ForstMehr Abgang als Zuwachs: Wald keine Kohlenstoffsenke mehr

Mehr Abgang als Zuwachs: Wald keine Kohlenstoffsenke mehr

Die deutschen Wälder leiden vermehrt unter Stürmen, Dürren und Käferbefall
Quelle: Kautz/FVA

Hintergrund:

Wieviel Wald haben wir in Deutschland? Wie stark wachsen die Bäume? Wie nutzen wir den Wald? Die Bundeswaldinventur soll Antworten auf diese Fragen liefern. Sie erfasst alle zehn Jahre die großräumigen Waldverhältnisse und forstlichen Produktionsmöglichkeiten auf Basis von Stichproben. Dazu haben im Jahr 2022 etwa 100 Inventurteams rund 521.000 Bäume an fast 80.000 Standorten vermessen. Insgesamt erfassten sie jeweils 150 Merkmale, wie Baumarten, Baumdurchmesser, Baumhöhe, Geländebeschaffenheit, Totholzanteil oder Landnutzung. Daraus leitete die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. den Zustand des Waldes und seine Veränderung seit der letzten Bundeswaldinventur im Jahr 2012 ab.

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick

zur Broschüre des BMEL

Die Waldfläche hat zugenommen

Ein Drittel der Gesamtfläche Deutschlands ist bewaldet – das sind 11,5 Millionen Hektar. Seit der letzten Bundeswaldinventur im Jahr 2012 hat die Waldfläche geringfügig um 15.000 Hektar zugenommen. Fast die Hälfte des deutschen Waldes ist in privater Hand. 29 % des Waldes gehören den Ländern, 20 % sind Eigentum von Körperschaften, 3 % gehören dem Bund.

Die Waldfläche hat in den letzten 10 Jahren zugenommen.
Quelle: BMEL

Gleichzeitig hat die Strukturvielfalt der Wälder in Deutschland weiter zugenommen. So findet sich auf 79 % der Fläche Mischwälder. 77 % der Wälder sind zwei- oder mehrschichtig aufgebaut. Die Fläche der Laubbäume hat im Vergleich zu 2012 um 7 % zugenommen. Dies ist vor allem auf den aktiven Waldumbau für eine bessere Klimaanpassung der Wälder zurückzuführen.

Die häufigste Baumart im deutschen Wald ist die Kiefer (22 % ). Auf Platz zwei folgt die Fichte mit 21 %. Deren Fläche hat seit 2012 aber um 17 Prozent abgenommen. Dies ist auf die Folgen der großen Dürre 2018 – 2021 zurückzuführen. Die Buche macht 17 % des Waldes aus, die Eiche 12 %. Die restlichen 28 % verteilt sich auf weitere 47 Baumarten und Baumartengruppen.

 

Die Bäume im Wald sind durchschnittlich älter und dicker als bei der letzten Inventur. Das Durchschnittsalter hat sich seit 2012 um 5 Jahre auf 82 Jahre erhöht. Der junge Wald entsteht zu 91 Prozent aus Naturverjüngung. Er ist daher deutlich naturnäher als die Baumartenzusammensetzung im Hauptbestand. Der Anteil der sehr naturnahen und naturnahen Baumarten-Zusammensetzung beträgt im jungen Wald rund 50 Prozent .

Viel Totholz durch Kalamitäten

Rund 29,4  Totholz liegt je Hektar im Wald – auf der gesamten Fläche sind das 323 Millionen . Das sind ein Drittel mehr als vor zehn Jahren, hauptsächlich verursacht durch die starken Kalamitäten der letzten Jahre. Insbesondere das stehende Totholz hat stark zugenommen. Heute strebt die nachhaltige Waldbewirtschaftung einen angemessenen Totholzanteil zum Schutz der biologischen Vielfalt aktiv an.

Kalamitäten – wie Sturmschäden oder Käferbefall – wurden auf 2 Millionen Hektar oder 19 Prozent des Holzbodens beobachtet. Auf diesen Flächen sind 49 Prozent aller aus dem lebenden Bestand ausgeschiedenen Bäume angefallen, das waren 44,8 Millionen .

