KommentarUnmut über neues Einhebungsregime

Unmut über neues Einhebungsregime

Im Gegensatz zu Deutschland funktioniert in Österreich das generische Absatzmarketing der agrarischen Urprodukte. Die deutsche CMA Centrale Marketing-Gesellschaft der deutschen Agrarwirtschaft mbH wurde 2009 infolge eines Urteils zum dortigen Absatzfonds, der Finanzierungsquelle der CMA, aufgelöst.

In Österreich wurde bei EU-Beitritt die Einhebung der Marketingbeiträge und das CMA Pendant, die Agrarmarkt Austria (AMA) Marketing GmbH, von Anfang an auf gesetzlich solide Basis gestellt. Finanziert wird das Absatzmarketing mittels Zwangsabgaben auf die Produkte der bäuerlichen Produzenten. Eingehoben werden diese Marketinggebühren als parafiskalische Steuer von der Marktordnungs- und Föderverwaltungsstelle Agrarmarkt Austria – dies direkt beim Urproduzenten, in einzelnen Sektoren via erste Verarbeitungsstufe (Schlachthöfe, Molkereien). Die Gelder werden nach Abzug einer Verwaltungsgebühr an die Marketing-Tochter und die Wein Marketing weitergegeben.

Bisher keine Beiträge von den Getreidebauern

Doch seit Anbeginn gibt es Ausnahmen. So war die Beitragshöhe für Qualitätsgetreide bei der Vermahlung in den Mühlen von Anfang an auf null gestellt. Im Gegenzug saß aber jahrelang ein Mühlenvertreter im Aufsichtsrat der AMA Marketing GmbH, was für Unmut bei den anderen Zahlern sorgte. Auch probten in den 2000er-Jahren einige Schlachthöfe den Aufstand gegen die Abgabepflicht, scheiterten letztlich aber auf dem Rechtsweg.

Verbreiterung der Einhebungsbasis

Die faktische Beitragsfreiheit der Getreidebauern hatte auch der Rechnungshof bemängelt. Zudem kritisierte er, dass der überwiegende Teil der Beiträge (rund 80 %) aus den Bereichen Milch und Fleisch stammt.

Nach drei Jahren Verhandlungen mit den einzelnen Branchen wird das AMA-Gesetz nun geändert und die Aufbringung der Mittel auf eine breitere Basis gestellt. Die Marketingbeiträge kommen künftig aus zwei Säulen:

  1.  dem neuen einheitlichen Flächenbeitrag (Basisbeitrag) für landwirtschaftliche Nutzflächen
    – 5 Euro pro Hektar (und Jahr) landwirtschaftliche Fläche
    – 1 Euro pro Hektar (und Jahr) für Almweideflächen oder andere extensiv genutzte Flächen (z.B. Streuwiesen, Bergmähder, einmähdige Wiesen, Biodiversitätsflächen).
  2.  den schon bestehenden Produktbeiträgen für Schlachttiere, Legehennen, angelieferte Milch, Gemüse, Obst, Gartenbauerzeugnisse.

Durch das geänderte Beitragsmodell werden die Marketingbeiträge für die AMA Marketing von aktuell gut 19 Mio. Euro pro Jahr um rund ein Drittel steigen.

Teils erhebliche finanzielle Mehrbelastungen

Durch den neuen Flächenbeitrag fallen alle Landwirte ab 1,5 ha landwirtschaftlicher Fläche in die Marketingbeitragspflicht. Die Marktfruchtbetriebe (Getreide, Mais, Zuckerrüben) eben erstmalig und voll. Aus Gleichheitsgründen war dies ohnedies überfällig, erntet aber durchaus auch Kritik. Etwa von Landwirten, die ihr Getreide ohnedies bereits in Qualitätsmarken liefern oder selbst vermarkten.

Auch kommt es bei einzelnen Produktbeiträgen zu Anpassungen: So wird die Abgabe für Rohmilch von 3 auf 2,20 Euro/t und bei den Schlachtrindern von 3,70 auf 2,70 Euro/Stück gesenkt. Bei Schafen und Ziegen wird der Produktbeitrag auf null gestellt.

Ein Sonderfall hingegen ist der Schweinefleischbereich. Hier bleibt die bisherige Abgabenhöhe (0,75 Euro/Stück) gleich, der Flächenbeitrag kommt allerdings hinzu. Hier wird argumentiert, dass die Branche schon länger mehr Absatzmarketing gewünscht hatte und sich sogar offen für eine Erhöhung auf 1 Euro gezeigt haben soll. Das mögen sich die großen Schweineschlachter vielleicht gewünscht haben, viele Schweinebauern hingegen sind ob der neuen Mehrbelastung sauer. Dies zeigen die Anrufe in der BAUERNANWALT Redaktion ganz deutlich.

Auch für spezialisierte Mutterkuhhalter wird´s nicht lustig. Sie werden die finanzielle Mehrbelastung prozentuell gesehen wohl am stärksten spüren.

Viel Eigenlob der Agrarpolitik

Naturgemäß anders sieht das die Politik. Mit dem neuen Beitragssystem wären viele Maßnahmen möglich, u.a.

  • Einbindung des gesamten Getreidesektors in das Marketingsystem,
  • Stärkung von Almerzeugnissen,
  • Ausbau der Qualitäts- und Herkunftssicherung,
  • Ausbau des AMA-Gütesiegels (z. B. bei Brot und Backwaren).

Zudem wird die Vermittlung landwirtschafts- und lebensmittelrelevanter Aspekte als zusätzlicher Zweck der AMA Marketing nun gesetzlich verankert.

Fazit: Aus Gleichheitsgründen war eine Reform des Marketingbeitragssystems überfällig. Doch die Politik macht immer den selben Fehler: Politmarketing, sprich Ankündigung und Selbstlob, vor der gesetzlichen Beschlussfassung. Zwar bringt die Abgeordnetenmehrheit der Regierungsparteien die Gesetzesnovelle ohnedies locker durchs Parlament, doch die Bauern als Betroffene und Zahler hätten sich eine genaue Vorabinfo sicherlich verdient.

 

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