Von Lena ADLHOCH, LANDWIRT Redakteurin
1. Was wurde geändert?
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass Landwirte, die in Rente gehen wollen, ihren Hof nicht mehr abgeben müssen. Knapp 60 Jahre nach Einführung hat das Gericht nun die sogenannte Hofabgabeklausel gekippt. Ziel war damals, eine Überalterung der Betriebsleiter zu verhindern. Die Idee: Will ein Landwirt Rente aus der Alterskasse beziehen, muss er seinen Betrieb an einen Nachfolger übergeben oder seine Flächen verpachten. Das schreibt das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) vor.
2. Warum diese Entscheidung?
Die bisherige Alterssicherung für Landwirte greife in die im Grundgesetz festgelegte Eigentumsfreiheit ein, so die Verfassungsrichter. Wer als Landwirt Rente beziehen möchte und trotzdem seinen Hof behalten will, kann das künftig auch so machen, erklärt Rechtsexpertin Adelheid Holme. Laut Bundesverfassungsgericht greift die Koppelung einer Rente an die Abgabe eines landwirtschaftlichen Hofs in die Eigentumsfreiheit nach dem Grundgesetz ein. Wenn die Hofabgabe in unzumutbarer Weise Einkünfte entzieht, sei die Pflicht dazu verfassungswidrig. Es sei auch unzumutbar, dass das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte keine Härtefallregelung vorsieht, wenn ein Hof nicht übergeben werden kann, weil es keinen Nachfolger gibt. Das Gericht beanstandete außerdem, dass die Entscheidung eines Ehepartners den Rentenanspruch des anderen nicht beeinflussen dürfe.
3. Was bedeutet das für aktive Landwirte im Rentenalter?
Möchte ein Landwirt trotz Rentenalters seine Landwirtschaft weiterführen, sollte er schleunigst bei der landwirtschaftlichen Alterskasse einen Rentenantrag stellen. Denn die Altersrente wird ab Beantragung ausgezahlt, rät Rechtsanwältin Adelheid Holme. Außerdem sollten Pachtverträge, die lediglich unterzeichnet wurden, um die Abgabevoraussetzung zu erfüllen, überprüft werden. Sofern gewünscht, können die Landwirte dann ihren Betrieb wieder aktivieren und die Pachtverträge kündigen. Und: Landwirtschaftlich genutzte Flächen können aus der Stilllegung genommen und wieder aktiv bewirtschaftet werden.
4. Was bedeutet das für Nachfolger?
Mit dem Urteil ist die Übergabe eines landwirtschaftlichen Betriebs nicht mehr an die Rente gekoppelt. Damit wird es auch für Nachfolger schwieriger, den Betriebsinhaber zur Übergabe zu bewegen. Die Zahl der Übergabeverträge als Mittel der vorzeitigen Erbfolge wird abnehmen, dafür wird es mehr Vererbungen geben, vermutet Rechtsanwältin Holme. Auf jeden Fall wird sich in vielen Fällen der Zeitpunkt der Übergabe verschieben, bis der Landwirt aufgrund seines Alters seinen Hof nicht mehr führen kann. Ob das für das Investitionsklima förderlich sein wird, muss sich zeigen.
5. Die SVLFG* trifft derzeit keine Entscheidungen über Altersrenten? Ist das rechtens?
Die SVLFG hat dies in einer Pressemitteilung angegeben. Die Behörde geht hier auf Nummer sicher, weil sie eigentlich noch immer nach alter beziehungsweise noch aktueller Gesetzeslage über ihre aktuellen Altersrentenanträge entscheiden müsste, erklärt Rechtsanwalt und Agrarrechtsexperte Alexander Zschau. Das möchte sie aber aufgrund des Bundesverfassungsgerichtsurteils nicht tun, um eine Klageflut zu vermeiden. Daher will die SVLFG zunächst abwarten, wie der Gesetzgeber den Paragrafen, der eine Hofabgabe voraussetzt, ändert.
6. Ist für Rentenansprüche wegen Erwerbsminderung und für die Witwenrente weiterhin eine Hofübergabe Voraussetzung?
Ja, das stimmt. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung nur mit Rentenansprüchen wegen Altersrente beschäftigt. In Sachen Erwerbsminderung und Witwenrente bleibt alles beim Alten.
7. Laut SVLFG sind bestandskräftige Entscheidungen von dem neuen Urteil nicht betroffen. Sollten Landwirte, deren Antrag abgelehnt wurde, aber trotzdem einen weiteren Rentenantrag stellen?
Landwirte, deren Anträge abgelehnt wurden, sollten auf jeden Fall ihre Anträge jetzt erneut stellen. Es steht den Landwirten frei, so oft Anträge zu stellen, wie sie wollen. Das ergibt auch Sinn, denn ab dem Zeitpunkt der Antragstellung läuft die Frist, ab der die Altersrente gezahlt wird. Der Antrag sollte auf jeden Fall auch gestellt werden, da das Bundesverfassungsgerichtsurteil keine Auswirkungen auf bisher rechtskräftig entschiedene und abgelehnte Rentenanträge hat.
8. Ist die Bäuerin weiterhin von der Hofabgabe ihres Ehemanns abhängig, wenn er selbst das Rentenalter erreicht hat?
Nein, ist sie nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung konkret entschieden und klargestellt, dass es dem Ehepartner freistehen muss, ob er Rente beziehen möchte. Diese Entscheidung darf nicht an die Entscheidung des jeweils anderen Ehepartners, dass dieser noch nicht in Rente gehen oder seinen Hof nicht aufgeben möchte, gebunden sein.
7. Laut SVLFG sollten Rentenbezieher, die zusätzliche Flächen (ab der Mindestgröße) bewirtschaften möchten, eine Neuregelung abwarten, um nicht ein Ruhen der Rente zu riskieren. Können Sie das bestätigen?
Aus einer Pressemitteilung der SVLSG geht dies hervor. Das können wir bestätigen. Die Sozialkasse führt lediglich geltendes Recht aus. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, den Paragrafen schnellstmöglich zu überarbeiten.
10. Bis wann ist mit konkreten Entscheidungen zu rechnen?
Da können wir nur spekulieren. Eine Frist zur Gesetzesänderung wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht gesetzt. Wir rechnen damit, dass der Gesetzgeber schnell aktiv wird, um den Schwebezustand bezüglich der aktuellen Antragsverfahren abzustellen.
*Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau
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