Familie W. aus Niederösterreich schreibt mir:
„An einem Frühlingstag steht um 8 Uhr morgens ein Beamter des Eichamtes Eisenstadt vor der Tür. Nach dem Betreten des Verkaufsraumes und einer kurzen Einweisung mit dem Hinweis, dass das Eichamt von sich aus beim Produzenten tätig wird und kontrolliert, also keine Reklamation bzw. kein Vergehen vorliegt, wird mit der Inspektion begonnen. Nach dem ersten Überblick der Fruchtsäfte und Nektare ist für den Spezia lis ten sofort klar, dass hier die speziell für Heißabfüllung entwickelten Fruchtsaftflaschen verwendet werden, und diese auch ordentlich und richtig gefüllt sind. Nun erkundigt er sich, wie sichergestellt wird, ob die Flasche voll ist bzw. die richtige Füllmenge drinnen ist, und wie das laufend protokolliert wird. Grundsätzlich werden bei uns die heißen Flaschen bis zum technisch möglichen obersten Rand befüllt. Das bedeutet, die Flasche ist voll bis etwa 7–10 mm unter dem Flaschenrand. Mehr wäre auch nicht möglich, da beim Weiterrücken der Flasche durch die Maschine diese Tropfen sofort wieder herausschwappen würden. Nach dem automatischen Verschließen wird jede Flasche nochmals besichtigt und dann manuell in die Großkisten abgelegt.
Nach weiterem Durchstöbern entdeckt er den Traubensaft. Von ca. 190 Flaschen Traubensaft in Rheinweinflachen wurden 20 Flaschen zerstörend beprobt, das heißt ausgeleert. Als Ergebnis wurde ein korrigierter Mittelwert von 0,99855 Liter (statt ein Liter) festgestellt.
Der Traubensaft wurde nicht von uns abgefüllt, sondern von einem top ausgestatteten und weithin bekannten Weinbaubetrieb, der mit Sicherheit die höchstmögliche Füllmenge einfüllt, zugekauft. Wir haben den Traubensaft im Tausch mit von uns abgefülltem Apfelsaft von einem Weinbauern erworben (bei heißabgefüllten Säften kann beim Auskühlen der Inhalt auf knapp unter einen Liter zurückgehen). Bei den gesamten Flaschen fehlten insgesamt 30 cm3, daher wurde die Palette mit ca. 170 Flaschen amtlich versiegelt und der Verkauf verboten.
Laut des Beamten des Eichamts wäre es richtig gewesen, auf die Etikette den Inhalt mit 0,985 Liter anzugeben. Hätte ich im Vorfeld gewusst, dass die zugekauften Flaschen nur mit 0,99855 Liter Mittelwert gefüllt sind, hätte ich?? Sofern das überhaupt erlaubt ist.“
Füllmengen-Angabe
Das genau ist der springende Punkt, weil in der „Fertigverpackungsverordnung“ einzelne Produkte sehr genau bezüglich der erlaubten Füllmengen beschrieben sind und andere nicht genannt werden. Dazu kommt noch die Ungewissheit, ob bei einer Flasche mit einer eingeprägten „1 Liter“-Kennzeichnung am Etikett eine davon abweichende Füllmenge ausgewiesen werden darf. Das könnte ja auch Täuschung des Konsumenten bedeuten. Eine rechtsverbindliche Antwort des Wirtschaftsministeriums, wie sie Familie W. einforderte, liegt dazu noch nicht vor. Also doch komplizierter als man meinen möchte.
Die konkrete Frage ist, darf eine 1 Liter-Flasche gefüllt mit Traubensaft mit 0,995 Liter ausgewiesen werden, ohne dadurch Probleme mit der Lebensmittelkontrollbehörde zu bekommen? Oder gibt es andere Möglichkeiten, das Problem rechtsverbindlich richtig zu lösen?
Herr DI Mittendorfer vom Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Lebensmittelkontrolle, dem ich diese Frage stellte, sagte mir dazu, dass für Traubensaft eine kleinere Füllmenge als 1.000 ml am Etikett ausgewiesen werden kann (muss). (Weitere Infos dazu: www.landwirt. com/direktvermarktung.)
Eichamt
Auf meine Frage an das Eichamt, warum hier der Traubensaft „zerstörend beprobt“ wurde, schrieb mir das Eichamt Eisenstadt kurz und bündig: „Betreffend Ihre Anfrage teilen wir mit, dass auf Grund des derzeitigen laufenden Verfahrens auf die Fragestellungen seitens des Eichamtes Eisenstadt nicht eingegangen werden kann.“
Große Verpackung, kleine Menge
Aus meiner Sicht führt diese Kompliziertheit bei den Füllmengenangaben, die sich aus der Überlappung von diversen Gesetzen und Verordnungen – Lebensmittelgesetz, Fertigverpackungsverordnung, Konsumentenschutzgesetz usw., sowie unterschiedlichen Kontrolleinrichtungen – Lebensmittelkontrolle, Eichamt usw. geben, zu Verunsicherungen bei bäuerlichen Direktvermarktern. Besonders betone ich das, weil es im Handel diesbezüglich scheinbar mehr Freiheiten gibt. Bei den großen Lebensmittelanbietern ist es heute üblich geworden die Verpa – ckungsgrößen gleich groß zu lassen, während die Inhaltsmengen immer kleiner werden, was eine klare, aber versteckte, Preiserhöhung bedeutet.
Gilt hier also wieder einmal: Nicht alles was die Großen dürfen, ist auch den Kleinen erlaubt?
Sie wollen uns ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:
hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151
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