Der Totholzanteil in den Wäldern nahm zu. Vor allem auch wegen der großen Kalamitäten die letzten Jahre.
Quelle: BMEL

Holzvorrat konstant zu 2012

Der Wald in Deutschland hat einen Holzvorrat von 3,7 Milliarden  oder 335 je Hektar. Im Vergleich mit der Kohlenstoffinventur 2017 ist der Vorrat um 220,0 Millionen  oder 18,2 Prozent zurückgegangen und erreicht etwa das Niveau der BWI 2012. Die Dürrjahre seit 2018 und die anhaltende Borkenkäferkalamität hat einen massiven Vorratsverlust der Fichte verursacht. Im Vergleich zur BWI 2012 hat sie 16 Prozent ihres Vorrats eingebüßt.

In Deutschland wurden durchschnittlich 72,6 Millionen  Rohholz (Erntefestmeter ohne Rinde) je Jahr genutzt. Das ist etwas weniger als im Zeitraum 2002 bis 2012.

Nach einem Anstieg bis 2017 sank der Holzvorrat inzwischen wieder ab.
Quelle: BMEL

 

Keine Kohlenstoffsenke mehr

Der Wald ist ein wichtiger Kohlenstoffspeicher in Deutschland. 1.184 Millionen Tonnen Kohlenstoff (108 Tonnen Kohlenstoff je Hektar) sind derzeit in den lebenden Bäumen gebunden. Im Totholz sind weiter 46,1 Millionen Tonnen Kohlenstoff gebunden. Seit der Kohlenstoffinventur 2017 hat der Kohlenstoffvorrat im Wald um 41,5 Millionen Tonnen (-3 Prozent) abgenommen. Damit hat der Wald zwischen 2017 und 2022 mehr Kohlenstoff freigesetzt als gespeichert.

Der deutsche Wald ist aktuell keine Kohlenstoffsenke mehr.
Quelle: BMEL

Der Rückgang des Kohlenstoffvorrats in lebenden Bäumen ist v. a. auf den hohen Vorratsverlust durch Kalamitäten, insbesondere der Folgen der großen Dürre 2018 – 2021 sowie auf den verminderten Zuwachs, bedingt durch den Klimawandel zurückzuführen.

Für die Klimawirksamkeit des Waldes ist neben dem Waldspeicher aber auch die Holzverwendung wichtig. Durch Produkte aus heimischem Holz werden aktuell ca. 5 Millionen Tonnen mehr Kohlendioxid pro Jahr gespeichert als noch 2012.

Sie wollen mehr Details zum Waldzustandsbericht? Alle Zahlen stellt das Thünen-Institut online zur Verfügung.

Stimmen aus der Politik zu den Ergebnissen

Bundesforstminister Cem Özdemir

Die Bundeswaldinventur bestätigt, dass die bisherigen Anstrengungen für einen klimaangepassten Wald richtig sind, wir aber noch viel Arbeit vor uns haben. Dennoch ist der Wald zur Kohlenstoff-Quelle geworden. Es braucht Geduld und Ausdauer, um dies durch den Umbau der Wälder wieder umzukehren. Wir müssen schützen, was wir nutzen. Ein starker Wald heißt Klimaschutz für uns – da müssen wir hin. An der Notwendigkeit kann kein Zweifel bestehen. Der Wald ist auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, der hunderttausende Arbeitsplätze sichert – das sollte niemand leichtfertig aufs Spiel setzen. Unser Vorschlag für ein neues Bundeswaldgesetz unterstützt die Besitzer dabei, ihre Wälder zügig und effektiv umzubauen. Die Herausforderungen sind groß, doch mit vereinten Kräften können wir unsere Wälder für künftige Generationen bewahren und ihre zentrale Rolle für Biodiversität, Klimaschutz, Erholung und nachhaltige Holznutzung sichern. Mein herzlicher Dank gilt den vielen Beteiligten, die die Bundeswaldinventur vorbereitet, durchgeführt, abertausende Daten analysiert und die Ergebnisse sichtbar gemacht haben”

Michaela Kaniber, bayerische Forstministerin

“Die Ergebnisse sind eine eindrucksvolle Bestätigung für unseren bayerischen Weg in der Waldpolitik. Sie zeigen, wie erfolgreich und konsequent in Bayern seit vielen Jahren der Aufbau stabiler, zukunftsfähiger Wälder vorangetrieben wird. Zu verdanken ist der Erfolg dem großen und leidenschaftlichen Engagement der Waldbesitzer, der engen Zusammenarbeit mit der Forstverwaltung und dem klaren eigentumsorientierten Weg der bayerischen Waldpolitik. Wir können unsere Wälder und ihre lebenswichtigen Leistungen für uns Menschen nur dann sichern und für kommende Generationen erhalten, wenn wir sie auf Dauer aktiv pflegen und bewirtschaften. Dabei unterstützen wir in Bayern nach Kräften unsere Waldbesitzer, anstatt sie durch immer neue Vorgaben zu gängeln und zu bevormunden”, betonte die Forstministerin.

