Pro Jahr werden österreichweit rund 112 Kinder adoptiert. Laut Statistik ist die Anzahl der Adoptionen in den letzten 20 Jahren stark zurückgegangen. Die Erklärung dafür liegt in der gesellschaftlichen Entwicklung. Heute gibt es für leibliche Eltern, wenn sie Probleme mit der Pflege und Erziehung ihrer Kinder haben, mehr staatliche Unterstützungsprogramme, damit die Familie zusammenbleibt. Finanzielle Notlagen können großteils durch Sozialleistungen abgefedert werden, beispielsweise betragen die österreichischen Sozialleistungen rund ein Viertel des aktuellen Bruttoinlandsproduktes. Zudem übernehmen Väter mehr Verantwortung für ihre Kinder, wenn die Mütter dazu nicht in der Lage sind. Ob die Kinder ehelich oder unehelich sind, spielt kaum mehr eine Rolle. Und auch junge Mütter können heute trotz einer frühen Schwangerschaft eine Ausbildung weiterführen oder vollenden.
Staatliche Unterstützung für Familien
Kinderbetreuungseinrichtungen, Tagesmütter und Wohnheime ermöglichen Alleinerzieherinnen und Kindern ein gemeinsames Leben. Zudem lässt die Auswahl an zuverlässigen Verhütungsmitteln viele ungewollte Schwangerschaften nicht mehr entstehen. Wer auf natürlichem Weg kein Kind bekommen kann, hat noch die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung (In-vitroFertilisation). Auch die Zahl der Adoptivkinder aus Drittstaaten ist zurückgegangen. Seit Inkrafttreten des Haager Adoptionsabkommens wurde der illegale Kinderhandel eingedämmt und die Auslandsadoption auf der Basis von Kindeswohl und Grundrechten neu geregelt.
Rechte und Pflichten zwischen Adoptiveltern und Kindern
Wer ein Kind adoptiert, hat die gleichen Rechte und Pflichten wie leibliche Eltern. Bis zum 18. Lebensjahr ist das Kind zu pflegen, zu erziehen, sein Vermögen zu verwalten und es ist vor Behörden und Gerichte zu vertreten (Obsorgerechte). Die Unterhaltspflicht besteht bis zur Selbsterhaltungsfähigkeit, beispielsweise nach Vollendung einer Berufsausbildung oder eines Studiums. Umgekehrt bestehen zwischen Kind und Wahleltern die Beistandspflichten, die normalerweise den leiblichen Eltern gegenüber bestehen würden.
Adoptivkinder erben doppelt
Zwischen den leiblichen Eltern und ihrem Kind erlöschen alle Rechte und Pflichten mit Ausnahme von Unterhaltspflicht und Erbrecht: Adoptivkinder erben doppelt. Einerseits werden sie gesetzliche Erben ihrer Adoptiveltern und bleiben andererseits die gesetzlichen Erben ihrer leiblichen Eltern. Subsidiär zu den Adoptiveltern bleiben die leiblichen Eltern auch weiterhin für ihre leiblichen Kinder unterhaltspflichtig. Keine Rechtsbeziehung entsteht zwischen dem Adoptivkind und den übrigen Verwandten der Adoptiveltern, beispielsweise zu den Adoptivgroßeltern. Ein allfälliges Erbrecht kann hier zum Beispiel durch Testament begründet werden.
Minderjährige Kinder adoptieren
Adoptiveltern müssen gemäß § 193 ABGB mindestens 25 Jahre alt sein, um ein minderjähriges Kind adoptieren zu dürfen. Der Altersunterschied zwischen Wahleltern und Wahlkind muss mindestens 16 Jahre betragen. Die Adoption kommt durch den schriftlichen Vertrag zwischen Wahleltern und Wahlkind zustande. Eine gerichtliche Bewilligung durch das Bezirksgericht wird seit 1. Feb ruar 2013 nur mehr dann benötigt, wenn die leiblichen Eltern der Adoption nicht zustimmen. Das Pflegschaftsgericht hat dann auf Basis des Kindeswohls und einer dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechenden Beziehung, die bereits besteht oder hergestellt werden soll, eine Entscheidung zu treffen. Adoptierte Kinder erhalten den Familiennamen der Adoptiveltern, die auch einen neuen Vornamen bereits im Adoptionsvertrag festlegen können.
