Bernhard Witas öffnet das Tor zur Weide. In rasantem Tempo sprintet die Alpaka-Herde an ihm vorbei auf die Wiese. Der Hausruckviertler lacht und sagt: „Wie ein Güterzug sausen sie auf die Koppel. Aber auf leisen Sohlen.“ Vor sieben Jahren standen noch zehn Milchkühe im Stall. „Als die Pension meiner Mutter damals immer näher rückte, überlegten wir, wie wir den Betrieb weiterführen wollten“, denkt Bernhard Witas zurück. Witas arbeitete als Chemiker in der Faserindustrie. Deshalb machte sich die Familie auf die Suche nach einem Betriebszweig, der weniger Arbeitszeit bindet.
Drei Stuten für zehn Kühe
„Meine Mutter sagte eines Tages: ‚Alpakas wären doch großartige Tiere für unseren Hof.‘“ Nachdem die Entscheidung auf die Wolllieferanten gefallen war, besuchte Bernhard Witas mehrere Grundlagenseminare für die Alpakazucht, um sich das Rüstzeug für eine gezielte Wahl der ersten Zuchttiere und deren Haltung zu holen. „Unser Plan war, den Erlös aus dem Verkauf der zehn Milchkühe in die ersten Alpakatiere zu investieren. Bei der Suche nach guten Tieren entschieden wir, die Alpakazucht professionell zu betreiben, und erhöhten die Summe“, erklärt Bernhard Witas. Schließlich holte er um rund 22.000 Euro die ersten drei Zuchtstuten auf den Hof. Zuchttiere kosten je nach Vliesqualität zwischen 3.000 und 15.000 Euro. Eine weiße Alpakastute beißt ein Büschel Gras ab und hebt ihren Kopf. Bernhard Witas tätschelt ihren Hals und sagt: „Das ist Orphelia, meine erste Stute. Sie ist für mich persönlich die Königin der Herde.“ Mittlerweile grasen 47 Alpakas auf den Weiden von Familie Witas.
Diesen Artikel finden Sie im Landkalender. Bestellen Sie gleich hier Ihr Exemplar des Landkalenders 2025.
Kot und Harn trennen
2018 baute Witas einen einfachen Holzstall für die ersten Alpakas. 10.000 Euro investierte er damals in den 36 m² großen Stall. Die Kotplätze stattete er mit einer selbst entwickelten Kot-Harn Trennung aus. Dazu betonierte er den Kotbereich mit einem Gefälle von 5 % zur Mitte hin und montierte das Sieb einer Entwässerungsmaschine, das er kostengünstig durch seine Firma beziehen konnte, darauf. So kann der Harn sofort abfließen. Ein weiterer Vorteil: Da Kot und Harn getrennt gesammelt werden, ist die Ammoniakemission geringer. Den Kot entfernt Familie Witas täglich. Das sind etwa drei Schubkarren pro Tag bei 50 Tieren. Da die Alpakas immer die gleichen Kotstellen aufsuchen, müssen die Witas‘ nur wenige Quadratmeter des Stalles täglich ausmisten. Damit der Schmutzbereich klar definiert ist, hat Bernhard Witas die Funktionsbereiche ähnlich wie die eines Schweinestalles angeordnet. „An den Tränkestellen setzen die Tiere Kot und Urin ab. Das mussten wir bei den Stallplanungen bedenken“, erklärt er. Da sich das System bewährte, folgte 2020 der Neubau eines größeren Stalles mit 150 m² nach dem gleichen Bauprinzip.
Erfolg bei der Weltkonferenz
Witas beschäftigt sich intensiv mit der optimalen Haltung seiner Tiere. „Wenn ich die Alpakas gut halten will, sind die Anforderungen ähnlich wie bei Rindern. Ich habe ebenso trächtige und laktierende Tiere, die wir gut versorgen müssen, damit sie hohe Leistungen bringen können“, betont er. Seit einem Jahr arbeitet Witas nebenberuflich als Zuchtwart für den österreichischen Alpaka Zuchtverband. Einmal im Jahr bringen die österreichischen Züchter ihre besten Tiere zur Alpaka-Expo nach Graz. Im Rahmen der Expo im Februar 2024 fand in den Grazer Messehallen auch die Welt-Konferenz der Alpakazüchter statt. Dazu kamen Züchter aus verschiedenen europäischen Ländern in die Steiermark. In der Kategorie „helle Zuchtstuten“ holte sich dort Cindarella Ice den begehrten Farbchampion, im anschließenden Finale um den Titel „Beste Stute der Show“ musste sie sich dann nur einem Tier aus Belgien geschlagen geben. „Diese Auszeichnung war ein Meilenstein für unsere Zucht“, freut sich Bernhard Witas.
