AgrarpolitikWohin geht die GAP?

Wohin geht die GAP?

GAP
Weiter so bei der GAP oder Kehrtwende? Mit dem neuen EU-Parlament ist beides möglich.
Quelle: Buffler

Die Antworten aller Abgeordneten auf unsere Fragen haben wir für Sie zusammengefasst. Die Reihenfolge  in diesem Beitrag entspricht dem Eingangszeitpunkt der Antworten und spiegelt keine Wertung durch die Redaktion wider.

Stefan Köhler, CSU

Köhler
Stefan Köhler, Agraringenieur und Landwirt aus Aschaffenburg, sitzt seit 2024 für die CSU im EU-Parlament.
Quelle: Köhler

„Die aktuelle GAP ist kein Meilenstein“

Die Verschiebung der Machtverhältnisse im Europäischen Parlament wird voraussichtlich Lockerungen beim Green Deal bringen. Christophe Hansen, der designierte Agrarkommissar, soll dazu in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit eine Vision für die Zukunft der Landwirtschaft entwickeln.

Wir haben das Problem der Bürokratie erkannt und wollen die GAP in der neuen Förderperiode einfacher gestalten. Ob die Vorarbeiten dazu bis 2027 abgeschlossen werden können, bleibt abzuwarten. Ich rechne mit einer Verlängerung des aktuellen Systems. Fakt ist: Die aktuelle GAP war kein Meilenstein. Die europaweiten Proteste Anfang des Jahres waren Ausdruck für die Not und den Frust unserer Bäuerinnen und Bauern und zugleich Weckruf für uns. Zuletzt ist oft der Eindruck entstanden, dass die Bürger bevormundet wurden. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Lösungen nur gemeinsam mit denjenigen entwickeln können, welche die Vorgaben und Regeln letztendlich umsetzen sollen.

Wir müssen zudem den politischen Wille zeigen, die Landwirte bei den gesellschaftlich geforderten Anpassungen finanziell zu unterstützen. Im strategischen Dialog zur Landwirtschaft wurde deshalb auch ein extra Fonds gefordert. Woher die Mittel kommen sollen, wurde aber nicht gesagt. Da müssen wir noch nachbessern. Die Pläne, Agrargelder direkt an die Mitgliedsstaaten zu überweisen, wenn Ziele erreicht werden, lehne ich ab. Dies würde zu einer Renationalisierung der Agrarpolitik führen.

Ich fordere aber die gleichen Standards für Einfuhren aus Drittstaaten. Wird das nicht umgesetzt, bedrohen wir unsere heimische Landwirtschaft und gefährden unsere Lebensmittelversorgung. Aber auch innerhalb der EU müssen wir überall die gleichen Bedingungen durchsetzen, z.B. für Ökobetriebe. Damit wäre die einheitliche Basis geschaffen, faire Bedingungen besser kontrollieren und auch durchsetzen zu können. In Bezug auf die Ukraine könnte man über eine privilegierte Partnerschaft nachdenken.


Martin Häusling, Bündnis 90/Die Grünen

Martin Häusling, Landwirt aus Marburg, sitzt seit 2009 für Bündnis 90/Die Grünen im EU-Parlament.
Quelle: Häusling

„Es braucht eine einheitliche GAP ohne die vielen Ausnahmen“

 Das Kernproblem bei der aktuellen GAP sind die vielen Umsetzungsmöglichkeiten für die Mitgliedstaaten. Für jede Regelung, die wir aufgestellt haben, gibt es zehn Varianten. Wenn ich Klimaschutz will, kann ich nicht sagen: da will ich ihn nicht und da schon. Das muss ja zu viel Bürokratie führen. Ich verstehe, dass die Ämter bei der Umsetzung verzweifeln.

Andererseits muss man in Bezug auf die bürokratischen Schwierigkeiten auch sagen: Die reformierte GAP kam mit einer völlig neuen, komplizierten Struktur. Daran müssen sich die Behördenmitarbeiter und Landwirte auch erst einmal gewöhnen. In zwei Jahren ist das alles wahrscheinlich kein Thema mehr. Vieles wurde da im letzten Jahr sehr heiß gekocht.

Trotzdem sollte die nächste GAP radikal vereinfacht werden. Es braucht einen Rahmen mit klaren Grundbegriffen, die ohne Ausnahme für alle gleich gelten und die man auch umsetzen kann. Zum Beispiel: Bauern sollen auf ihren Betrieben 30 % weniger Klimagase produzieren oder 50 % weniger Pestizide einsetzen. Das betrifft dann einen Bauern aus Bayern vielleicht gar nicht, einen aus Niedersachsen aber schon. Natürlich brauchen wir dabei gewisse nationale Spielräume. Die müssen aber von der EU genehmigt werden, damit sie nicht zu weit auseinanderdriften. Schließlich kommt von dort auch das Geld.

