Von Roman GOLDBERGER und Hans MEISTER
Der Rechnungshof hat in seinem Bericht mehr als 50 Vorschläge angemerkt. Hat der Aufsichtsrat der AMA-Marketing versagt?
Franz Stefan Hautzinger: Nein, das sehe ich nicht so. Die Agrarmarkt Austria lebt damit, ständig überprüft zu werden. Seit 1990 hatten wir 180 Überprüfungen: vom Europäischen Rechnungshof, vom Österreichischen Rechnungshof, vom Landwirtschaftsministerium und von anderen Prüfstellen. Rechnungshofberichte sind in der Regel sehr kritisch. Ich lese aber im Bericht weit und breit keine Anmerkung, dass wir Leichen im Keller haben.
Was lesen Sie heraus?
Der Rechnungshof wünscht sich eine stärkere Dokumentation der Entscheidungsprozesse. Das trifft uns nicht unvorbereitet. Wir haben uns ja seit Beginn der Prüfung im Jahr 2010 weiterentwickelt, und die Hälfte der 50 Empfehlungen des Rechnungshofs ist jetzt schon umgesetzt.
In der Parlamentsdebatte ist mehrmals das Wort Vetternwirtschaft gefallen. Ein wahrer Vorwurf?
Rechnungshofberichte werden im Parlament oft für parteipolitische Grabenkämpfe missbraucht. Da wird gerne das ein oder andere falsch dargestellt. Ich lese in diesem Bericht kein einziges Mal das Wort Vetternwirtschaft und daher stelle ich die Vorwürfe mancher Politiker dorthin, wo sie hingehören. Das sind oberflächliche parteipolitische Übungen, die nicht in die Tiefe gehen.
Gehen wir in die Tiefe. Für Getreide werden keine Marketingbeiträge eingehoben, obwohl das AMA-Gesetz das vorsieht.
Das stimmt, laut AMA-Gesetz könnten wir über den Flaschenhals Mühlen Marketingbeiträge für Getreide einholen. Dafür hatten wir bisher keine positive Willensbekundung im Verwaltungsrat, der dafür eine Vierfünftelmehrheit braucht. Der Grund lag darin, dass sowohl Getreidebauern als auch die Mühlenwirtschaft nach dem EU-Beitritt stark unter Druck standen und man diesen Sektor nicht noch stärker belasten wollte. Ich glaube, dass es auch in der aktuellen Situation ein schlechtes Signal wäre, Marketingbeiträge von den Bauern einzuheben.
Ist das eine Bevorzugung von Getreidebauern?
Nein, eher eine Benachteiligung. Dazu müssen Sie unser System verstehen. Die Beiträge der jeweiligen Sektoren werden immer nur für Werbemaßnahmen im jeweiligen Sektor verwendet. Bei Getreide haben wir derzeit nur Einkünfte aus Lizenzen für verschiedene AMA-Gütesiegel-Backwaren. Insofern kann für Getreide wenig Werbung gemacht werden.
In der Parlamentsdebatte vermutete ein Abgeordneter den Grund darin, dass im Aufsichtsrat der AMA-Marketing zwei Vertreter der Mühlenwirtschaft sitzen.
Das ist schlicht und einfach falsch! Schade, dass offenbar niemand im Nationalrat den Bericht gelesen hat. Denn dann hätte irgendjemand aus diesem erlauchten Kreis antworten können, dass der eine Vertreter von 2004 bis 2010 im Aufsichtsrat saß und der andere erst seit 2014. Außerdem befasst sich der Aufsichtsrat nicht damit. Das ist Sache des Verwaltungsrats der AMA und dieser ist paritätisch besetzt. Da sitzen je drei Vertreter der Arbeiterkammer, der Wirtschaftskammer, des Gewerkschaftsbundes und der Landwirtschaft. Ich bin dort Vorsitzender und kann Ihnen versichern, dass diese Damen und Herren keine Lieblingslandwirte haben.
Der Rechnungshof hat fehlende Dokumentationen beanstandet. Wurde der Aufsichtsrat zu wenig informiert oder hat er sich zu schnell mit den Informationen zufrieden gegeben?