Besonders erfreulich ist laut Kaniber, dass in Bayerns Wäldern immer mehr Laubbäume stehen: ihr Anteil hat um fast drei Prozentpunkte auf gut 38 Prozent zugenommen. In den jüngeren Waldbeständen liegt er inzwischen sogar bei rund 60 Prozent. “Diese Entwicklung zeigt, dass in Bayern der Waldumbau längst auf Hochtouren läuft. Allein in den vergangenen zehn Jahren haben Bayerns Waldbesitzer und Förster unter großem finanziellem Aufwand rund 150 000 Hektar klimafeste, zukunftsfähige Mischwälder aufgebaut”, unterstrich Kaniber. Während der Freistaat sie dabei maximal unterstütze, fahre der Bund nach langer Hängepartie seine Hilfen deutlich zurück. “Nur noch 90 statt 125 Millionen Euro – ein fatales Signal für die Zukunft der Wälder”, ergänzte die Ministerin.

Sorgen bereitet ihr, dass die bayerischen Wälder immer holzreicher werden: “Zu hohe Holzvorräte machen unsere Wälder instabiler und anfälliger für Stürme, Trockenheit und Insektenbefall.” Seit der letzten Inventur 2012 ist der Holzvorrat in den bayerischen Wäldern auf durchschnittlich 405 Kubikmeter pro Hektar angestiegen. In Bayerns Wäldern stehen damit aktuell mehr als eine Milliarde Kubikmeter Holz. Ministerin Kaniber: “Bei uns im Freistaat besteht wahrlich kein Mangel an Holz. Deshalb müssen wir nicht weniger, sondern mehr Holz nutzen als bisher. Dem Klimaschutz kommt das gleich mehrfach zugute: Die Wälder werden stabiler, der Waldumbau wird beschleunigt und die Holzverwendung sowie die damit einhergehende langfristige Kohlenstoff-Speicherung werden gestärkt.” Allen Bestrebungen, Forstwirtschaft zu beschränken und die Wälder sich selbst zu überlassen, erteilte die Ministerin erneut eine klare Absage: “Großflächige Stilllegungen bremsen den Aufbau zukunftsfähiger Wälder aus und sind ein Bärendienst für Walderhalt, Klimaschutz und Wirtschaftskraft.”

Peter Hauk, baden-württembergischer Forstminister

„Die Ergebnisse der 4. Bundeswaldinventur sind eine wichtige Grundlage, um die nachhaltige Forstwirtschaft weiter zu entwickeln und um die notwendigen politischen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Die Bilanz zeigt, dass der Klimawandel zunehmend seine Spuren hinterlässt. Aber auch, dass wir in Baden-Württemberg, insbesondere mit der bei uns praktizierten nachhaltigen Waldwirtschaft, auf einem guten Weg sind und die richtigen Maßnahmen angepackt haben. Wir machen den Wald widerstandsfähiger und erhöhen seine Biodiversität. Der Waldumbau schreitet voran. Auf 88 Prozent der Landesfläche finden wir heute Mischwälder, ein Anstieg um 20 Prozent in den letzten 35 Jahren. Klimalabile Fichtenwälder haben im selben Zeitraum um rund 12 Prozent abgenommen, damit auch das Risiko. Diese Erfolge sind nicht nur das Ergebnis langfristigen Engagements unserer Waldbesitzerinnen, Waldbesitzer und Forstleute, sondern auch eines liberalen Landeswaldgesetzes, das den Bewirtschaftern Freiheiten lässt, ihnen Angebote macht, sie unterstützt und motiviert,“ sagte der Minister.

„Wälder sind langlebige Ökosysteme, die sich in sehr langen Zeiträumen langsam entwickeln. Der rasch verlaufende Klimawandel überfordert diese natürliche Anpassungsfähigkeit. Daher unterstützen die Waldbewirtschafter und passen die Wälder an. Der Umbau labiler Fichtenwälder in den letzten 35 Jahren im Umfang von rund 160.000 Hektar ist eine enorme Leistung. Dies entspricht einem jährlichen Waldumbau von rund 4.500 Hektar oder mehr als 6.000 Fußballfeldern. Wir brauchen jedoch auch weiterhin einen langen Atem und müssen die Waldbesitzer und Forstleute langfristig unterstützen,“ stellt  Hauk fest.

