Schafe und ZiegenSchafSchafe und Textilien: eine verwobene Geschichte

Schafe und Textilien: eine verwobene Geschichte

Quelle: Foto: A. Rausch, Grafik: NHM Wien

Welche Materialien finden wir vor, wenn wir täglich den Kleiderschrank öffnen? Unsere Kleidung wird zu rund 70 Prozent aus Chemiefasern wie Polyester, Polyamid und Cellulose hergestellt. Die in früheren Zeiten enorme Bedeutung der tierischen Wolle für die Bekleidung ist heute kaum mehr vorstellbar. Das Wissen darüber erweitert nicht nur unsere historische Basis, sondern ist gerade jetzt, wo die Problematik von Mikroplastik und die Bedeutung von erneuerbaren Rohstoffen immer wichtiger werden, aktueller denn je. Schafe zählen zu den ältesten Haustieren. Während Knochenfunde von Schafen vergleichsweise häufig sind, sind Wollreste oder Wolltextilien nur in Ausnahmefällen erhalten. Archäozoologische Analysen können anhand von Skelettelementen nicht nur die einzelnen Tierarten, sondern auch deren Geschlecht und Schlachtalter bestimmen. All diese Daten können Hinweise auf die Lebensumstände und Nutzung der Tiere geben.

Schafe und wir – seit der Jungsteinzeit

Die ersten Schafe und Ziegen tauchen im heutigen Österreich vor mehr als 7.000 Jahren, im frühesten Neolithikum (Jungsteinzeit), auf, gemeinsam mit domestizierten Rindern, Schweinen und Hunden. Die meisten dieser Haustiere verbreiteten sich wahrscheinlich über Anatolien nach Griechenland und von dort weiter über den Balkan und den Mittelmeerraum. Das Hausschaf war zusammen mit der Hausziege bei seiner Ankunft in Mitteleuropa um 5500 vor Christus eines der bevorzugten Haustiere mit einem Anteil von oft mehr als 40 Prozent unter den Wirtschaftstieren. Aber schon im mittleren Neolithikum um zirka 4800 vor Christus sinkt ihr Anteil in Europa dramatisch. Als Hauptursache für diese Abnahme wird oft ökologischer Druck angenommen. Hausschafe stammen wahrscheinlich vom Armenischen Mufflon ab, während sich die Hausziegen von der Bezoarziege herleiten lassen. Beide Wildformen haben in Europa nicht existiert und fanden sich ursprünglich in semiariden Gebieten, in denen sich die Umweltbedingungen, zum Beispiel Temperatur, Niederschlag und Nahrungsbedingungen, deutlich von jenen in Mitteleuropa unterscheiden. Im archäozoologischen Fundgut kann man Nachweise dafür entdecken: Beispielsweise finden sich Gebissanomalien bei Schafunterkiefern aus österreichischen Fundstellen, die als Hinweis auf ungeeignete Weidebedingungen interpretiert wurden. Nach dem anfänglich sehr hohen Anteil der kleinen Hauswiederkäuer im frühen Neolithikum wurden sie schon ab dem Ende des Neolithikums durch das Rind als häufigstes Haustier abgelöst.

Milch, Fleisch oder Wolle?

Mithilfe archäozoologischer Daten konnte etwa gezeigt werden, dass die ersten Schafe und Ziegen hauptsächlich für ihr Fleisch gehalten wurden – ein Indikator ist das relativ junge Schlachtalter. Im heutigen Österreich findet man häufige Hinweise auf die systematische Nutzung der Schafe für ihre Wolle und Milch erst ab der Frühbronzezeit an der Wende vom dritten ins zweite Jahrtausend vor Christus. Beispielsweise ist die größere Häufigkeit von älteren weiblichen Schafen ein Hinweis auf Milchnutzung. In der nachfolgenden Eisenzeit gibt es einige Fundstellen, in denen Schafe sehr häufig sind und in denen der Schwerpunkt der Nutzung nicht auf Fleisch und Milch, sondern auch auf Wolle liegt. Hinweise darauf sind die Häufigkeit von Schafknochen, ein hohes Schlachtalter und eine relativ ausgeglichene Geschlechterverteilung. Ein Beispiel ist der späteisenzeitliche Zentralort von Roseldorf (Niederösterreich), der seit mehreren Jahren durch Archäologen vom Naturhistorischen Museum Wien untersucht wird. Neue Forschungen im früheisenzeitlichen Bergbaurevier Schwaz-Brixlegg in Tirol zeigen aber auch, dass dort Ziegen und vor allem Schafe weiterhin sehr wichtig für die Ernährung der Bergleute waren.

 

Kommentare

Warenkorb

Der Warenkorb ist leer.
Gesamt: 0,00