Agrarpolitik„Wachsen oder Weichen ist ein dümmliches Motto“

„Wachsen oder Weichen ist ein dümmliches Motto“

Ein Interview von Lena ADLHOCH und Roman GOLDBERGER, LANDWIRT Redakteure

LANDWIRT: Herr Brunner, wer wird deutscher Landwirtschaftsminister?

Wir haben bis dato noch keine Koalition. Der erste Versuch ist gescheitert, der zweite mit ungewissem Ausgang gestartet. Von daher wäre es höchst spekulativ, Namen ins Spiel zu bringen.

Aber Sie wünschen sich einen aus der CSU?

Es sollte zumindest einer aus der Union werden. CSU würde ich mir wünschen. Aber bei Koalitionen weiß man nie, welche Bereiche von den anderen Parteien beansprucht werden.

Hat sich der aktuelle Minister, Christian Schmidt, mit dem Alleingang in Sachen Glyphosat aus dem Rennen geschossen?

Zumindest habe ich den Eindruck, dass in der jetzt geschäftsführenden Bundesregierung der Unmut relativ groß ist. Und auch, dass die SPD als möglicher Koalitionspartner daraus Kapital schlagen möchte.

Hätte es für die Landwirte nicht fatale Folgen gehabt, den Wirkstoff von heute auf morgen zu verbieten?

Hätte man das Mittel von jetzt auf gleich aus dem Verkehr gezogen, hätte das mit Sicherheit manche Landwirte vor Probleme gestellt. Ich gehe aber davon aus, dass ein Glyphosatverbot in den nächsten Jahren kommen wird. Wir in Bayern wollen, dass Glyphosat sowieso nur noch sehr restriktiv eingesetzt wird. Das heißt, nur dort, wo es unbedingt notwendig ist. Und nicht mehr in Hausund Kleingärten sowie auf kommunalen Freiflächen. Vorerntebehandlungen sind für mich sowieso nicht verständlich.

Der Verzicht auf Glyphosat bedeutet für Landwirte in erster Linie Mehraufwand. Wird das diesmal entlohnt?

Wer höchste Qualität fordert, muss auch die Mehrkosten dafür zahlen und sollte dann auch nicht auf billige Importe aus anderen Ländern zurückgreifen, die keine so hohen Auflagen haben. Das müssen wir dem Bürger klarmachen. Die Landwirte leiden sehr unter dieser Scheinheiligkeit.

Wie wollen Sie das schaffen? Mit einem weiteren Siegel?

Zum Beispiel. Die Molkerei Berchtesgadener Land hat sich zum Beispiel entschieden, dass die Lieferanten kein Glyphosat mehr einsetzen dürfen. Das ist ein Marketingvorteil. Das kann man auch über die eine Molkerei hinaus ausdehnen.

Erwarten Sie ein nationales Verbot zu Glyphosat?

Das ist schwierig zu sagen. Die SPD hat aber erkennen lassen, dass ein nationales Glyphosatverbot eine ihrer Forderungen ist.

EU-Agrarkommissar Phil Hogan hat kürzlich seinen Entwurf zur Gemeinsamen Agrarpolitik nach 2020 vorgestellt. Glauben Sie, dass die Vorschläge bäuerliche Strukturen fördern und das Bauernsterben spürbar verlangsamen können?

In Bayern haben wir kleinere Betriebe und den deutschlandweit niedrigsten Strukturwandel. Die Betriebsgröße scheint also nicht vor einem Strukturwandel zu schützen. Umgekehrt. Kleine Betriebe mit Einkommensalternativen und weiteren wirtschaftlichen Standbeinen sind oft widerstandsfähiger.

Wie stehen Sie zu den Vorschlägen aus Brüssel?

Für mich ist das bisher ein Rohling. Es muss noch gefeilt und abgeschliffen werden. Grundsätzlich steht man zum Zwei-Säulen-Prinzip. Hogan hat auch angedeutet, die regionalen Besonderheiten künftig stärker zu berücksichtigen. Das sehe ich grundsätzlich positiv.

Besteht da nicht die Gefahr, dass innerhalb der EU Wettbewerbsverzerrungen entstehen?

Wenn Hogan, wie angedeutet, nur Ziele formuliert und den Nationalstaaten Spielräume lässt, wie man zu den Zielen kommt, ist das nicht ausgeschlossen.

Bedeutet das dann nicht noch mehr Bürokratie? Die Hogan eigentlich abbauen will?

Hogan will in der künftigen EU-Agrarpolitik weniger Auflagen und Aufzeichnungspflichten. In Deutschland haben wir aber den Hang zum Perfektionismus. Da besteht durchaus die Gefahr, dass wir am Ende noch mehr Bürokratie verursachen und das Gegenteil von dem erreichen, was wir wollten.

Eine Konsequenz der bisherigen GAP sind günstige Agrarprodukte. Statistiken zeigen, dass wir uns immer mehr den Weltmarktpreisen nähern. Ist das der richtige Weg?

Die EU hat sich absichtlich von Marktordnungen verabschiedet. Das heißt aber nicht, dass wir einen völlig freien Markt wollen. Wir haben ja auch bewusst die soziale Marktwirtschaft in Deutschland gewählt. Was in anderen Bereichen üblich ist, fordere ich auch für die Landwirtschaft ein. In der Krise 2008 hat man eine lukrative Kurzarbeiterregelung und eine Abwrackprämie für Autos eingeführt, um der Wirtschaft zu helfen. Man hat bewusst Nachfrage geschaffen, und die Maßnahmen haben gegriffen. Meiner Meinung nach haben wir da auch in der Agrarwirtschaft eine Verantwortung. Und zwar nicht nur national, sondern auch auf EU-Ebene. Ich kann nicht einfach mit den Schultern zucken, wenn ich die Schwankungsbreiten bei den Milchpreisen sehe.

„Ich gehe davon aus, dass ein Glyphosatverbot in den nächsten Jahren kommen wird.“

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