Wenn wir künftig aufgrund von Protesten die Umweltregeln lockern und den Klimaschutz nicht mehr beachten, wird die Lage für die Landwirte langfristig nicht besser werden. Im Gegenteil: Die Bauern leiden am meisten unter dem Klimawandel und die Klimakrise geht ja noch schneller voran, als die schlimmsten Prognosen befürchtet haben. Insofern hoffe ich da auf Einsicht, dass wir jetzt nicht zurückgehen, sondern weitermachen. Oder sogar noch mal eine Nummer verschärfen.

Wie es mit der europäischen Agrarpolitik aber weitergeht, hängt jetzt erst einmal davon ab, wie der Haushalt aussieht. Das muss die EU-Kommission beantworten.


Christine Singer, Freie Wähler

Christine Singer, Hauswirtschaftsmeisterin und bayerische Landesbäuerin aus Weilheim, sitzt seit 2024 für die Freien Wähler im EU-Parlament.
Quelle: Singer

„Wir brauchen mehr Freiwilligkeit und weniger Bürokratie“

Die Ziele des Green Deals sind richtig und müssen von uns erreicht werden. Mit dem neuen Parlament werden aber die Stimmen lauter, die einen realistischeren und praxisnäheren Ansatz im Umgang damit fordern. Im Moment überfordern wir die Bäuerinnen und Bauern mit einer Flut von Regeln, anstatt einfache Anreize zu schaffen, die auf freiwilliger Basis – mit einer angemessenen Entschädigung – angenommen werden.

Dies wird im Strategischen Dialog aufgenommen und darin werde ich den neuen Agrarkommissar in der Umsetzung unterstützen. In Bezug auf die Bürokratie werden weitere Anpassungen in der laufenden GAP schwierig werden. Ich werde mich dafür einsetzen, dass die nächste Förderperiode weniger Formulare und mehr praxistaugliche Lösungen bringt. Wir brauchen dringend Vereinfachungen – gleichzeitig habe ich den Eindruck, dass in Deutschland die Verordnungen besonders genau umgesetzt werden.

Nach meinem ersten Gespräch mit dem designierten Agrarkommissar kann ich sagen: Er möchte beibehalten, was gut funktioniert und sich über die Jahre bewährt hat und reformieren, wo der Schuh drückt. In dieser Absicht sehe ich keinen grundsätzlichen Kurswechsel, aber den Willen, die Regeln flexibler und anwendungsfreundlicher zu gestalten.

Gleichzeitig sollte die EU Aufklärungsprogramme und Initiativen fördern, die Verbraucherinnen und Verbraucher auf den Wert regionaler, nachhaltig produzierter Lebensmittel aufmerksam machen. Mein Anliegen ist es auch, dass Landwirtinnen und Landwirte in Europa einheitlich Wettbewerbsbedingungen haben.

Wie wichtig die gleichen Prozessstandards auch für importierte Lebensmittel sind, hat die EU mittlerweile erkannt. Das halte ich mit Blick auf Mercusor für wichtig. Eine Umsetzung ist allerdings sehr schwierig und aufwendig für alle Seiten. Welche Schwierigkeiten das mit sich bringt, ist an der höchst bürokratischen Umsetzung der EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) zu sehen.


Arno Bausemer, AfD

Arno Bausemer aus Havelberg sitzt seit 2024 für die AfD im EU-Parlament. Er hat keinen Berufs- oder Studienabschluss, führt aber mittlerweile den Geflügelhof seiner Eltern.
Quelle: Bausemer

„Die aktuelle GAP entwickelt sich zum Sargnagel für die Europäische Landwirtschaft”

Die aktuelle GAP ist kein Meilenstein für Umwelt- und Tierschutz, sondern entwickelt sich zum Sargnagel für die Landwirtschaft. Auch die Klimaziele sind generell eindeutig zu ambitioniert und schaden der wirtschaftlichen Entwicklung in der Europäischen Union deutlich mehr, als sie dem Klima nützen könnten. Ich wehre mich seit Jahren gegen die Versiegelung von Ackerflächen zu Gunsten von Photovoltaik und Windrädern.

Das EU-Parlament hat heute mehr patriotische Kräfte als vorher. Es ist deshalb ein hartes Ringen im Parlament zu erwarten, wohin die Reise in der nächsten Förderperiode gehen wird. Das beste Mittel zur Förderung von Umwelt- und Tierschutz wäre die Stärkung lokaler Landwirtschaftsbetriebe, die vor Ort etwa ihre Tiere aufziehen, schlachten und vermarkten.

