Der Voestalpine-Chef droht, mit der Voestalpine von Linz in die USA abzuwandern. Die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich überlegt, wegen der Bankensteuer nach Passau umzusiedeln. Eine andere Bank denkt darüber nach, nach Prag zu gehen. Und viele Industriebetriebe lagern ihre Produktion in sogenannte Niedriglohnländer aus. Einer der großen globalen Favoriten dabei ist China. Aber mit steigendem Wohlstand werden auch chinesische Arbeitskräfte teurer. Kein Problem, dann wandern die Billigsdorfer weiter nach Vietnam oder Kambodscha und erzeugen zu billigsten Kosten, unter mieserablen Arbeitsbedingungen, um die heimische Konkurrenz auszustechen, ihren Aktionären die gewünschten Dividenden bezahlen zu können und die heimischen Konsumenten mit Lockartikeln zu ködern.
Wettbewerbsfähigkeit
Auch in der Agrarpolitik reden wir sehr oft und gerne von wettbewerbsfähigen Betrieben. Wettbewerbsfähig zu sein bedeutet in seiner letzten Konsequenz, so lange stärker zu sein, bis der andere aufgibt. Rund 4.000 landwirtschaftliche Betriebe geben pro Jahr in Österreich auf. Sie sind Wettbewerbsverlierer. Gleichzeitig will die Agrarpolitik intakte ländliche Regionen, eine flächendeckende Landbewirtschaftung und prosperierende landwirtschaftliche Familienbetriebe. Wie passt das zusammen? Wettbewerb fördert nicht das Zusammenleben, sondern die Verdrängung. Wettbewerbsfähigkeit zu Ende gedacht hat klare, teilweise grausame Konsequenzen.
Der grenzenlose Wettbewerb bringt nicht mehr Wohlstand, sondern führt in eine Sackgasse. Er fördert Egoismus und Rücksichtslosigkeit, entwurzelt und destabilisiert ganze Regionen, führt zu Abwanderung und degradiert Menschen zu Arbeitsmaschinen. Hier braucht es ein radikales Umdenken. Es bringt nichts sich zu Tode zu konkurrenzieren, damit es am Ende ein paar Superreiche und global wettbewerbsfähige Superbetriebe gibt. Dazwischen aber wogt ein Meer von Arbeitslosen, Verlierern und Enttäuschten. Stattdessen braucht es mehr Zusammenarbeit, mehr gegenseitige Rücksichtnahme, weil das nicht nur die Lebensqualität erhöht, sondern auch eine Region stärkt und sie am Leben erhält.
Billig, billiger, am billigsten
Es gilt für Betriebe, Konzerne wie für Konsumenten: billig ist nie billig genug. Solange es irgendwo auf dem Planeten noch billigere Arbeitskräfte und Produktionsbedingungen gibt und solange ein Diskonter irgendwo im Lande noch billiger verkaufen kann, werden diese Möglichkeiten voll ausgenützt. Das trifft auch die Landwirtschaft voll. Das ist der Fluch der Gier.
Wir alle sollten aber wissen, wenn wir nach der billigs ten Version leben wollen, dann werden sich auch unsere Lebensbedingungen radikal ändern. Dann ist es vorbei mit sozialem Frieden, niedriger Kriminalitätsrate, intakter Umwelt, gesunden Lebensmitteln, gepflegten Landschaften, Tierschutz und kostenloser Gesundheitsversorgung. Wir kennen genug solche Länder. Es sind meist genau die, mit denen wir in Kostenwettbewerb stehen und die uns von den Wettbewerbsökonomen so gerne als kosteneffiziente Vorbilder hingestellt werden. Nur leben wollen die Bosse dort nicht. Es kann und darf nicht Ziel des Kostenwettbewerbs sein, dass sich Europa den Standards der dritten Welt anpasst und zu einem defacto Schwellenland wird.
Weil jeder mit jedem im Wettbewerb steht und jeder alles billiger, am billigsten will – selbst um den Preis, dass alles vor die Hunde geht – braucht es neue Ideen für Zusammenarbeit zur Bündelung der Kräfte. Es gibt keine Rezepte dazu, aber jeder von uns hat einen Verstand. Vernünftiger Wettbewerb braucht die Fähigkeit zur Zusammenarbeit. Statt von mehr Wettbewerbsfähigkeit sollten wir öfter von mehr Zusammenarbeitsfähigkeit reden.
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