Für Forstminister Peter Hauk ist aber auch klar: „Der regionale und nachwachsende Rohstoff Holz ist ausreichend verfügbar. Mit der Ernte von Bäumen, pflegen wir den Wald und stabilisieren ihn, erhöhen seine Mischung und senken das Risiko. Vom Holzvorrat von insgesamt 495 Millionen Kubikmeter hat die Fichte heute einen Anteil von 185 Millionen Kubikmetern. In der Holzverwendung müssen wir uns jedoch auf künftige Veränderungen bei den verfügbaren Sortimenten einstellen. Diese Weiterentwicklung unterstützen wir, in dem wir die Bioökonomie stärken und innovativen Holzverwendungsmöglichkeiten am Technikum Laubholz zur Marktreife führen.“

Wälder sind unsere wichtigsten terrestrischen Kohlenstoffspeicher. Trotz der enormen Waldschäden der letzten Jahre konnte in Baden-Württemberg der gebundene Kohlenstoff in der lebenden Biomasse in etwa gehalten werden. „Mit 373 Festmetern Holzvorrat pro Hektar haben die Wälder im Land im bundesweiten Vergleich die zweithöchsten Vorräte. Auch europaweit sind dies Spitzenwerte. Trotzdem lässt die Kohlenstoffsenkenleistung der Wälder nach. Der Zuwachs an Biomasse ist um rund 12 Prozent gegenüber der letzten Inventurperiode (2002 bis 2012) zurückgegangen. Daher ist es umso wichtiger, dass wir auch außerhalb des Waldes Kohlenstoffspeicher aufbauen, in dem wir mit Holz bauen und es in der Bioökonomie verwenden“, betont Hauk. Zudem sei die Bindung von Kohlendioxid je Hektar in jungen, heranwachsenden Wäldern viel höher, als in älteren Beständen, so dass der junge Wald stark als Kohlenstoffsenke wirke. „Es ist ein Trugschluss ausschließlich älteren Wäldern ein Senkenpotential zuzuschreiben, in dem man sie weniger nutzt und Vorräte aufbaut, denn damit potenziert sich leider auch ihr Ausfallrisiko“, betont Minister Hauk.

Die Waldschäden der letzten Jahre spiegeln sich auch in den Ergebnissen der Bundeswaldinventur für Baden-Württemberg wider. Trotzdem haben die Fortschritte beim Waldumbau das Land bisher vor größeren Schäden bewahrt. „Dank des sehr hohen Anteils von rund 76 Prozent zwei- und mehrschichtiger Wälder haben die Waldschäden nur auf einem Prozent der Waldfläche zu flächigen Nutzungen geführt“, sagte Minister Hauk. Im bundesweiten Vergleich sei dies ein sehr niedriger Wert. Die meisten Schäden konnten durch selektive Nutzungen aufgefangen werden.

Die Baumverjüngung besteht mittlerweile zu rund 72 Prozent aus meist klimaanpassungsfähigeren Laubbäumen. Die heimischen Eichenwälder sind auf einen Anteil von rund neun Prozent und des trockenheitstoleranten Nadelbaums Douglasie auf vier Prozent gestiegen. Auch der Anteil der selteneren Hainbuchen und Ahornarten ist gestiegen. Für die Klimaanpassung der Wälder sind das positive Ergebnisse. „Viele klimaanpassungsfähige Baumarten, wie die Eichen, sind unter den heutigen Verhältnissen konkurrenzschwächer als der häufigste Laubbaum, der Buche.

Daher sind diese Erfolge nicht mit Flächenstilllegungen zu erreichen, sondern nur mit einer zielführenden aktiven Waldpflege“, betont Minister Hauk.

„Diese positiven Entwicklungen sind das Ergebnis und der Erfolg von mehr als 30 Jahren naturnaher Waldwirtschaft und der Umsetzung der Waldnaturschutzkonzepte in Baden-Württemberg. Der Klimawandel verändert die Rahmenbedingungen und damit die Lebensräume. Daher brauchen wir mehr denn dynamische und flexible Artenmanagement-Maßnahmen im Rahmen der nachhaltigen Waldwirtschaft, statt statischer Schutzgebiete, die Wanderbewegungen über Biotopvernetzungen ermöglichen“, stellt Minister Hauk fest.

 

 

 

 

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