Bauernsprecher Hans MeisterMit der Wahrheit sparen

Mit der Wahrheit sparen

Wer groß, stark und mächtig ist, hat auch eine besondere Verantwortung. Das trifft auch auf die Politik zu. In der österreichischen Agrarpolitik ist der österreichische Bauernbund der größte und stärkste Player. Der Bauernbund hat zweifellos Wichtiges für die österreichischen Bauern erkämpft.

Aber auch die Landwirte sind längst eine immer stärker indifferente Gruppierung, mit unterschiedlichen Interessenslagen und Problemen, die unterschiedliche Antworten und Lösungen brauchen. Wer es allen recht machen will, läuft Gefahr es bald niemanden recht zu machen. Um dieser Gefahr auszuweichen, bedient man sich in der Politik, in allen Parteien und Gruppierungen gerne verschiedener Techniken. Einmal redet man die Prob leme schön, so als gäbe es sie gar nicht. Dann wieder gebraucht man starke Worte, um sich selbst stark und mächtig zu reden. Am gefährlichsten aber ist „das Sparen mit der Wahrheit“.

Darunter verstehe ich, dass Probleme und unterschiedliche Lösungsvorstellungen nicht offen anund ausgesprochen werden, weil man die öffentliche Debatte darüber scheut. In der österreichischen Politik herrscht diesbezüglich eine eigentümliche Angst vor einer breiten öffentlichen Diskussion. Lieber mauschelt man hinter verschlossenen Türen und präsentiert „fertige Pakete“. Siehe Koalitionsverhandlungen.

So leben paradoxerweise gerade oft starke Organisationen lieber nach dem Motto „nur keine schlafenden Hunde wecken“ statt das Thema offensiv und mutig anzusprechen. Dieses „Sparen mit der Wahrheit“ ist für die Landwirte unangenehm und zumindest ökonomisch nicht ungefährlich. Dazu zwei Beispiele:

Pauschalierungsverordnung

Jahrelang – wenn nicht Jahrzehnte – wurde die landwirtschaftliche Pauschalierung völlig tabuisiert und den Landwirten eine absolute Sicherheit signalisiert, obwohl allen politischen Kräften bewusst war, dass es hier zu Veränderungen kommen würde. Eigentlich ist bei der letzten Änderung der Pauschalierungsverordnung den Bauernbund-Verhandlern sogar einiges mehr gelungen, als man ursprünglich vermutet hätte. Aber statt Applaus gab und gibt es heftigste Kritik, weil es Veränderungen gab, über die man nie mit den Betroffenen diskutiert hatte, über die es keine Vorinformationen gegeben hatte, sondern nur ein fertiges Paket, das man auf den Tisch knallte. Dazu kommt, dass durch die Einheitswertanpassung in den kommenden Jahren Betriebe automatisch an die Pauschalierungsgrenze gelangen.

Fördergerechtigkeit

Die Benachteiligung schwächerer und mittlerer Strukturen ist Fakt. Da kann man mit dem Begriff Ausgleichszahlung jonglieren, unterm Strich bleibt, dass die hektarbezogene Abgeltung die hektarschwachen Betriebe benachteiligt. Und wenn die Ausgleichszahlung, tatsächlich eine Ausgleichszahlung für die sehr tiefgehaltenen Produzentenpreise ist, dann haben kleinere und mittlere Betriebe erst recht einen dreifachen Verlust:

  1. durch hohe Fixkostenbelastung
  2. geringe Fördermittel und
  3. gleich niedrige Produzentenpreise

Dazu braucht man sich nur die durchschnittlichen Fördergelder je Betrieb ansehen. So sehr Durchschnittszahlen alle Ausschläge nach oben und unten verwischen, so zeichnen sie doch ein Bild.

Durchschnittliche Förderung je Betrieb in Österreich
Quelle: Quelle: BM f. Land u. Forstwirtschaft

Wenn wir möglichst viele landwirtschaftliche Betriebe – auch im Sinne von Arbeitsplatzerhaltung – am Leben erhalten wollen, müssen auch deren offensichtliche Benachteiligungen beseitigt werden. Dabei geht es nicht nur um Geld, sondern auch um die Wertschätzung der Arbeit, die diese Höfe – in oft sehr benachteiligten Gebieten – für die Allgemeinheit erbringen.

Was den Landwirten aufstößt, ist das Schön-Reden, das Darum-Herumreden, das Nicht-darüber-Reden. Gleichzeitig aber geben jährlich tausende Landwirte auf, ohne dass irgendjemand − Politik oder Gesellschaft − ernsthaft darauf reagieren würde. Gelebte Demokratie braucht Diskussion, Auseinandersetzung und Ideenwettstreit, bevor fertige Lösungen auf den Tisch kommen.

Deshalb wünsche ich mir keine Wahrheitssparer, keine Wegschauer und keine Angsthasen, sondern eine mutige Agrarpolitik, die sich auch vor „schlafenden Hunden“ nicht fürchtet.

In diesem Sinne wünsche ich allen Lesern ein gesundes und erfolgreiches Neues Jahr.

Sie wollen uns ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:

hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151

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