Allerdings zeigt die Wiederwahl Ursula von der Leyens zur Präsidentin der EU-Kommission, dass der Green Deal weiter vorangetrieben werden soll. Dadurch werden weniger Zuschüsse und mehr Bürokratie auf die Landwirte zukommen. Im Landwirtschaftsausschuss wurde bereits eine Stärkung der 2. Säule zu Lasten der Flächenförderung propagiert. Ich halte das für den falschen Weg. Landwirte brauchen Planungssicherheit und die Stärkung ihrer Rolle als Lebensmittelerzeuger.

In Bezug auf die Bürokratie kann ich nur sagen: Als Landwirt im Nebenerwerb ist mir der Abgabetermin zur
Beantragung der Flächenprämie am 15. Mai seit jeher ein rotes Tuch. Aus meiner Sicht muss man das Antragsverfahren soweit vereinfachen, dass jeder Landwirt seinen Antrag selbst stellen kann und dafür keinen Berater anstellen muss. Gerade für kleine Familienbetriebe mindern derartige Ausgaben den sowieso schon sehr schmalen Gewinn.

Die Kürzungen der Flächenprämie müssen auch deshalb wieder rückgängig gemacht werden und die Zahl der unterschiedlichen Fördertöpfe deutlich verringert werden. Und wir brauchen weniger Regeln, die dann aber auch für alle Mitgliedsländer zu gelten haben.


Maria Noichl, SPD

Maria Noichl, Fachlehrerin für Ernährung und Gestaltung aus Rosenheim, sitzt seit 2014 für die SPD im EU-Parlament.
Quelle: Noichl

„Leider kommt das Bürokratiemonster meist erst in der nationalen Umsetzung“

Der Green Deal wird mit den neuen Kräfteverhältnissen noch mehr unter Beschuss kommen. Jetzt rächt sich, dass die EU-Kommission eine Reihe von wichtigen Themen in der letzten Legislaturperiode nicht mehr angegangen ist.

Es ist auch schade, dass ein über Jahre hinweg ausgehandelter Kompromiss ohne den nötigen demokratischen Diskurs mit den kurzfristigen Änderungen verfälscht wurde. Das ging so schnell, dass handwerkliche Standards, wie eine Folgenabschätzung für die vorgeschlagenen Änderungen in der GAP, ignoriert wurden.

Wir, die SPD-Abgeordneten haben damals die GAP-Reform im Europäischen Parlament zwar abgelehnt, aber sie brachte eine Reihe an tiefgreifenden Änderungen mit sich. Die Strategiepläne sollten den Mitgliedstaaten ermöglichen, die Agrarpolitik besser an die nationalen Gegebenheiten anzupassen.

Bei der Umstellung der Verwaltung kam es dann leider meist auf nationaler Ebene zu den bekannten Bürokratiemonstern. Diese sind deshalb nur bedingt ein europäisches Problem. Für die künftige Agrarpolitik liegt mit dem strategischen Dialog ein breit getragenes Strategiepapier auf dem Tisch – ein Kompromiss, der von allen Beteiligten unterschrieben wurde. Mehr als bedauerlich finde ich es, dass der europäische Bauernverband, Copa Cogeca, aber bereits jetzt andeutet, daran nicht mehr gebunden zu sein.

Insgesamt fordern wir ohnehin schon lange ein Fördermodell für öffentliche Leistungen. Umwelt- und Klimaschutz sollten honoriert werden und zwar auf einer viel größeren Skala als aktuell mit den Öko-Regelungen. Die EU könnte auch mit einem reformierten Subventionssystem Tier-, Umwelt- und Klimaschutz Landwirte dahingehend stärker unterstützen, dass Verbraucher mehr Geld für regionale Produkte ausgeben.

Die Globalisierung im Agrarsektor wurde z. B. von den großen Bauernverbänden in Europa in den letzten Jahrzehnten verfolgt. Ich will die Ernährungssouveränität in allen Teilen der Welt weitestgehend sicherstellen.


Sebastian Everding, Partei Mensch Umwelt Tierschutz

Sebastian Everding, Informationstechnikermeister und Business Manager aus Dortmund, sitzt seit 2024 für die Partei Mensch Umwelt Tierschutz im EU-Parlament.
Quelle: Everding

„Mit den aktuellen Anpassungen der GAP wurden die eigentlichen Probleme nicht angegangen“

Durch die Kräfteverschiebung im EU-Parlament befürchten wir, dass Umwelt-, Tierschutz- und Sozialstandards gesenkt und Fake News oder Stimmungsmache zulasten von nachhaltig-ethischen Lösungsansätzen zunehmen werden. Der Green Deal wird in den kommenden Jahren aus ideologischen Gründen heraus vermutlich angegriffen und infolgedessen ausgehöhlt und verschleppt werden.

