Bauernsprecher Hans MeisterKooperieren statt konkurrieren

Kooperieren statt konkurrieren

Russland und die Ukraine bringen zusammen etwa ein Drittel des weltweiten Weizenexportes auf die Waage. Beide Länder zählen zu den Kornkammern der Welt. Jetzt sind sie im Krieg gegeneinander. Wir wissen heute (15. März) nicht, wie das enden wird. Nur eines ist sicher, es wird auch uns viel abverlangen. Laut ukrainischem Landwirtschaftsministerium ernähren die Äcker der Ukraine mit ihren fruchtbaren Böden in normalen Zeiten rund 400 Millionen Menschen. Die Leistung der ukrainischen Landwirtschaft ist damit nicht nur für ihr Land, sondern auch weltweit von Bedeutung. Die Ukraine zählt zu den größten Weizenexporteuren der Welt und erwirtschaftet mit der Ertragsfähigkeit seines Bodens fast die Hälfte seiner gesamten Exportleistung und zehn Prozent seines Bruttoinlandproduktes (BIP). Von den 16 Millionen Gesamtbeschäftigten im Land arbeiten drei Millionen in der Landwirtschaft. Viele, vor allem auch arme Länder unseres Globus, sind von der Fruchtbarkeit der ukrainischen Erde abhängig. Aber derzeit weiß kein Landwirt in der Ukraine, ob und wie viel er von den von Panzern durchpflügten Feldern ernten wird können.

Größe allein ist noch kein Wert an sich.

Statt Konkurrenz ist in Zeiten von Krisen plötzlich mehr Zusammenarbeit gefragt. In der EU, im gesamten Westen. Aber vor Kooperationen haben viele Ängste und auch Vorurteile eventuell vom stärkeren Partner übervorteilt zu werden. Von der Natur kann man sich, wenn man will, dazu einiges abschauen. Eines von vielen Modellen ist die Zusammenarbeit zwischen Blattläusen und Ameisen. Obwohl die Ameisen, weil wesentlich größer und stärker, die Blattläuse jederzeit fressen könnten, gehen die Blattläuse mit ihnen eine Zusammenarbeit ein. Ein nicht unerhebliches Risiko. Die Blattläuse haben zwei große Probleme:
Sie sind ihren Feinden schutzlos ausgeliefert und sie produzieren zu viel Honigtau. Blattläuse sind Spezialisten im Knacken pflanzlicher Leitungsbahnen. Ihr Hauptinteresse gilt dabei nicht dem Zucker, sondern dem Stickstoff, der im Pflanzensaft aber nur in geringer Konzentration enthalten ist. Deshalb brauchen sie große Massen an Pflanzensaft. Als Nebenprodukt fallen dabei enorme Mengen von Zucker an, den sie als sogenannten „Honigtau“ ausscheiden. Diese Überproduktion müssen sie loswerden.
Auf der anderen Seite gibt es die großen, wehrhaften Ameisen, die versessen auf Zucker sind. Sie betätigen sich als Abnehmer des süßen Pflanzensaftes und vertreiben als Gegenleistung die Feinde der Blattläuse. So ist beiden geholfen. Eine Win-win-Situation für alle Beteiligten.

Wir lernen daraus: Wenn wir unsere Regionen und Höfe gegen schwierigere Zeiten widerstandsfähiger machen und sie von den globalen Abhängigkeiten entkoppeln wollen, müssen wir Risiko auf uns nehmen und nachhaltigen, regionalen Kooperationen den Vorzug geben, bei denen jede Seite ihre klaren Vorteile hat. Und wir müssen wissen: Größe allein ist noch kein Wert an sich – denn die großen Dinosaurier sind ausgestorben, während es den kleinen Blattläusen nach wie vor blendend geht.

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