Bauernsprecher Hans MeisterWie sozial ist der Sozialstaat?

Wie sozial ist der Sozialstaat?

Erschienen in: LANDWIRT AT 07/2016

Frau S. aus Österreich schreibt mir:

„Wir betreiben eine Landwirtschaft, in der ich als Frau alleinige Eigentümerin und Betriebsführerin bin. Mein Mann ist außerhalb der Landwirtschaft berufstätig und dort auch vollversichert. Im Vorjahr hatte er bei Baumfällarbeiten im Wald einen Unfall, infolgedessen ihm der Fuß amputiert werden musste.

Als mein Mann ist er zu Hause am Betrieb unfallversichert, und somit ist das Ganze ein landwirtschaftlicher Arbeitsunfall. Da laut Auskunft der Ärzte eine voraussichtliche Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindes tens 30 % zu erwarten ist, haben wir das kleine Versehrtengeld beantragt. Dieses wurde jedoch abgelehnt, mit der Begründung, dass er Anspruch auf Krankengeld hat und dieses auch bezieht.

Da er in seinem Beruf auch körperlich entsprechend stark beansprucht ist, gehen wir davon aus, dass er diese Tätigkeit nicht mehr voll sondern nur noch halbtags ausführen kann. Auf unsere Anfrage bei der SVB (Sozial-Versicherung der Bauern) ob er, wenn er beispielsweise im Juni wieder arbeiten geht, dann das kleine Versehrtengeld bekommt weil er ja dann nicht mehr so viel Einkommen hat, wurde uns mitgeteilt, dass dies nicht der Fall ist. Er kann erst ein Jahr nach dem Unfall die Betriebsrente beantragen. Ist dies richtig?

Des Weiteren gab uns die Sozialversicherung die Auskunft, dass betriebliche Umbaumaßnahmen im Stall oder bei Maschinen nur dann gefördert werden, wenn auch mein Mann am Betrieb angemeldet ist. Stimmt auch dies?“

Sozialrechtliche Situation

Das Gesetz unterscheidet zwischen hauptberuflich Tätigen und Mittätigen in der Landund Forstwirtschaft. Gemäß Bundessozialversicherungsgesetz gebührt bei Arbeitsunfällen von mittätigen Angehörigen kein Versehrtengeld (Betriebsrente), wenn der Verunfallte Krankengeld bezieht oder Anspruch auf Arbeitsverdienst hat. Ein aufgrund der Unfallfolgen allfällig erfolgendes Absinken des Arbeitsverdienstes, z.B. wegen Reduktion der Arbeitszeit, wurde vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt. Der Antrag auf Gewährung des Versehrtengeldes musste daher von der Sozialversicherung der Bauern mit Bescheid abgelehnt werden.

Die Betriebsrente fällt gemäß diesem Gesetz erst ein Jahr nach dem Tag an, der dem Eintritt des Versicherungsfalles (= Unfalltag) folgt.

Hinsichtlich möglicher Maßnahmen der beruflichen und sozialen Rehabilitation ist der weitere Heilungsverlauf abzuwarten.

Berufliche Maßnahmen im bäuerlichen Betrieb, wie zum Beispiel Adaptierungen von Maschinen, werden nur bei Betriebsführern oder hauptberuflich im Betrieb beschäftigten Angehörigen unterstützt. Bei in nichtlandwirtschaftlichen Hauptberufen beschäftigten Angehörigen könnten jedoch – von der Einzelfallsituation abhängig – bei entsprechender Notwendigkeit andere berufliche Rehabilitationsmaßnahmen möglich werden.

Soziale Maßnahmen der Rehabilitation – im Regelfall handelt es sich um Zuschüsse und (oder) zinsenfreie Darlehen zu notwendig werdenden Umbauten im Badund Sanitärbereich – können unabhängig vom Umfang der landwirtschaftlichen Tätigkeit geleistet werden.

Der wesentliche Unterschied ist: Bei hauptberuflich Tätigen in der Landund Forstwirtschaft werden betriebliche Umbaumaßnahmen gefördert und es gibt auch ein Versehrtengeld, bei nur Mittätigen in der Landwirtschaft nicht. Stattdessen gibt es in diesen Fällen geförderte Umschulungsmaßnahmen.

Das Sozialrecht unterscheidet sehr genau, kennt aber auch viele Feinheiten. Ich kann daher nur in jedem Einzelfall zu einer umfassenden Beratung raten.

Der Sozialstaat ist durchaus sozial, aber er hat auch seine Ecken und Kanten.

Sie wollen uns Ihre Meinung zum Thema sagen? Schreiben Sie uns:

hans.meister@landwirt-media.com, Tel.: 0316/821636-145, Fax: DW 151


Rechtliche Beratung: Dr. Paul Tschuffer, Leiter SVB Steiermark

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