Dass die Änderungen bei der aktuellen GAP infolge der Agrar-Proteste vorgenommen wurden, ist kein Geheimnis. Allerdings wurden dabei nicht die eigentlichen Problemlagen angegangen, nämlich die Ungleichgewichte innerhalb der Branche zulasten kleinerer Betriebe und zugunsten von Agrar- und Handelskonzernen.

Die Proteste haben aber auch gezeigt, dass es viel Kommunikationsbedarf gibt. So muss Landwirten klargemacht werden, dass nicht Klima-, Arten-, Tier- und Verbraucherschutzmaßnahmen der Feind sind. Denn Landwirtschaft hat nur dann eine sinnvolle Zukunft, wenn es einen lebenswerten Planeten mit einer intakten Umwelt und einer gesunden Bevölkerung gibt. Wir müssen dringend gemeinsame Gesprächsformen finden, in denen wir die Bedürfnisse und notwendigen Ziele sowie politischen Maßnahmen austauschen und erarbeiten.

Wir setzen uns klar für EU-weit einheitliche Standards ein, die sich aber auf keinen Fall an unteren etablierten Niveaus ausrichten dürfen, sondern ambitioniert sein müssen. Uns stören auch massiv Im- und Exporte, die mit der Nichteinhaltung von sozialen, ökologischen oder ethischen Standards im Zusammenhang stehen.

Da die EU-Politik im Grundsatz den Freihandel stark befürwortet und hierbei die Unterminierung von Standards oft in Kauf nimmt, befürchten wir jedoch, dass wir mit unseren Forderungen nur selten durchdringen werden. Die Politik setzt auch zu wenig beim Handel an.

Die Marktmacht liegt bei den Handelskonzernen, die für die Preisgestaltung maßgeblich verantwortlich sind. Seitens der Behörden muss ein Paradigmenwechsel herbeigeführt werden, hin zu mehr Beratung. Landwirte müssen die öffentlichen Stellen als Hilfen wahrnehmen, die sie aktiv begleiten.


Norbert Lins, CDU

Norbert Lins, Ministerialbeamter aus Pfullendorf, sitzt seit 2014 für die CDU im EU-Parlament.
Quelle: Lins

„Mehr Pragmatismus für eine zukünftige GAP – Dialog statt Überregulierung“

Es braucht eine Balance zwischen Umweltzielen und Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft. Ich glaube, da wurde in der letzten Legislaturperiode zu einseitig auf ein Element geschaut. Durch die Kräfteverschiebung erwarte ich mehr Pragmatismus und weniger Realitätsferne.

Immerhin hat man erkannt, dass viele der Ziele, die in die GAP reinverhandelt wurden, letztlich in der Praxis nicht funktionierten und diese entsprechend angepasst. Bei der künftigen GAP würde ich auch nicht von einem Kurswechsel reden, sondern eher von einer machbaren Kursanpassung.

Unser Ziel sind Umwelt- und Tierschutz, jedoch ohne Überregulierung. Es gilt praktikable Maßnahmen zu schaffen und beizubehalten ohne Landwirte zu überfordern. Wir haben gute Beispiele aus verschiedenen Mitgliedstaaten und einigen Regionen Europas. Das sollte man sich nochmals näher anschauen und darauf aufbauen. Dazu gehört auch der Dialog mit der Landwirtschaft und die stärkere Förderung klimafreundlicher Technologien.

Dabei gilt für mich: Anreize statt Verbote. Die EU und die Mitgliedstaaten sollten zudem Maßnahmen zur besseren Verbraucheraufklärung und Nachhaltigkeit anstoßen. Wichtig dabei wäre, zu betonen: konventionell ist nicht gleichbedeutend mit schlecht und Bio gleichbedeutend mit besser.

Regionalität und Saisonalität sollten eine stärkere Rolle spielen. Ein Problem innerhalb der EU ist auch: Wenn manche Mitgliedstaaten bei gewissen Zielen vorpreschen, führt das vielleicht dazu, dass die Vorgaben auf lange Sicht irgendwann überall gelten. Es birgt aber auch immer die kurzfristige Gefahr von Wettbewerbsnachteilen für die Landwirte der dortigen Länder.

Eine Harmonisierung und gleichzeitige Anwendung der Standards in der EU ist deshalb notwendig. Es braucht dafür realistische Zeitpläne und finanzielle Unterstützung für Betriebe, die Anpassungen vornehmen müssen.

 

 

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