In der Schweiz halten etwa 100 Bauern knapp 7.000 Milchschafe. Davon gehören 5.259 Tieren zur französischen Rasse Lacaune. Hinzu kommen 1.498 Ostfriesische Milchschafe, die aktuell im Herdebuch der Schweizerischen Milchschaf- Genossenschaft (SMG) registriert sind. Diese verglichen mit den Fleischschafen sehr kleine Gruppe hat jedoch schon zahlreiche Herausforderungen gemeistert. In enger Zusammenarbeit mit dem Beratungs- und Gesundheitsdienst für Kleinwiederkäuer (BGK) wurde etwa das Maedi- Visna-Virus erfolgreich bekämpft. Nun steht eine weitere Sanierung bevor – in der Schweiz werden seit dem 1. Oktober 2024 alle Schafbestände, auch Milchschafe, Moderhinke-saniert.
Zentrale Bockweide
Für Urs Mischler, Geschäftsführer und Zuchtbuchführer der SMG, stellt die Moderhinke-Sanierung eine besondere Herausforderung dar. Denn an seinem Wohnort in Schwarzenburg (Bern) betreibt er eine Bockweide, mit regem Tierverkehr. Während der ersten Phase der Sanierung, in der die Schafe mittels Tupferproben zwischen den Klauen auf Moderhinke-Erreger untersucht werden, ist der Tierverkehr zwar noch zwischen Betrieben mit dem Status «Moderhinke nicht getestet» möglich, jedoch nur noch bis 31. März 2025. Spätestens danach läuft Mischler mit jedem Widder, den er neu auf die Bockweide holt, Gefahr, den Krankheitserreger einzuschleppen und für jeglichen Tierverkehr gesperrt zu werden. Das wiederum könnte es verunmöglichen, Widder, die zum Decken benötigt werden, an Milchschaf-Betriebe in der ganzen Schweiz zurückzubringen. Die Bockweide für Milchschaf-Widder wurde ursprünglich eingerichtet, um einem anderen Problem zu begegnen: den inneren Parasiten. Weil Milchschaf-Betriebe nur wenige Entwurmungsmittel nutzen können, mit dazu noch langen Absetzfristen, begann man bei der SMG schon früh, sich über die Resistenzzucht Gedanken zu machen. Demnach sollten in der Zucht möglichst nur noch Böcke zum Einsatz kommen, die wenig Wurmeier ausscheiden und damit eine größere natürliche Resistenz gegen Magen-Darm-Würmer haben. Dazu kauft Mischler, im Auftrag der SMG, etwa drei bis vier Monate alte Jungwidder. Bis die Widder ein Jahr bis eineinhalb Jahre alt sind, haben sie auf seinem Hof in Schwarzenburg das ganze Jahr über freien Weidegang. Dann erst holt Mischler sie in den Stall, um alle gemeinsam zu entwurmen. Gleichzeitig werden DNA-Beprobungen gemacht und die Fruchtbarkeit überprüft. Eine Woche nach der Entwurmung werden ein erstes Mal Kotproben entnommen und die Eier pro Gramm Kot gezählt. Eine weitere Woche später dürfen sie wieder auf die Weiden, woraufhin während vier weiteren Wochen wöchentlich Kotproben entnommen werden. Die Proben geben Auskunft darüber, welche Widder resistenter gegen Wurmbefall sind und keine, wenig oder mittelmäßig viele Wurmeier ausscheiden. Sie werden dann als sehr gut, gut oder gerade noch zur Zucht geeignet klassifiziert. Widder mit hoher Eiausscheidung gelten als «zur Zucht nicht empfohlen» und können damit praktisch nur noch zum Schlachtpreis an einen Metzger verkauft werden. Dieses Jahr wurden drei von 13 Jungböcken als zur Zucht nicht geeignet, sechs wiederum als gut oder sehr gut zur Zucht geeignet befunden.
Züchter profitieren doppelt
«Bislang zahlen wir den Milchschaf-Züchtern für ein drei Monate altes Widderlamm den fixen Betrag von 225 Franken», erklärt Mischler. 1 Schweizer Franken entspricht 1,07 Euro. Wenn der Widder für die Zucht geeignet ist, bekommt dessen Züchter 200 Franken hinzu. Verkauft werden zuchtfähige Böcke nach Abschluss der Beprobungen für 800 Franken. «Da die Widder über ein Jahr auf der Bockweide in Schwarzenburg waren, entspricht das praktisch einem Futtergeld von 1,50 Franken pro Tag», erklärt Mischler. Mischlers Arbeitszeit sowie seine Fahrten quer durch die ganze Schweiz, um Jungwidder abzuholen und zuchtfähige Widder zurückzubringen, werden über sein Anstellungsverhältnis bei der SMG abgegolten. Bei den Ostfriesischen Milchschafen wird die Bockweide im Rahmen eines Erhaltungsprogramms für einheimische Rassen vom Bund mitfinanziert. (Ostfriesische Milchschafe wurden in der Schweiz schon vor 1949 gezüchtet, weshalb sie vom Bund als einheimische Rasse anerkannt werden.) Bei den aus Frankreich stammenden Lacaune-Schafen trägt die SMG die Kosten aus eigenen Mitteln. Milchschaf-Züchter, die ihre Widder dank der Bockweide nicht großziehen müssen, dafür auf Resistenz gegen Würmer getestete Widder günstig zurückkaufen können, profitieren davon also praktisch doppelt. Denn die Bockweide trägt auch dazu bei, dass alle männlichen Nachkommen von Bockmüttern großgezogen werden können, was auch die genetische Breite erhält.
Aus für erfolgreiches System?
Die Einschränkungen beim Tierverkehr im Rahmen der Moderhinke-Sanierung könnten jedoch das Aus der Bockweiden bedeuten. Zumal noch unklar ist, wie weit verbreitet die Moderhinke in Milchschaf-Betrieben ist. Man schätzt, dass etwa ein Viertel aller Schafbetriebe in der Schweiz von Moderhinke betroffen sein könnten.Das Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern bestätigt auf Anfrage: «Während einer gewissen Zeit wird es tatsächlich Einschränkungen geben – aufgrund von Sperren in Betrieben, die sanieren müssen; aufgrund des unterschiedlichen Status der Betriebe; und auch abhängig davon, ob die Bockweide selbst von Moderhinke betroffen ist und sanieren muss. Durch eine gute Planung der Betreiber könnten diese Einschränkungen jedoch minimiert werden.» Das Veterinäramt setzt demnach auf Eigenverantwortung bzw. verweist auf Moderhinke-Berater, die für diesen besonderen Einzelfall kaum eine praktikablere Lösung vorschlagen können. «Gerade für eine Bockweide bringt das schweizweite Moderhinke-Bekämpfungsprogramm viele Vorteile», ergänzt das Veterinäramt. Denn das Risiko, Moderhinke in die Bockweide einzuschleppen und von hier weiterzutragen, sowie der Aufwand, dies zu verhindern, würden deutlich sinken. Bis dahin könnte es aber ein langer und schwieriger Weg sein, obschon Mischler bereits seit 20 Jahren Wert auf gesunde Tiere legt. «Jeder Widder, den ich auf unsere Bockweide hole, kommt erst mal für zehn Minuten ins Klauenbad», erklärt Mischler. Diese Praxis wird er zweifellos auch nach Abschluss der Sanierung fortsetzen – zumal die Moderhinke außer von Schafen auch von Wildtieren übertragen werden kann, die nicht saniert werden können.
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