LANDWIRT bio: Was ist die Verbrauchermarke „Du bist hier der Chef“?
Nicolas Barthelmé: Stellen Sie sich vor, ein Kunde steht vor dem Milchregal und stellt sich vier Fragen: Wo kommt die Milch her? Wie wurde sie produziert? Wo geht mein Geld dafür hin? Und welches System unterstütze ich mit diesem Kauf? Ich kenne kein Produkt, das auf alle vier Fragen zufriedenstellende Antworten gibt. Die Transparenz ist nicht vorhanden. Wir als Verbraucher wollen die Kontrolle über unsere Ernährung zurück. Wir kreieren unser eigenes Produkt, für das wir einen fairen Preis zahlen.
Wie geht das konkret?
In Frankreich gibt es die Verbrauchermarke schon seit einigen Jahren. In Deutschland haben wir erst vor sechs Monaten mit der Milch begonnen. Zuvor konnten die Konsumenten online abstimmen, welche Milch sie zu welchem Preis wollen. Dabei startete die Umfrage mit einem Basis-Verkaufspreis von 73 Cent pro Liter Milch. Mit jedem zusätzlichen Kriterium wurde der empfohlene Verkaufspreis angehoben. Fast 10.000 Menschen haben abgestimmt, das Ergebnis war eindeutig.
Klären Sie uns auf.
Die gewählten Kriterien waren unter anderem Bio, mindestens vier Monate Weidehaltung und überwiegende Frischgrasfütterung, faire Vergütung für Landwirte und ausgezeichnetes Tierwohl. Pro Kuh müssen mindestens 1.000 m² Weidefläche und 1.000 m² Grünfläche für die Fütterung zur Verfügung stehen. Zudem wollten die Verbraucher, dass Futtermittel regional zugekauft werden, falls sie nicht zur Gänze am eigenen Betrieb hergestellt werden. Am Ende ergaben die Wünsche der Verbraucher einen empfohlenen Verkaufspreis von 1,45 Euro pro Liter Bio-Milch. Die Landwirte bekommen 58 Cent plus Mehrwertsteuer.
Das heißt, diese Milch kostet im Handel 1,45 Euro pro Liter?
Genau. Da es ein empfohlener Milchpreis ist, kann der Handel theoretisch auch weniger verlangen. Bislang macht er das aber nicht. Fix ist jedenfalls, dass die Landwirte 58 Cent pro Liter Milch bekommen, damit sie die zusätzlichen Leistungen erfüllen. Das Problem am Milchsegment ist, dass das Hauptkriterium meist der Preis ist. Die Rechnung zahlt das schwächste Glied der Lieferkette – und das sind die Landwirte, die Tiere und die Natur.
Mit welchen Bauern haben Sie dieses Projekt gestartet?
Die Erzeugergemeinschaft Hessen war von Anfang an offen für unsere Idee. Das Credo war, dass die Landwirte die gewünschten Kriterien erfüllen können, wenn sie dafür entsprechend bezahlt werden. Mit unserer Verbrauchermarke konnten wir das umsetzen. Die Upländer Bauernmolkerei hat daraufhin 15 Betriebe ausgewählt, die unsere Kriterien umsetzen wollten, und produziert seither die Chef-Milch.
Wo kann man diese Milch kaufen?
Unser größter Abnehmer ist Rewe, daneben haben wir noch eine Handvoll weiterer Lebensmittelketten, die unsere Milch anbieten. Wie Sie sich bei 15 Betrieben vorstellen können, ist das bisher ein regionales Projekt, das sich auf das Rhein-Main-Gebiet beschränkt. Im ersten Halbjahr konnten wir etwas mehr als eine halbe Million Liter verkaufen. Es war unser Ziel, das Projekt regional zu starten und nach und nach zu erweitern. Wir müssen uns erst organisieren, unsere Erfahrungen machen und daraus lernen. Das ist leichter möglich, wenn das Ausmaß des Projekts überschaubar ist.
Die Bio-Milchsegmente in den Supermärkten sind vielfältig. Kann sich der Verbraucher daraus nicht ohnehin schon aussuchen, was er will?
Nein, weil er nicht die nötigen Informationen dazu hat. Es gibt EU-Bio-, es gibt Demeter-, Bioland-, Naturland- und Biokreis-Milch. In Österreich hat jeder Supermarkt seine eigene Bio-Eigenmarke. Der durchschnittliche Konsument weiß nicht, wie die Tiere gehalten und gefüttert wurden, er weiß nicht, wie viel Geld der Bauer bekommt, und meist weiß er auch nicht, aus welcher Region die Milch kommt. Als ich zum Beispiel gehört habe, dass Weidehaltung für Bio-Betriebe nicht verpflichtend ist, bin ich vom Stuhl gefallen. Das erwartet der Konsument nicht. Bei der Verbrauchermilch ist hingegen alles transparent geregelt.
Ein Kriterium der Chef-Milch ist ausgezeichnetes Tierwohl. Wie lässt sich das definieren?
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