Die österreichische Landwirtschaftsministerin Elisabeth Köstinger will Österreichs Vorreiterrolle beim Tierwohl weiter ausbauen. Gemeinsam mit dem Dachverband der Nachhaltigen Tierhaltung Österreich (NTÖ), der Landwirtschaftskammer und Vertretern der Agrarlandesräte-Konferenz wurde der „Pakt für mehr Tierwohl in der produzierenden Landwirtschaft“ beschlossen. Folgende Punkte wurden präsentiert:
Mehr Investitionsförderung schon ab 2021
Für Investitionen in tiergerechte Haltungssysteme stehen künftig jährlich 120 Mio. Euro an Investitionsförderung zur Verfügung. Die Förderstandards für Ferkelaufzucht, Schweinemast und Rinderhaltung werden angehoben (mehr Platz, größere Buchten, getrennte Funktionsbereiche mit nur wenig perforierten Liegeflächen, vielseitiges Beschäftigungsmaterial und Kühlmöglichkeiten, kein Spaltenboden für die Rindermast ohne weiche Auflage).
Der Fördersatz für Investitionen in besonders tierfreundliche Haltungen bei Schwein und Pute wird ab 2021 von 25 auf 35 % angehoben. Ab 2021 werden Neubauten von Anbindehaltungen nicht mehr gefördert. Ab 2022 wird es keine Förderungen für den Neubau von Ställen geben, die nur gesetzliche Mindeststandards erfüllen – z.B. Ställe, die ausschließlich Vollspaltenböden in der Schweinehaltung verwenden.
Laufender Aufwand für mehr Tierwohl wird unterstützt
Neben höheren Kosten für den Stallbau fallen bei tiergerechteren Haltungssystemen auch erhöhte laufende Kosten an (z.B. für Einstreu bzw. damit verbundene Arbeitstätigkeiten).
- „Tierwohl-Weidehaltung“: Bäuerinnen und Bauern werden unterstützt, wenn sie Weidehaltung für Rindern, Schafen, Pferden etc. als tier- und umweltgerechtes Haltungssystem anbieten.
- „Tierwohl-Stallhaltung“ in der Rindermast fördert mehr Platz und eine eingestreute, weiche Liegefläche für männliche Mastrinder.
- „Tierwohl-Stallhaltung“ für Schweine fördert mehr Platz und eingestreute Liegeflächen. Für Betriebe, die unkupierte Schweine halten, wird es einen Zuschlag geben.
Kälbertransporte sollen reduziert werden
Die Produktion von Kalbfleisch in Österreich ist seit Jahrzehnten rückläufig; gleichzeitig steigen die Importe. Ziel ist, die Bedarfsdeckung aus regionaler Produktion zu erhöhen. Damit werden Kälbertransporte deutlich reduziert bzw. vermieden
- Aufnahme der Qualitätsstandards „Vollmilchkalb“ und „Kalb rosé“ ins AMA-Gütesiegel, darauf aufbauend Absatzförderung und Vermarktungsstrategien.
- Ausweitung der bestehenden Förderung für die Erzeugung von Qualitätsrindfleisch (Q-plus Rind) auf die Kälbermast.
- Das Förderprogramm „Tierwohl Stallhaltung“, wird auf Kälber ausgedehnt (ab 2023).
Weiterentwicklung der Gemeinsamen Agrarpolitik hin zu mehr Tierwohl
Mit der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020 muss der Fokus auf höhere Tierwohlstandards in allen EU-Mitgliedsstaaten gelenkt werden, ansonsten entsteht eine gravierende Wettbewerbsverzerrung im EU-Binnenmarkt. Europa muss Anreize für die Bäuerinnen und Bauern setzen, um ihnen den Weg in Richtung mehr Tierwohl einfach und praxistauglich zu gestalten. Die notwendige Weiterentwicklung wird in den GAP Strategieplänen festgeschrieben:
- Weiterentwicklung der Maßnahmen „Tierwohl-Weidehaltung“, „Tierwohl-Stallhaltung“ und in den Programmen zur biologischen Landwirtschaft.
- Ausweitung des Programms „Tierwohl-Stallhaltung“ auf Kälber.
Aufbau Österreichischer Tiergesundheitsdienst
Die Tiergesundheit ist unverzichtbare Basis für das Tierwohl. Daher ist der Aufbau einer zentralen Struktur als Ergänzung der Länder-Tiergesundheitsdienste geplant.
- Programme zur Umsetzung von Tierwohlvorgaben (z.B. Verzicht auf Schwanzkupieren bei Ferkeln).
- Einheitliche Tiergesundheitsprogramme (z.B. Reduktion von Medikamenten).
- Unterstützung der Tierhalter bei der Umsetzung veterinärrechtlicher Vorgaben.
Rasche Umsetzung von Forschungsergebnissen in die Tierhaltungspraxis
Bei den laufenden Projekten mit Schwerpunkt Tierwohl werden insbesondere jene mit starkem Praxisbezug unterstützt, um eine rasche Umsetzung zu gewährleisten. Aktuelles Projekt: Möglichkeiten des Umbaus von Schweinehaltungen mit gesetzlichem Haltungsstandard hin zu einem gehobenen Standard, wie zukünftig für die Investitionsförderung vorgesehen. Umsetzung und Prüfung in Praxisbetrieben.
Köstinger: Keine gesetzlichen Anpassungen nötig
Auf Nachfrage widerspricht die Landwirtschaftsministerin ihrem grünen Regierungskollegen, Gesundheitsminister Rudolf Anschober, der eine Änderung der Tierhaltungsverordnung angekündigt hatte: „Wir gehen den Umbau gemeinsam mit den Bäuerinnen und Bauern und den Konsumenten an. Weil wir die gesetzlichen Mindeststandards nicht mehr fördern und in den vergangenen Jahren schon keine Investitionen mehr in dem Bereich getätigt wurden, gehen wir davon aus, dass dieses Investitionspaket in die Zukunft gerichtet ist und dass es keine Anpassung der gesetzlichen Standards braucht.“
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