
Die Milchviehhaltung stellt eine enorme Arbeitsbelastung und damit besondere Herausforderungen für die bäuerliche Familie dar. Durch viel Handarbeit und ständige Verfügbarkeit kommt es zu einer außerordentlich hohen körperlichen und seelischen Belastung für die ganze Familie. Aufgrund dieser Umstände haben in der vergangenen Zeit viele Betriebe die Milchproduktion eingestellt.
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Automatisierung im Vormarsch
In den letzten Jahren gab es eine rasante Entwicklung im Bereich der Automatisierung von Milchviehställen. Von der automatisierten Melktechnik über Fütterungsroboter bis hin zu automatisierten Einstreu- und Entmistungssystemen hat sich eine Vielzahl an technischen Lösungen am Markt etabliert und in der Praxis bewährt. Meist sind es junge, innovative Betriebsführer, die wenige Jahre nach der Betriebsübernahme in voll- oder teilautomatisierte Systeme investieren und sich damit eine Perspektive in der Milchwirtschaft schaffen. Die Automatisierung ermöglicht den Betrieben, mit den am Hof verfügbaren Arbeitskräften größere Tierbestände zu halten und damit die Produktivität und Wirtschaftlichkeit des bäuerlichen Familienbetriebes zu steigern.
Arbeitszeit
Die verfügbare Arbeitszeit ist auf den Milchviehbetrieben ein begrenzender Produktionsfaktor. Gerade in diesem Bereich bringt die Automatisierung eine wesentliche Verbesserung und
eröffnet den Betrieben neue Möglichkeiten. Auf den zwölf österreichweit erhobenen Betrieben kam es durch die Automatisierung zu einer Reduktion der täglichen Stallarbeit um 56 %, obwohl auf den meisten Betrieben die Kuhanzahl im Rahmen der Umstellung erhöht wurde.
So konnte der Arbeitszeitbedarf
pro Stallarbeit von durchschnittlich 4,22 Arbeitskraftstunden (Akh) auf 1,84 Akh reduziert werden.
Besonders im Bereich der Melk-, Fütterungs- und Einstreutechnik kam es in der durchgeführten Studie zu enormen Arbeitszeiteinsparungen bei der täglichen Stallarbeit.
Durch die Automatisierung fallen jedoch zusätzliche Arbeiten für Herdenmanagement, Datenauswertung, Störungsbehebung sowie Wartungs- und Reinigungsarbeiten an. Diese Tätigkeiten können jedoch meist zeitlich unabhängig erledigt werden und bringen somit eine gewisse Arbeitszeitflexibilität mit.
Gesundheit und Leistung
Tiergesundheit, Milchleistung und Milchqualität spielen eine wesentliche Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg eines Betriebes.
Die Erhebungen zeigen, dass es durch die Einführung automatisierter Systeme zu einer leichten Verbesserung der Tiergesundheit und Fruchtbarkeit kommt. Die Milchqualität konnte durch die Automatisierung um 20 % verbessert werden, wobei sich die Zellzahl von durchschnittlich
150.000 Zellen auf 120.000 Zellen reduziert hat. Im Bereich der Milchleistung kommt es durch die Automatisierung zu einer deutlichen Steigerung der Milchmenge um durchschnittlich 1.135 l pro Kuh und Jahr.
Die meisten der Betriebe gaben an, dass die Tiere durch die Automatisierung wesentlich ruhiger und stressfreier geworden sind, da rund um die Uhr frisch gemischtes Futter vorgelegt wird. Kühe sind Gewohnheitstiere und schätzen die pünktliche Futtervorlage.
Im Schnitt erfolgt dies sechsmal täglich und auf einzelnen Betrieben sogar öfter. Dadurch kommt es einerseits zu einer Steigerung der Grundfutteraufnahme und andererseits ermöglicht der Einsatz von Technik eine leistungsbezogenere Fütterung, was sich schlussendlich positiv auf Tiergesundheit und Leistung auswirkt.
Was kostet die Technik?
Der Einsatz hochmoderner Technik führt einerseits zu enormen Investitionskosten und andererseits schlagen deutlich höhere Betriebskosten zu Buche.
