LandlebenFamilieUnerfüllter Kinderwunsch: Warum gerade wir?

Unerfüllter Kinderwunsch: Warum gerade wir?

Wenn es mit dem Nachwuchs nicht klappt, leiden viele im Stillen.
Quelle: Antonio Guillem/shutterstock.com

Es ist der 7. des Monats. Sarah weiß schon, was kommt: Sie spürt das Ziehen im Unterbauch, sie ist gereizter als sonst. Ihre Periode ist im Anmarsch. Ihr Mann sieht die Tränen und geht. Er weiß, was los ist: Wieder ist ein Monat vergangen, in dem sie nicht schwanger geworden ist, ihr Kinderwunsch unerfüllt bleibt. Dabei wünschen sich die beiden nichts sehnlicher als ein Kind…

Das Thema Kinderwunsch ist ein ganz persönliches und intimes Thema und wird deswegen oft tabuisiert. Psychologin Nadja Fritzer hat sich unter anderem darauf spezialisiert und rät: „Hilfe sollte man sich holen, wenn man bemerkt, dass das Thema zunehmend belastet und die Lebensqualität beeinflusst.“ Stefanie Stolle ist Paartherapeutin und ehemals Betroffene. Sie bietet online Sprechstunden (www.stefanie-stolle.com) an und weiß, wie es sich anfühlt, eine Kinderwunschklinik zu betreten. „Warten Sie nicht zu lange, denn der Leidensdruck baut sich auf“, sagt sie. Denn es helfe nichts, sich abzulenken oder einmal nicht daran zu denken. Man wird jeden Monat von Neuem daran erinnert. Viele Paare machen das lange mit sich selbst aus, bevor sie Hilfe annehmen oder mit anderen darüber reden. Nicht selten gehen Beziehungen dabei in die Brüche.

Immer die gleiche Frage nach Kindern

„Und? Wie sieht es mit Nachwuchs aus?“ – eine Frage, die Sarah und ihr Mann nur allzu gut kennen. Zu Beginn war es noch leicht, eine Antwort zu geben. Mittlerweile tut es nur noch weh. Die Familienplanung ist ein heikles Thema und ein Ansprechen darauf wird häufig, vor allem von ungewollt kinderlosen Paaren, als übergriffig und wertend empfunden. Hier kann es helfen, sich Antworten bereitzulegen. „Überlegen Sie gemeinsam, was Sie Ihrer Familie, Ihren Freunden und Fremden erzählen wollen“, rät Stefanie Stolle. Wichtig dabei: Erzählen Sie nie mehr als Sie vereinbart haben und bleiben Sie bei der Wahrheit. Unwahrheiten muss man sich nämlich allesamt merken. „Je klarer Sie sind, umso einfacher ist es“, weiß Stolle. Nicht beeinflussen hingegen können Sie, was Dritte über Sie reden.

Alle haben Kinder

Gerade zu Muttertag werden viele Paare schmerzlich daran erinnert, dass sie noch keine Eltern sind. Oft kommen die Familien zusammen – Geschwister und Schwägerinnen mit Kindern. Gefühle wie Neid oder Eifersucht kommen auf, und man selbst ist sehr verletzlich. Das wissen die anderen aber oft nicht und so kann schon eine Kleinigkeit zur Eskalation führen. „Die erste Reaktion ist oft ein Rundumschlag, der viel zerstört“, erklärt Stefanie Stolle. Sollte es ganz schwierig sein, ist es auch in Ordnung, eine Familienfeier einmal zu schwänzen. Allerdings ist das keine Dauerlösung. Die Psychologin Nadja Fritzer gibt den Rat, die Familie trotz fehlender Freude über das Kind von Schwester oder Bruder zu besuchen. Dadurch bauen Sie eine Bindung zum Baby auf. Man stellt sich das im Vorfeld oft schwierig, ja fast unmöglich vor, aber in der Realität gelingt es meist ganz gut. Wenn man sich ab einem gewissen Punkt unwohl fühlt, dann sollte man das Treffen ruhigen Gewissens verlassen.
Es ist auch völlig okay, das Baby beispielsweise nicht halten zu wollen – man sollte sich keinesfalls zu etwas überreden lassen oder nur aus Anstand agieren, sondern auf sein Bauchgefühl hören. Frauen gehen da oft über ihre Grenzen.

Abschied nehmen vom Kinderwunsch

Ab einem gewissen Alter oder wenn die Möglichkeiten der assistierten Reproduktionsmedizin ausgeschöpft sind, wird man unweigerlich mit dem Abschied vom Kinderwunsch konfrontiert. Bei vielen Paaren setzt dieser Prozess aber schon früher ein und zieht sich über einen längeren Zeitraum. Oft ist es auch ein Schreckmoment, wie zum Beispiel eine Eileiterschwangerschaft, der Paare wachrüttelt. Manchmal wollen die Paare dann nicht mehr genauso weitermachen wie bisher und beschäftigen sich oft mit dem Gedanken „wie weit gehe ich für meinen Kinderwunsch und wo ist Schluss?“ Schwierig wird es jedoch, wenn ein Partner damit abschließen möchte, während der andere noch am Kinderwunsch festhält, oder wenn sich die Verantwortung verschiebt. „Zum Beispiel wenn der Mann seiner Frau die Entscheidungen überlässt. Das bringt die Partnerschaft aus der Balance und verschiebt die komplette Verantwortung auf eine Person, mahnt Stefanie Stolle. Es braucht definitiv viel Zeit und Raum, um zu realisieren, dass man kinderlos bleiben wird. Aber auch, um dies in die eigene Biografie zu integrieren und sich neu zu orientieren. Nadja Fritzer stellt klar: „Es gibt kein Richtig oder Falsch, wenn es um die Trauer geht. Häufig ist zu beobachten, dass Frauen und Männer diese Krise unterschiedlich verarbeiten. Jeder muss seinen eigenen Weg finden, damit umzugehen. Dennoch ist es wichtig, sich als Paar nicht aus den Augen zu verlieren.“
Nicht selten stellt dieses Thema die bis dato größte Krise im Leben der Betroffenen dar. Erst wenn man selbst klar ist, kann man seinen Standpunkt nach außen kommunizieren. Daher sollte man sich auch nicht davor scheuen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Tipps rund um das Thema unerfüllten Kinderwunsch

  • Googeln Sie nicht – im Internet sind nicht alle Bewertungen echt, nicht alle Geschichten stimmen.
  • Suchen Sie sich die richtige Hilfe, tauschen Sie sich mit anderen aus.
  • Definieren Sie Zwischenschritte. Wenn der nächste Schritt erreicht ist, überlegen Sie, ob die Richtung noch passt.
  • Sie sind so viel mehr als Ihr Kinderwunsch!
  • Sie dürfen sagen, was Sie brauchen, Sie dürfen traurig sein, Sie dürfen aber auch lachen!

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