Ein sehr guter Freund sagte mir kürzlich offen und ehrlich ins Gesicht: „Du siehst ja sowieso immer alles negativ.“ Der knallharte Abschlusssatz einer hitzigen Diskussion. Es ging um eine Nichtigkeit, über die wir aber fast ins Streiten kamen. Wie schon öfters in letzter Zeit.
So etwas gerade von ihm zu hören, war für mich ein Schlag mitten in die Magengrube. Schließlich sah ich mich bis zu diesem Zeitpunkt selber nicht als ewigen Miesepeter, sondern als kritischen Geist. Jemand, der alles neutral hinterfragt, nichts einfach so hinnimmt. Für diese Eigenschaft habe ich in der Vergangenheit immer wieder Anerkennung und Respekt erhalten, sie wurde zu meinem privaten Aushängeschild. Ich selber sah sie immer in Verbindung zu meinem ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.
Doch offensichtlich habe mich inzwischen ziemlich verrannt. Ich bin ungewollt zum dauernden Nörgler, zum Pessimisten geworden. Und als solcher darf ich nicht davon ausgehen, dass meine Meinung von anderen noch ernst genommen wird. Sei sie objektiv betrachtet ‑ noch so richtig oder vernünftig. Meine Lehre daraus: Ich werde daran arbeiten, wieder auf Spur zu kommen. Das heißt, weiterhin kritisch bleiben, aber nicht pauschal alles als schlecht abtun.
Warum ich Ihnen das schreibe? Weil viele in unserer Gesellschaft derzeit diesen Weg der Schwarzmalerei gehen. Das bringt aber nur Bitterkeit und Streit und liefert definitiv keine Lösungen für die Herausforderungen unserer Zeit. Ein möglicher Kompromiss, zumindest für mich: Wenn ich künftig etwas kritisiere, dann habe ich auch einen konkreten Verbesserungs- oder Lösungsvorschlag parat.
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