vor rund 200 Jahren die Ganzjahresstallhaltung ein. Bei einigen Tiergruppen ist eine Weidehaltung bei entsprechenden Möglichkeiten sicher sinnvoll. Viele Bauern haben auf Grund ihrer Hoflage gar keine Möglichkeit für eine Weidehaltung. Wie sinnvoll ist die Freilandschweinehaltung? Der Flächenbedarf ist bei dieser Haltungsform einfach zu groß. Will man diese Bauern aus der Produktion vertreiben?“, schreibt mir Herr E. aus Oberösterreich.

Marktmacht der Handelskonzerne

Die Konzernsprecherin von REWE Österreich, Ines Schurin, sieht das anders und antwortet mir:

„In dem genannten Inserat heben wir die Leistungen unserer Biobauern und der Marke Ja! Natürlich hervor. Diese werbliche Hervorhebung von Leistungen – in diesem Fall jener Bauern, die diese anspruchsvollen Tierhaltungsbedingungen nachweislich erfüllen – ist das Grundprinzip jeglicher Werbung. Die getroffenen Aussagen sind fachlich richtig, eine Herabwürdigung anderer Marktteilnehmer ist dadurch nicht gegeben. Das Prinzip der Werbung ist die Zuspitzung der Aussagen auf die eigene Leistung. Es steht fachlich außer Streit, dass die Bewegungsfreiheit und die ständige Option zum Auslauf an die frische Luft Eckpfeiler einer artgemäßen Bio-Tierhaltung sind. In der Praxis ist das keine Selbstverständlichkeit, bei Ja! Natürlich aber alles andere als zu viel versprochen, es ist nämlich absolute Grundvoraussetzung.

Das ist eine besondere Leistung unserer Bio-Bauern in den verschiedenen Regionen Österreichs, auf die wir sehr stolz sein können und die wir daher auch bewerben.

Wir sprechen uns auch nicht gegen eine Stallhaltung aus, wie dies im obigen Schreiben vermittelt wird – selbstverständlich gehört der Schutz der Tiere vor Wetterextremen zu einer artgemäßen Nutztierhaltung, sondern wir sprechen uns für ganzjährige Freilaufhaltung aus. Trotz allem Verständnis für manch schwierige Situation der Bauern kann daraus keine Berechtigung zur dauerhaften Fixierung der Tiere und zur Unterbindung des „Sozialkontaktes dieser Herdentiere“ – wenn auch nur winters – abgeleitet werden.

Die Sicherung eines Einkommens für bäuerliche Familienbetriebe kann langfristig nur im Einklang mit den Wünschen der Kunden erfolgen. Eine artgemäße Tierhaltung wird für immer mehr Menschen zum schlagenden Argument und zur Grundvoraussetzung für den Kauf tierischer Lebensmittel.

Mit einem Festhalten am Status quo ist keinem viehhaltenden Betrieb geholfen, die Tierhaltung muss sich ändern.“

Das hier auszugsweise wiedergegebene Schreiben zeigt die Macht der Handelskonzerne. Hier wird ein einziger öffentlichwirksamer Bereich der Tierhaltung herausgezogen, ohne dazuzusagen, dass die ganzjahres Freilandhaltung gerade bei kleineren Betrieben, bei ungünstigen Platzverhältnissen im Dorf und bei Bergbauern in steilen Regionen nur eingeschränkt oder gar nicht möglich ist. Solchen Betrieben wird solcherart de facto die Überlebensfähigkeit abgesprochen. Der Druck auf die Landwirtschaft durch die Handelsketten nimmt stetig zu, ohne dass der Mehraufwand auch entsprechend abgegolten wird. Handelskonzerne entscheiden damit immer stärker mit ihrer Marktmacht über Sein oder Nichtsein von bäuerlichen Existenzen.

Sie wollen uns Ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:

hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151

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