Vor zwei Jahren erst war sie als Branchenerfolg gefeiert worden. Im Rahmen des „Tierwohlpakets“ beschloss die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit Branchenvertretern die bis Ende 2039 dauernde Übergangsfrist für das Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten. Für Betriebe, die Ställe neu- oder umbauen, gelten bereits seit 1. Januar 2023 neue Mindeststandards (siehe Seite 41). Die Übergangsfrist sollte laut Bauernbund „einen Tierschutz mit Augenmaß und Hausverstand“ ermöglichen, die Abwanderung der Produktion ins Ausland und damit billige Fleischimporte verhindern. Der zuständige Gesundheitsminister Johannes Rauch sprach von einem „Kompromiss zweier Welten“.
Am 8. Januar 2024 kam die Schockmeldung für Schweinehalter mit Vollspaltenställen: Der Verfassungsgerichtshof (VfgH) hat die auf 17 Jahre festgelegte Übergangsfrist gekippt. Anlass war ein Antrag der burgenländischen Landesregierung unter SPÖ-Landeshauptmann Hans Peter Doskozil auf Aufhebung der Übergangsfrist mit 1. Juni 2025.
Brisant: Im Herbst wählt Österreich eine neue Regierung, der letzte Gesundheitsausschuss dieser Legislaturperiode findet im Juni 2024 statt. Eine rasche Einigung über eine neue Übergangsfrist muss her, denn welche Parteien die nächste Bundesregierung bilden und ob diese die Belange der Bauern berücksichtigen, ist ungewiss.
Was erwartet Österreichs Schweinehalter jetzt? Wir haben mit Johann Schlederer, Geschäftsführer der österreichischen Schweinebörse, über mögliche Optionen gesprochen.
LANDWIRT: Die Übergangsfrist für Vollspalten in bestehenden Ställen bis 2040 wurde mit der Begründung, sie sei „sachlich nicht gerechtfertigt“ gekippt. Was soll das bedeuten?
Johann SCHLEDERER: Der Verfassungsgerichtshof stößt sich daran, dass die Dauer der Übergangsfrist von 17 Jahren im neuen Tierschutzgesetz nicht begründet ist.
Der VfGH kritisiert unter anderem, Tierwohl wäre wichtiger als der Investitionsschutz für die Bauern.
Das ist eine ganz heikle Bewertung, denn Tierschutz geht nicht ohne Wirtschaftlichkeit, und umgekehrt. Bisher hat der Gesetzgeber und nicht der Richter bewertet, was unter Tierschutz zu verstehen ist. Nutztierhaltung ist immer ein Kompromiss. Dass sie auch eine gewisse Wirtschaftlichkeit braucht, muss klar sein. So gesehen ist es schon eigenartig, dass dies erstmals so interpretiert wurde.
Das Gericht bekrittelt zudem, dass Schweinehalter, die Ställe nach dem neuen Mindeststandard betreiben, jahrelang einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Vollspaltenbetrieben hätten.
Unfassbar, dass sich der VfGH dazu herablässt, in diesem Zusammenhang das Thema Wettbewerbsverzerrung zu nennen. Wenn das ernst gemeint ist, müssten die Richter, die Österreichs Bauern jetzt massakrieren, auf der Stelle die EU abschaffen. Unsere Bauern haben seit dem EU-Beitritt 1995 tagtäglich einen Wettbewerbsnachteil.
Was der Artikel noch bereithält:
- „Fachunkundige Personen entscheiden Dinge, deren Tragweite sie sich nicht bewusst sind!”
- Diese Abänderungen des Tierschutzgesetzes sind denkbar
- Welche “schlimmeren” Keulen als das Vollspalten-Aus die heimische Schweinehaltung bedrohen
Kommentare