Die Aufgaben des Aufsichtsrates sind im Wesentlichen der Jahresabschluss und die Kontrolle des Geschäftsführers. Es stimmt, dass mehrmals eine bessere Berichtspflicht gefordert worden ist. Diese Forderung unterstützt nun auch der Rechnungshofbericht. In der Zwischenzeit hat sich aber sehr vieles zum Positiven geändert. Sowohl die interne Revision als auch der Kontrollausschuss berichten dem Verwaltungsrat und umgekehrt; wir sind jetzt besser vernetzt. Auch der neue Geschäftsführer der AMA-Marketing, der seit 2012 im Amt ist, ist sehr kooperativ.
Wie erklären Sie Landwirten, dass die Verwaltungskosten in fünf Jahren um 50 % gestiegen sind?
Der Anteil der Verwaltungskosten am Gesamtaufwand lag im Prüfzeitraum zwischen 3,1 und 4,5 %. Das hat der Rechnungshof kritisiert. Ich möchte dieser Kritik aber entgegenhalten, dass es sich beim Bericht um eine Stichtagsbetrachtung handelt, die vom Jahresmittel abweicht. Außerdem hat der Rechnungshof auch die vielfach teilzeitbeschäftigten Karenzvertretungen als volle Arbeitskraft erfasst. Man darf aber nicht vergessen, dass die Aufgaben mehr geworden sind, und am Ende ist das noch immer ein sehr niedriger Wert.
Irritierend ist die personelle Verfechtung zwischen der AMA-Marketing und dem Verein Kulinarisches Erbe Österreich. Dieser Verein wurde von der AMA-Marketing finanziell unterstützt.
Das ist bereinigt, diese personellen Verflechtungen gibt es nicht mehr. Dennoch unterstützen wir weiterhin Vereine mit ähnlichen Zielsetzungen wie die AMA-Marketing, denn diese Vereine sind im Gegensatz zur AMA-Marketing förderfähig und können sich für EU-Projekte oder nationale Projekte bewerben. Dazu brauchen sie aber einen Eigenmittelanteil, den wir zum Teil zur Verfügung stellen. Diese Vorgangsweise haben wir durch ein Rechtsgutachten absegnen lassen und mittlerweile gibt es dazu auch eine Stellungnahme des Landwirtschaftsministeriums. Diese stellt auch die Vorgabe für unser Handeln dar.
Verstehen Sie, dass Landwirte misstrauisch sind, was mit ihren Marketingbeiträgen passiert?
Die AMA-Marketing ist aber so transparent, dass Misstrauen nicht angebracht ist. Wofür die Marketingbeiträge im Detail verwendet werden, ist jedes Jahr aus dem Tätigkeitsbericht herauszulesen. Diesen findet man auf der Homepage der AMA. Der Rechnungshofbericht hat auch bestätigt, dass die Beiträge der einzelnen Sektoren tatsächlich nur für die jeweiligen Sektoren verwendet werden.
Trotzdem wird viel über die AMA geschimpft. Ist das ungerecht?
Wichtig ist zu verstehen, dass die AMA keine Gesetze macht, sondern diese nur umsetzt. Ich will aber mit zwei Argumenten dagegenhalten: Erstens wird die AMA als Zahlstelle international als Best-practice-Beispiel gesehen. Wir haben im EU-Vergleich die niedrigsten Anlastungen pro 1.000 Euro Auszahlung, also die wenigsten Rückforderungen der EU aufgrund von Fehlern. Der zweite Punkt ist die Tatsache, dass uns unsere deutschen Nachbarn um die AMA-Marketing beneiden. Die deutsche Agrarmarketingorganisation CMA hat ja gesetzlich nicht gehalten und wurde vor etlichen Jahren gerichtlich aufgelöst. Mittlerweile bemühen sich vor allem die Bayern, etwas Ähnliches wieder aufzubauen.
„Schade, dass offenbar niemand im Nationalrat den Bericht gelesen hat.“
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