Vor knapp zwei Wochen hat die Agrar-Gemeinschaft Österreich (AGÖ) unter dem Titel „Regierungsprogramm“ ihre Forderungen und Verbesserungsvorschläge für eine bessere wirtschaftliche Zukunft der österreichischen Land- und Forstwirtschaft präsentiert. Das Programm ging in der Folge auch an alle im Nationalrat vertretenen Parteien, damit diese – so die AGÖ – nach Bildung der neuen Bundesregierung nicht sagen können, man hätte von den wahren Problemen der Bäuerinnen und Bauern keine Kenntnis bzw. es fehle an zielgerichteten Vorschlägen aus dem Kreis der Betroffenen selbst.
Was sagt das „Agrardreigestirn“ zu den Vorschlägen?
Der LANDWIRT hat in der Folge das agrarpolitische Dreigestirn „Bauernbund-Landwirtschaftskammer-Landwirtschaftsministerium“ um Stellungnahme gebeten. Einerseits fragten wir nach deren Bewertung des AGÖ-Programms, andererseits auch, ob die gemachten Vorschläge umsetzbar sind bzw. welche und wann diese dann allenfalls von der offiziellen Agrarpolitik aufgenommen und auch umgesetzt werden.
Die Rückantworten sind aus Sicht der AGÖ wohl eher ernüchternd, überraschen aber nicht wirklich: Zu keinem einzigen Vorschlag wird konkret Stellung genommen. Teilweise vermied man es sogar, den Namen AGÖ überhaupt zu erwähnen.
BML: Unterlagen werden gesichtet
Am kürzesten fiel die Antwort des Landwirtschaftsministeriums (BML) aus. Diese wurde als Information aus dem BML tituliert und lautet wie folgt:
„Es ist üblich, dass Anliegen und Forderungen von unterschiedlichen Interessensvertretungen und Organisationen an das BML herangetragen werden. Alle Unterlagen, die an das BML ergehen, werden gesichtet.“
Demnach ist man im BML offenbar noch dabei, die Vorschläge zu sichten und zu bewerten.
Bauernbund sieht eigenes Wahlprogramm als relevant
Vom Pressesprecher des Österreichischen Bauernbundes erreichte den LANDWIRT folgende Stellungnahme:
„Der Bauernbund bekommt die Anliegen verschiedenster Organisationen laufend zugetragen. Wir befinden uns in ständigem Austausch insbesondere mit Vertretern der Branchenverbände, um ein aktuelles Bild der Situation in den einzelnen landwirtschaftlichen Sparten in unsere politische Arbeit einfließen zu lassen.
Im Vorfeld der Nationalratswahl 2024 haben wir in enger Abstimmung mit Expertinnen und Experten ein Bauernbund-Wahlprogramm erarbeitet, das wir am 6. September in einem Pressegespräch auf der Welser Messe präsentiert haben. Dieses Wahlprogramm mit unseren Forderungen für die kommenden Jahre dient uns als Grundlage dafür, unsere Position in etwaigen Sondierungsgesprächen oder auch Regierungsverhandlungen darzustellen.“
LK Österreich: „Wunschliste lässt Realismus vermissen“
Am ausführlichsten antwortete noch die LK Österreich auf die LANDWIRT Fragen und zeigte sich bei einzelnen, aber ungenannten Themen durchaus solidarisch:
„Ein “Regierungsprogramm” ohne Regierung!? Beim AGÖ-Papier handelt es sich vielmehr um ein Wunschkonzert, das völlig außer Acht lässt, dass man mit einer Wunschliste in einer Demokratie nichts ausrichtet, wenn man sich nicht darum bemüht, die Zustimmung einer Mehrheit in relevanten Gremien zu bekommen.
Die umfangreiche Liste enthält teilweise berechtigte Anliegen, die auch wir als LK klar vertreten und für die wir uns einsetzen.
Viele dieser Wünsche lassen aber jeden Realismus vermissen, weil sie die Grundprinzipien einer freien Marktwirtschaft völlig ignorieren (z.B. gesetzlich fixierte Preise und Spannen). Andere sind in der Gesamtheit ihrer Auswirkungen wenig durchdacht und widersprüchlich und würden zum Teil die Einkommen und die soziale Absicherung der Bäuerinnen und Bauern gefährden und sind eindeutig EU-rechtswidrig. Z.B. die Forderung nach einer Bemessung der Abgaben nicht vom Einheitswert, sondern von Buchführungsergebnissen gefährdet ein über Jahrzehnte bewährtes System und würde die Betriebe mit zusätzlicher Bürokratie und Kosten belasten.
Es ist auch nicht nachvollziehbar, was es Bäuerinnen und Bauern bringen soll, wenn bewährte und unverzichtbare Institutionen der Agrarbranche (Kammern, AMA etc.) ausgehöhlt und deren Finanzierung geschwächt werden sollen. Wenig zielführend wäre außerdem, den Kreis der Wahlberechtigten in den Landwirtschaftskammern deutlich einzuengen (Pensionisten, Familienangehörige).
Wer glaubt, etwas dadurch erreichen zu können, indem er die eigenen, durch demokratische Wahlen legitimierten Vertreter:innen schwächt, ist weit weg von der politischen Realität und nützt möglicherweise anderen Interessen mehr als der eigenen Branche.“
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