Ein Interview von Roman GOLDBERGER, LANDWIRT Redakteur
LANDWIRT: Seit 1995 hat jeder dritte landwirtschaftliche Betrieb aufgegeben. Kann der neue Kommissionsvorschlag das „Bauernsterben“ spürbar verlangsamen?
Franz Reisecker: Das wird man erst sehen, wenn die Details der GAP-Reform auf dem Tisch liegen. Das Papier zeigt ein paar Ansätze für weniger Bürokratie. Das wäre ein wichtiger Schritt. Die wichtigste Frage ist aber, wie viel Geld der Gemeinsamen Agrarpolitik für die nächste Periode zur Verfügung stehen wird.
Im Mai will die Kommission den mehrjährigen Finanzrahmen vorstellen. Was erwarten Sie?
Wird der Brexit ohne Gegenleistung Großbritanniens vollzogen, werden dem Agrarbudget vier bis fünf Milliarden Euro fehlen. Zudem hätte es fatale Auswirkungen auf die EU-Landwirtschaft, wenn es zu keiner Handelseinigung kommt. Alleine Irland exportiert 80 Prozent seiner Milch nach Großbritannien. Der Agrarexport der EU-Mitgliedsstaaten ins Vereinte Köngreich macht das Vierbis Fünffache der Russlandexporte vor dem Embargo aus.
Selbst wenn die Briten für die Nutzung des EU-Binnenmarktes zahlen, wird ein Budgetloch bleiben.
Ja, deshalb fordert die Copa*, dass sich die EU um zusätzliche Einnahmen bemüht.
Was fordern Sie da konkret?
Internationale Konzerne wie Amazon agieren derzeit de facto steuerfrei. In diesen Geschäftsfeldern europaweit Steuern einzuheben würde einerseits die Steuerflucht bekämpfen und andererseits für mehr Gerechtigkeit sorgen.
Kommen wir zurück zum GAP-Vorschlag. Die EU-Kommission soll in Zukunft nur mehr Ziele vorgeben. Mit welchen Maßnahmen diese Ziele erreicht werden, ist Sache der Mitgliedsstaaten. Wie bewerten Sie diesen Vorschlag?
Als Chance und Gefahr zugleich. Als Chance sehe ich, dass wir mit diesem Modell die Maßnahmen besser auf die Praxis abstimmen können. Zudem soll es mit dem Mitgliedsstaat nur mehr eine Kontrollinstanz geben. Das bedeutet eine Vereinfachung. Aber dieses System birgt auch eine Gefahr: Es darf damit zu keiner Renationalisierung kommen, denn mit unterschiedlichen nationalen Regeln könnte auch der Wettbewerb zwischen den EU-Mitgliedsstaaten entfacht werden. Frankreich und Deutschland sehen diese Gefahr sehr kritisch.
Wie sehen Sie’s?
Wenn eine starke Erste Säule (Anm. Direktzahlungen) erhalten bleibt und die Mitgliedsstaaten hier nur Einfluss auf die Greening-Regeln haben, dann sehe ich keine große Gefahr. Die zweite Säule war auch bisher schon sehr stark auf die Mitgliedsländer abgestimmt.
Emotional wird darüber diskutiert, ob kleinere Betriebe durch die GAP mehr gestärkt werden sollen als große. Hier ist sich die EU nicht einig.
Bei den Direktzahlungen wäre eine Degression über ganz Europa wichtig. Das ist mit diesem Vorschlag nicht ausgeschlossen, aber die EU-Mitgliedsländer sind in der Frage gespalten. Kommissar Hogan hat gesagt, er möchte in Zukunft mehr Fairness zwischen den Landwirten haben. Diese Aussage lässt mich hoffen, dass er am Ende des Tages Maßnahmen setzen wird, die kleineren Betrieben helfen werden.
Was meinen Sie mit Degression über Europa?
Derzeit haben die Mitgliedsstaaten die Möglichkeiten, einen Teil des zugeteilten Gelds von größeren auf kleinere Betriebe umzuverteilen. In Österreich hat eine Umverteilung aber kaum einen Effekt, weil es hier zu wenige Großbetriebe gibt, von denen man Geld nehmen kann. Außerdem müsste dieses Geld auf so viele kleinere Betriebe aufgeteilt werden, sodass es für den Einzelbetrieb kaum einen Effekt haben würde. Daher fordere ich eine Degression über ganz Europa. So erreichen wir auch in Österreich einen spürbaren Effekt.
Die neuen Mitgliedsstaaten hatten bisher geringere Betriebsprämien und fordern nun eine Angleichung. Müssen sich die Bauern auf deutlich weniger Geld einstellen?
Nein, Österreich liegt bei der Höhe der Betriebsprämien im EU-Durchschnitt. Verlieren werden eher Länder wie Frankreich, Deutschland und die Niederlande, die bisher höhere Betriebsprämien hatten. Mein Zu-gang ist, dass die Kaufkraft im jeweiligen Land bei der Berechnung der Betriebsprämien berücksichtigt werden soll.
„In Österreich hat eine Umverteilung kaum einen Effekt, weil es hier zu wenige Großbetriebe gibt …“
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