Von Lena ADLHOCH, LANDWIRT Redakteurin
Ein paar Weißwürste mit süßem Senf, dazu eine Maß gebraut nach dem Reinheitsgebot und eine resche Brez’n. Geht es nach den Bayern, müssen auch bayerische Spezialitäten sein, wie sie selbst: deftig, mit gutem Geschmack und von hier. Vor allem Letzteres gefährdet nun das Freihandelsabkommen mit den USA (TTIP). Regionale Erzeugnisse, wie Brez’n aus Bayern, aber auch Bratwürste aus Thüringen und Dresdner Stollen könnten fortan in den USA produziert werden. Ganz genau weiß das aber keiner oder will es zumindest nicht sagen.
Landwirtschaftsminister Christian Schmidt persönlich erklärte in einem Interview mit dem „Spiegel“, dass man eben nicht mehr jeden Käse und jede Wurst mit einer Herkunftsbezeichnung schützen könne, wenn man mit dem riesigen amerikanischen Markt Geschäfte machen möchte.
Eine schlechtere TTIP-Werbung hätte der Minister nicht machen können. Nichts ruft im Gammelund Mogelfleisch gebeutelten GenussDeutschland mehr Gegner auf den Plan, als die Furcht, die regionalen Gaumenfreuden würden vom Speiseplan gestrichen werden, weil sie made in Kentucky sind und niemand recht weiß, wie und woraus sie hergestellt wurden.
Klar sind für eine Industrienation wie Deutschland Wirtschaftsbeziehungen essenziell. Wird an der US-Grenze nicht mehr kassiert, brausen künftig weit mehr deutsche Autos über amerikanische Highways. Insgesamt soll das Bündnis laut EU 119 Mrd. Euro in die Kassen europäischer Unternehmen spülen. Gut für die Konjunktur, und über viele Ecken natürlich auch gut für jeden im Land. Im Gegensatz zu BMW, VW und Co., die rund 650 Mio. an Exportzöllen sparen werden, gehören Landwirte zur Fraktion der Weniger-Am-TTIP-Verdiener. Sind die Grenzen erst einmal offen, ist auch der Weg frei für zollfreie amerikanische Agrar-Importe. Zumindest für das Chlor-Hühnchen soll es eine Ausnahmeregelung geben. Inzwischen hätten nämlich die TTIP-Verhandler auf US-Seite verstanden, dass man dem deutschen Verbraucher kein Chlor-Hühnchen vorsetzen könne, erklärte der Minister kürzlich. Und auch was gentechnische Produkte angeht, zeigte die US-Seite Ansätze von Verständnis für die spießige genfreie EU-Ansicht.
Wie es sich für einen waschechten Staatsmann gehört, schickte Schmidt seinen Sprecher vor, um die Wogen in dem politischen TTIP-Sturm zu glätten: Lediglich eine Entbürokratisierung wäre Ziel des Ministers. Ah ja, klar. Da gibt allein Bayern 3 Mio. Euro im Jahr aus, um regionale Spezialitäten zu fördern, damit sie Schmidt den Amerikanern zum Fraß vorwerfen kann, um dann zu erklären, dass das ja eh gut sei, weil es viel weniger Bürokratie bedeute.
Was bleibt nun den Landwirten? Entweder der Bauernstand geht gemeinsam auf die Barrikaden und verlässt sich nicht nur auf die schwindende Macht des Bauernberuhigungsverbandes. Oder aber wir verlassen uns darauf, dass die TTIP-Hysterie nur Käse ist und Nestlé und Coca Cola unsere kulinarischen Genüsse ziemlich Wurst sind. Denn solange sich mit Hessischem Handkäse und Apfelwein keine Millionen verdienen lassen, rühren die sowieso keinen Finger.
Kommentare