Feine Wolle als Zuchtziel
Er scheitelt mit seinen Händen das Vlies von der Alpakastute Opala Gold und erklärt: „Genau diese feinen, schön gekräuselten Faserbündel wollen wir sehen.“ Worauf legt Witas bei seinen Zuchtentscheidungen Wert? „Mein persönliches Zuchtziel ist eine lebenslange Feinheit des Vlieses bei unter 20 Mikron mit sehr hoher Dichte und einem anhaltend hohen Vliesgewicht sowie gutem Glanz.“ Dass das Fundament der Tiere makellos ist, setzt der Züchter voraus. Die Feinheit wird bei der Klassierung der Wolle mit Hilfe eines speziellen Messgerätes festgestellt und in Mikron angegeben. Dabei gilt: Je höher die Mikronzahl, desto gröber die Wolle. Im Zuge des Herdenaufbaus schaffte sich Witas auch noch zwei Stuten mit ausländischer Genetik an, um gezielt einzelne Merkmale zu verbessern. „Eine Stute mit deutsch-neuseeländischer Genetik, um mehr Feinheit in die Herde zu bekommen, und eine Stute, die in Kanada geboren war, um den Zuchtfortschritt in puncto Vliesdichte zu beschleunigen“, schildert der Alpakazüchter. In den vergangenen zehn Jahren hat die Branche seiner Meinung nach in Österreich gute Zuchtfortschritte gemacht. „Die Qualität der österreichischen Zuchttiere ist mittlerweile so hoch, dass Importe keinen Sinn mehr machen“, ist sich Witas sicher.
Scheren ist Erntezeit
Alpakas zählen zur Familie der Neuweltkamele, sind unechte Wiederkäuer und stammen ursprünglich aus Südamerika. Eine Trächtigkeit dauert 11,5 Monate. Sie pflanzen sich im Liegen fort. Der Eisprung wird beim Deckakt ausgelöst. „Die Stute kennt ihren Hormonspiegel so gut, dass sie weiß, ob sie bereits trächtig ist oder nicht“, erklärt Witas. Wenn sie trächtig ist und sich ein Hengst nähert, dann „verspuckt“ sie ihn. Diese Eigenschaft machen sich Alpakazüchter für die Trächtigkeitskontrolle zu Nutze. Drei Wochen nach dem Decken führt Witas einen Hengst zu den Stuten. Wird dieser verspuckt, so kann er davon augehen, dass die Stute trächtig ist. Der Züchter ergänzt: „Wenn die Stute hingegen besamt werden will, legt sie sich nieder.“ Ein Standbein des Zuchtbetriebes ist mittlerweile der Verkauf von Decktaxen. Ein Decksprung kostet zwischen 800 und 1.500 Euro und beinhaltet eine Lebendfohlengarantie. Dazu fährt Witas mit den Hengsten auf die Betriebe oder holt die Stuten auf den Hof. Zudem bieten seine Schwester Johanna und er einen Scherservice an. Pro Jahr scheren sie rund 400 Tiere. Das ist für sie immer eine besonders spannende Zeit. „Erst hier kommt die volle Pracht des Vlieses zum Vorschein. Und für uns Alpakazüchter ist das wie Erntedank“, schildert Witas.
Großes Sortiment
Das Produktsortiment, das Familie Witas aus der feinen Wolle ihrer Tiere herstellen lässt, ist vielfältig und reicht von Seifen über Strickwolle, Schuheinlagen, Bettdecken bis hin zu Socken. Mit viel Begeisterung entwickeln sie ständig neue Produkte aus den Alpakafasern. „Mittlerweile produzieren wir Garne, die auf Strickmaschinen laufen können. Damit können wir mit Qualitäten mithalten, die in der Industrie verarbeitet werden können“, sagt Witas mit einem breiten Lächeln. Um mehr Stabilität in die Strickgarne zu bekommen, lässt er die Wolle teilweise mit der Holfaser Lyocell mischen. „So sind beispielweise Socken strapazierfähiger. Die Holzfaser können wir in der Region zukaufen“, berichtet der findige Chemiker.
Therapie und Trekking
Bernhard Witas schließt das Tor zur Stuten-Weide hinter sich und schlendert zur Weide der Hengste. Zwischen den Alpakahengsten grast ein Lamahengst. Er hebt den Kopf und geht interessiert auf Witas zu. „Lamas sind geduldige Tiere und überaus neugierig. Sie sind es gewöhnt, Schulter an Schulter mit den Menschen zu gehen. Schließlich wurden sie dafür von den Inka gezüchtet“, erklärt der Hausruckviertler. „Alpakas sind dafür da, in Ruhe auf der Weide zu grasen und einmal im Jahr geschoren zu werden“, gibt er zu bedenken. Leinenführige Alpakas können gut für Wanderungen ausgebildet werden. Wenn es jedoch längere Trekkingtouren sein sollen, dann sind Lamas die perfekten Begleittiere. „Alpakas wurden in ihren Ursprungsländern für die Wollgewinnung gehalten, Lamas für den Lastentransport“, begründet der Landwirt. Witas legt dem Lamahengst einen Halfter an. Mit der Leine in der Hand geht er in Richtung Weidetor. Das Lama trottet geduldig neben ihm her. Witas zeigt mit der freien Hand auf das Tier, das aufmerksam die Ohren spitzt, und sagt: „In Zukunft werden wir uns auch in der Zucht von Lamas breiter aufstellen und sie für Trekking und tiergestützte Therapie ausbilden. Hier gibt es auf jeden Fall noch viel Potenzial.
Kommentare