Eine Analyse von Gerhard POSCHACHER
Jahrhundertelang waren die Bauern Untertanen der Großgrundbesitzer und Feudalherren und hatten oft unter deren Willkür zu leiden. Kaiser Josef II. befreite sie von der Leibeigenschaft, sie wurden aber nicht vom Zehent und Robot entlastet. Das heißt, sie hatten weiterhin einen Anteil ihrer Produktion an Kirche oder Grundherren abzuliefern und mussten für selbige auch Arbeitsleistungen erbringen. Aufstände wurden niedergeschlagen, armselige Lebensverhältnisse verschlimmerten die soziale Situation auf dem Lande. Am 26. Juli 1848, vor 170 Jahren, erlebten hunderttausende kleine Bauern in der Monarchie ihre Sternstunde. Der jüngste Abgeordnete im Reichstag, der 25-jährige Student und Bauernsohn Hans Kudlich, geboren in Lobenstein bei Jägerndorf (heute Tschechien), stellte den Antrag, die Bauern vom Untertänigkeitsverband zu befreien. Insgesamt wurden 73 Zusatzformulierungen im Reichstag, der damals in der Spanischen Hofreitschule in Wien tagte, gestellt. Historisch richtig ist allerdings, dass die endgültige vom Reichstag angenommene Formulierung vom Salzburger Abgeordneten Josef von Lasser stammt. Im September 1848 bekräftigte Kaiser Ferdinand den Beschluss, und einige Tage später bedankten sich 60.000 Menschen aus allen Teilen der Monarchie mit einem Aufmarsch in Wien für den erfolgreichen Kampf, mit dem den bäuerlichen Familien ein Leben in Freiheit und Würde ermöglicht wurde. Mit seinem Aufruf zur Bauernbefreiung „Seid einig, hütet euch vor Zersplitterung und reicht euch die starken Hände von Haus zu Haus, von Land zu Land und schließt einen Bund“, schuf Hans Kudlich auch die Gründungsidee für die im österreichischen Teil der Monarchie zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Bauernbünde. Die ersten diesbezüglichen Organisationen wurden mit kräftiger Unterstützung der Christlichsozialen Partei 1904 in Tirol (eine Gedenktafel in Sterzing erinnert daran), 1906 in Salzburg und Niederösterreich gegründet.
Kommentare