Offene, halboffene und Inkognito-Adoption
Gemäß § 88 Außerstreitgesetz kann die Adoption unter der Bedingung durchgeführt werden, dass die leiblichen Eltern keine Informationen über die Adoptiveltern erhalten und keine Besuchskontakte zwischen ihnen und ihrem Kind bestehen. Behördliche Schriftstü cke an die leiblichen Eltern ergehen dann ohne Angabe von Daten über die Wahleltern.
Adoption in Deutschland
2012 wurden rund 4.000 Kinder adoptiert. Gegenüber 1993 hat sich diese Zahl mehr als halbiert. Am häufigsten ist die Adoption durch Stiefeltern. Die Vermittlung von minderjährigen Kindern kommt den Jugendämtern zu. Adoptiveltern müssen mindestens 25 Jahre alt sein. Nach § 1767 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Erwachsenenadoption zulässig, wenn sie sittlich gerechtfertigt ist, beispielsweise wenn eine familiäre Beziehung in Form eines Eltern-Kind-Verhältnisses bereits besteht. Die Unterhaltspflichten bezogen auf die leiblichen Eltern bleiben bei der Erwachsenenadoption bestehen. Mit der Ausnahme der Erwachsenenadoption zum Minderjährigenrecht regelt § 1772 BGB die Adoption von Stiefkindern und ehemaligen Pflegekindern, die somit auch als Erwachsene wie Minderjährige adoptiert werden können.
Adoption in der Schweiz
Rund 400 Kinder werden jährlich adoptiert. Gemäß Zivilgesetzbuch (ZGB) und Schweizerischer Adoptionsverordnung muss der Altersunterschied zwischen Adoptiveltern und -kindern mindestens 16 und weniger als 45 Jahre betragen (ausgenommen es besteht bereits eine vertraute Beziehung). Adoptiveltern müssen entweder mindestens fünf Jahre miteinander verheiratet oder über 35 Jahre alt sein. Gemäß § 266 ZGB dürfen Erwachsene nur aus besonderen familiär begründeten Motiven, nicht jedoch aus wirtschaftsund erbrechtlichen Zwecken adoptiert werden. Die Erwachsenenadoption wird hier sehr restriktiv gehandhabt und hat praktisch kaum Bedeutung.
Erwachsenenadoption erfordert Beziehung
Eigenberechtigte Wahlkinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, können gemäß § 194 (1) ABGB unter der Voraussetzung adoptiert werden, dass ein enges Eltern-Kind-Verhältnis, wie es dem zwischen leiblichen Eltern und Kindern ent spricht, vorliegt. Insbesondere sollen Wahlkinder und Wahleltern vor der Adoption miteinander mindestens fünf Jahre in häuslicher Gemeinschaft gelebt oder einander in einer vergleichbar engen Gemeinschaft Beistand geleistet haben. Wenn das erwachsene Adoptiv kind verheiratet ist, muss auch dessen Ehegatte/Ehegattin der Adoption zustimmen.
Adoption aus wirtschaftliche Interessen
Im Zuge der Reform des Adoptionsund Fremdenrechtes wurde die Erwachsenenadoption 2004 aufgrund gerechtfertigter Anliegen und Interessen, wie beispielsweise aus wirtschaftlichen Gründen der Betriebsnachfolge, in Österreich abgeschafft. Zudem wird erwachsenen Adoptivkindern durch die Adoption keine Staatsbürgerschaft verliehen.
Mag. Sandra Thaler ist Juristin und eingetragene Mediatorin aus Hörsching www.mediation-ooe.com
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