Bei den zwölf untersuchten Milchviehbetrieben wurden die Kosten der einzelnen Systeme getrennt erhoben (siehe Tabelle unten). Es zeigt sich deutlich, dass die Melktechnik mit Abstand die höchsten Investitionskosten verursacht, gefolgt von der Fütterungstechnik. Deutlich geringere
Investitionskosten verursachen Einstreutechnik, Entmistungstechnik und die automatisierte Kälberfütterung. Bei den erhobenen Kosten ist anzumerken, dass sich die angeführten Zahlen auf durchschnittliche Investitionskosten der letzten fünf Jahren beziehen. Bei einer aktuellen
Neuanschaffung muss man sicherlich mit höheren Preisen als diesen rechnen. Ähnlich zeigt sich die Situation bei den laufenden Betriebskosten.
Auch hier stellt die Melktechnik mit durchschnittlich 6.194 Euro pro Jahr für Wartung, Reparaturen und Lizenzen mit Abstand den höchsten Kostenfaktor dar. Deutlich geringer fallen hier die laufenden Kosten für die Fütterungsautomatisierung an. Auch die laufenden Kosten für Einstreutechnik, Entmistung und automatische Kälberfütterung sind vergleichsweise gering. Der Wartungs- und Reparaturbedarf ist bei der Melktechnik im Vergleich zu den anderen Automatisierungssystemen mit Abstand am höchsten.
Arbeit und Lebensqualität
Neben der Betriebswirtschaft sind Lebens- und Arbeitsqualität einer der wichtigsten Aspekte im Alltag der bäuerlichen Familie. Leider wird oftmals diesem Punkt viel zu wenig an Bedeutung zugemessen.
Alle zwölf erhobenen Betriebe bestätigen, dass die körperliche Arbeits-
belastung durch die Automatisierung
deutlich abgenommen hat. Der Einsatz automatisierter Systeme reduzierte insbesondere eine Vielzahl an manuellen, teils körperlich schweren Tätigkeiten, die zuvor einen wesentlichen Teil der Stallarbeit ausmachten. Die Arbeit im Stall verlagert sich zunehmend von körperlicher hin zu geistiger Tätigkeit. Während körperlich anspruchsvolle Arbeiten reduziert wurden, nahmen jene im Bereich des Managements, der Auswertung von Tier und Betriebsdaten, sowie der Techniküberwachung zu.
Ebenfalls steigerte sich auf allen Betrieben die Produktivität der Betriebsleiter. Sie gaben darüber hinaus an, dass sich durch die Automatisierung ihre persönliche Arbeitsbelastung deutlich verbessert hat. Es kam auch zu einer positiven Veränderung im Bereich Freizeit und Lebensqualität für die gesamte bäuerliche Familie. Es bleibt wieder mehr Zeit für Hobbys, Öffentlichkeitsarbeit usw., weil viele Tätigkeiten nicht zwingend zeitlich an die traditionellen Stallzeiten gebunden sind. Von allen erhobenen Betrieben wurde der Schritt in die Automatisierung rückblickend als richtige Entscheidung empfunden. Bei einigen Betrieben eröffnete sich durch die frei gewordene Arbeitszeit die Möglichkeit zu neuen Betriebszweigen und damit eine zusätzliche wirtschaftliche Chance für ihren Betrieb.
Freude an der Technik
Wichtig ist zu erwähnen, dass ein Umstieg in die Automatisierung hohe Ansprüche an das technische Verständnis der Betriebsführerfamilie stellt. Voraussetzung für eine erfolgreiche Umsetzung ist die Freude am Umgang mit modernen Systemen sowie ein hohes Maß an technischem Verständnis. Von großem Vorteil ist auch die Fähigkeit, Störungsbehebungen und kleinere Reparaturen selbst durchzuführen.
Fazit
Die Automatisierung von Milchviehställen verursacht zwar erhebliche Investitionskosten, bringt aber Verbesserungen im Bereich von Milchleistung und Tiergesundheit. Es kommt zu einer deutlichen Reduktion der täglichen Stallarbeit, weniger körperlicher Belastung und führt damit zu verbesserten Arbeits- und Lebensbedingungen für die bäuerliche Familie.
Die Automatisierung kann als große Zukunftschance für die Betriebe gesehen werden, da sie die Wettbewerbsfähigkeit steigert und die Betriebe fit für die Zukunft macht.
Sie ermöglicht es, trotz steigender Anforderungen und begrenzter Arbeitskräfte als Familienbetrieb in der Milchproduktion zu bestehen. Gleichzeitig erlaubt sie eine betriebliche Weiterentwicklung hin zu größeren Produktionseinheiten, die effizient geführt werden können.
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