LANDWIRT 2023 Nr. 22 - Deutschland Extra

Interview 22-2023 39 Aus welchem privaten und beruflichen Umfeld kommst du? Ich wohne in Zürich in der Schweiz, der kleinsten Großstadt der Welt. Meine Freunde sind Stadtkinder, ich habe aber auch Kumpels, die aus ländlichen Gegenden kommen. Ich arbeite Vollzeit in einem Bürojob. Mein Bezug zur Landwirtschaft ist lediglich, dass ich Konsument bin, und – an meinen um die 100 Kilo auf den Rippen zu erken- nen – wohl nicht mal so ein schlechter. Wie viele Betriebe hast du mittlerweile besucht? Inzwischen durfte ich schon um die 180 Betriebe besuchen. Meine Freizeit und Urlaubstage sind hauptsächlich gefüllt mit Dingen rund um Schweine. Wenn ich mittlerweile zwei Wochen in keinem Stall mehr war, merke ich, dass ich Entzugserscheinungen kriege und die Borstentiere vermisse. Wie läuft ein typischer Betriebsbesuch von dir ab? Zuerst geht es zum Duschen und Um- ziehen in die Hygieneschleuse, damit ich durch meinen Besuch keinesfalls die Schweine gefährde. Wenn ich darf, mache ich während des Rundgangs oder danach ein paar Fotos. Im Schnitt dauert ein Besuch von mir schnell mal drei bis vier Stunden. Das Einfachste ist, wenn ich bei den „Routinearbeiten“ mitlaufe. Manchmal darf ich sogar ein paar Tage mitarbeiten, um richtig authentische Einblicke zu erhalten. In den Tagen nach meinem Besuch schrei- be ich meine Eindrücke nieder und suche passende Fotos aus. Erst wenn ich die Freigabe durch die Betriebe be- kommen habe, lade ich die Beiträge auf meinen Instagram-Account hoch. Denn: Zu viele Medien haben in der Vergangenheit den Landwirten das Wort im Mund umgedreht. Deshalb gibt’s bei mir praktisch nichts live, da- mit auch nur das veröffentlicht wird, was für die Bauern passt. Nebenbei: Ein Besuch von mir ist auch ganz ohne Be- richterstattung auf Instagrammöglich. Was haben die Bauern davon, dich in ihre Ställe reinzulassen? In erster Linie zeigen sie, dass sie nichts zu verbergen haben. Mir haben diverse Schweineprofis aus der Branche mehr- fach unabhängig voneinander gesagt, dass die Betriebe, die mich nicht reinlas- sen, wohl etwas zu verbergen hätten. Es gäbe nämlich keinen vernünftigen Grund, mich nicht in Ställe reinzulassen. Ein Schweinehalter lädt dich ein. Was kann er konkret dafür von dir erwarten? Der Betrieb wird, falls gewünscht, mit einer 15-teiligen Fotoreportage und erklärenden Texten auf meiner Insta- gram-Seite porträtiert. So kann der Landwirt das, was er tagtäglich hinter den Stallmauern Großartiges leistet, mit relativ kleinem Eigenaufwand nach außen tragen. Des Weiteren bin ich zwar kein Berater, ich kann aber bei meinen Besuchen auch erzählen, wie gewisse Dinge andernorts gemacht werden, da ich ja doch gut rumkomme. So durfte ich bei diversen Betrieben schon den einen oder anderen Input oder ein paar Anregungen mitgegeben. Durch meine vielen Betriebsbesuche im ganzen deutschsprachigen Raum habe ich in den letzten zweieinhalb Jahren ein wertvolles Netzwerk aufgebaut; von Be- samungsstationen bis zum Schlachthof, im Bereich Futter, Wasserhygiene, Bio- sicherheit, Stalleinrichtung, Schweine- tierarztpraxen sowie Fachmedien. Du schreibst auf Instagram: „Ein be- suchter Landwirt sagte: 'Es war fast er- schreckend, dass man mit einem kom- plett Branchenfremden über viele De- tailfragen so fachsimpel kann'.“ Woher hast du dein Wissen? Ich betone noch mal: Ich bin und bleibe Laie. Landwirte absolvieren eine fun- dierte Ausbildung, bilden sich weiter, haben jahrelange Erfahrung. Ich habe das Gefühl, die Basics der Schweinehal- tung zumindest oberflächlich verstan- den zu haben. Mein bescheidenes Wis- sen stammt aus ganz vielen Begegnun- gen und Einblicken, die mir von Betrie- ben ermöglicht wurden. Wie groß ist deine Reichweite derzeit? Aktuell habe ich gut 6.000 Follower auf Instagram, die meinen Kanal abon- niert haben. Da mein Profil aber öffent- lich sichtbar ist, können alle Interes- sierten, auch ohne mir zu folgen, die Beiträge anschauen und lesen. Nik alias stadtkind.im.schweinestall hat nach eigenen Angaben schon 180 Betriebe besucht. » Nach zwei Wochen ohne Stall beginne ich, die Borstentiere zu vermissen. stadtkind.im.schweinestall

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