SchweinFerkelproduktionTierwohlpaket: „Der Schulterschluss wird kommen“

Tierwohlpaket: „Der Schulterschluss wird kommen“

Thomas Reisecker führt mit seiner Frau Martina einen Schweinemastbetrieb im oberösterreichischen Innviertel. Er ist Fachgruppenobmann beim Verband landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten (VLV).
Quelle: Engler

Anfang Juli 2022 beschloss der österreichische Nationalrat das neue Tierwohlpaket. Für die Schweinehalter bringt es ein Verbot von unstrukturierten Vollspaltenbuchten ab 2040. Bei Neu- und Umbauten gilt der derzeitige Förderstandard ab 2023 als gesetzlicher Mindeststandard (siehe Info).

Ab 2040 müssen alle bestehenden Aufzucht- und Mastställe schließlich auf einen neuen Haltungsstandard umgerüstet sein. Wie dieser aussehen soll, wird in den kommenden Jahren erforscht. Voraussichtlich 2028 wird der neue Mindeststandard bekannt sein, aufbauend auf Ergebnissen aus dem Forschungsprojekt IBeSt (Innovationen für bestehende Aufzucht- und Mastställe für Schweine in Österreich – zum Wohl von Tier und Mensch). Um praxistaugliche Adaptierungen für mehr Tierwohl in bestehenden Ställen zu prüfen, ziehen Wissenschaftler, Interessenvertreter, Berater sowie Praxisbetriebe in den kommenden Jahren an einem Strang. Einer der Projektteilnehmer ist Thomas Reisecker, Schweinehalter und Fachgruppen-Obmann beim Verband landwirtschaftlicher Veredelungsproduzenten (VLV). Wir haben mit ihm über bessere Ställe, die Macht der Tierschutzorganisationen sowie Mut zur Veränderung gesprochen.

LANDWIRT: Jahrelang haben Tierschutzaktivisten in Österreich gegen Vollspalten gewettert. Sind die Politik und die Schweinebranche nun vor ihnen eingeknickt?

Thomas REISECKER: Die Diskussion über Vollspalten war extrem emotionsgeladen und unsachlich, denn: Wer hat wirklich Ahnung davon, wie ein Stall funktioniert? Grundsätzlich sind die einzigen, die das wissen, wir Bauern, die täglich im Stall stehen. Der Vollspaltenstall ist ein gewachsenes System, das sich weltweit durchgesetzt hat.  Jetzt sind wir jedoch an einem Punkt, an dem bei uns die Regale immer voll sind. Als die Menschen noch Hunger kannten, war Tierwohl kaum Thema. Sicher haben die NGOs etwas zur Gesetzesänderung beigetragen. In erster Linie ist aber der gesamtgesellschaftliche Druck gestiegen. Ich sehe es jedenfalls nicht so, dass wir Schweinehalter verloren haben. Eine Weiterentwicklung hat es immer gegeben, und die wird es auch jetzt geben.

Wie stehen Sie selbst zu Vollspalten?

Ich finde das Vollspaltensystem ein gutes, etabliertes System. Allerdings glaube ich auch, dass es bei der Strukturierung im Stall Verbesserungspotenzial gibt.

Die Konsumenten erwarten sich deutliche Verbesserungen in den Ställen, dabei bleiben schlitzreduzierte Spalten weiterhin erlaubt, auch Stroh ist kein Muss. Ist der Schritt groß genug?

Wir machen uns auf einen Weg, der eine schrittweise Verbesserung bringt. Wir machen auf jeden Fall keinen Rückschritt, denn wenn etwas nicht nachweislich besser wird, dann stirbt es. Der Schritt muss so groß sein, dass der Landwirt gerne in den Stall geht, seinen Stall wieder lieber herzeigt und dadurch mehr Wertschätzung bekommt.

Wie gerne gehen die Schweinehalter momentan in den Stall?

Die Stimmung ist seit längerem nicht so gut. In Österreich und Deutschland hören derzeit extrem viele Schweinehalter auf. Wenn die Kurve so weitergeht, haben wir bald keine Schweinehalter mehr.

Beeinflusst das neue Tierwohlpaket diese Stimmung?

Ich glaube, dass es österreichischen Schweinehaltern wieder eine Perspektive gibt: Wer jetzt baut, hat eine Planungssicherheit für 23 Jahre.

Die Frage ist nur: Was bauen?

Das ist schwer zu sagen. Das Projekt IBeSt wird eine Diskussionsgrundlage für 2028 liefern, wonach der Mindeststandard für 2040 diskutiert und festgelegt wird. Wer einen Tierwohlstall bauen will, sprich in ein Markenprogramm investiert, kann theoretisch morgen bauen, denn der künftige gesetzliche Mindeststandard wird bestimmt nicht über den Anforderungen der Tierwohlprogramme liegen. Schließlich müssen sich die Markenprogramme ja abheben, weil sie einen Mehrerlös brauchen.

Sie nehmen als einer von 18 Praxisbetrieben am Forschungsprojekt IBeSt teil. Was wollen Sie in Ihrem Stall verändern?

Wir haben derzeit konventionelle Buchten mit Quertrögen für zirka 15 Tiere. In jeder Kammer sind zehn Buchten. Wir möchten die linken fünf Buchten und die rechten fünf zu je einer großen Bucht zusammenzulegen. Am Boden schaffen wir verschiedene Bereiche: Im Fressbereich bleibt der Spaltenboden. Im Liegebereich probieren wir verschiedenste Materialien aus. Mir ist besonders wichtig, dass der Liegebereich trocken und sauber bleibt. Ich möchte auch Strohraufen anbringen. Ich weiß, dass sich der Konsument Tiefstreu wünscht, ich persönlich möchte aber nicht mehr, so wie früher, Stroh einstreuen.

Thomas Reisecker möchte je fünf Buchten zu einer großen zusammenlegen. Im Liegebereich wird er verschiedene Materialien ausprobieren. Auch
Strohraufen sind vorgesehen.
Quelle: zVg

Was erhoffen Sie sich von Ihrem Versuchsstall?

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