Fährt man im Salzburger Großarltal durch den Ortsteil Bretteneben, sieht man bereits von der Bundesstraße aus dunkle Ziegen mit mächtigen Hörnern auf einer unglaublich steilen Weide. Dabei handelt es sich um die Valdostana- oder Aosta-Ziegen von Gerhard Seer, dort bekannt als „Bretei“. Diese Ziegenrasse stammt aus dem norditalienischen Aostatal, das an Frankreich und die Schweiz grenzt. Das Markenzeichen dieser Rasse sind ihre beeindruckenden Hörner bei beiden Geschlechtern. Vermutlich entstanden diese durch jahrhundertelange Selektion im Zuge der Ziegen-Kampf-Tradition, die es in diesem Tal gibt. Gerhard Seer führt mit seinen Ziegen jedoch keine Schaukämpfe durch. Er hält sie seit über 20 Jahren aus Freude und – als Hornlieferanten. Die Hörner verwendet er für eine andere alpenländische Tradition: Krampusmasken. Perchten und Krampusse gibt es im Alpenraum in vielen Varianten. Sie können von November bis Januar bei Perchten- und Krampusläufen unterwegs sein oder mit und ohne Nikolaus von Haus zu Haus ziehen.
Bauer und Künstler
Ein Freund von Gerhard schnitzt die Masken aus Holz. Gerhard bemalt die Rohlinge mit Öl- und Acrylfarben und stattet sie mit Hörnern und Fellen aus. Außerdem näht er auch die Anzüge aus gegerbten Schaf- und Ziegenfellen, die er von Gerbereien in Tirol und Kärnten kauft. Um möglichst schöne und große Hörner zu erhalten, müssen die Tiere alt werden. Das heißt, dass die momentan etwa 35 Ziegen ein langes und glückliches Leben beim „Bretei“ führen. Zwischen den teilweise felsdurchsetzten und extrem steilen Weiden um den Hof stehen liebevoll in die Landschaft gebaute Hütten und Ställe mit begrünten Dächern, auf denen die Ziegen herumklettern. Die Böcke teilen sich die Weide mit Pferden, Schweinen und Hühnern. Die überzähligen Kitze verkauft der selbstständige Zimmerer und Maurer ausschließlich lebend. Alte Tiere werden geschlachtet und die Schädel ausgekocht. Wenn die Hörner für eine Maske verwendet werden sollen, zieht er sie von den Stirnzapfen am Schädel. Das hohle Horn wird dann mit Schrauben auf der Holzmaske befestigt.
Besondere Dimensionen
Je größer die Hörner, desto höher ihr Preis. Im Internet werden große Schaf- und Ziegenhörner im vierstelligen Eurobereich gehandelt. Diese Hörner erreichen jedoch oft nicht die Ausmaße, die sie bei Gerhards Ziegen erreichen. Einmal ließ er eine seiner Aosta-Ziegen von einem Steinbock decken. Der Nachkomme aus dieser Verbindung zeigte ein extrem massives Gehörn- und Körperwachstum. Der Bock war seinen Artgenossen körperlich derart überlegen, dass ihn Gerhard im Alter von vier Jahren aus seinem Bestand entnehmen musste. Gerhard verkauft seine Hörner nur auf den Masken an Kunden, nie lose. Und das, obwohl er für das Gehörn eines 14-jährigen Bocks, das von Hornspitze zu Hornspitze 156 cm misst, einen stattlichen Betrag bekommen würde. Diese Maße übertreffen nämlich den offiziellen Hornspannweite-Weltrekord eines Ziegenbockes bei Guinness World Records. Die ausgekochten Schädel dieser Ausnahme-Böcke hängen als Dekoration an der Hüttenwand. Das zeigt, dass Gerhard die Hornproduktion mit seinen Ziegen aus Liebhaberei und nicht aus Profitgier betreibt.
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