ForstFit fürs 21. Jahrhundert?

Fit fürs 21. Jahrhundert?

Mein Cousin war immer schon Jäger aus Leidenschaft. Bereits im zarten Alter von 16 Jahren löste er den Jagdschein, und nur wenige Jahre später wurde er zum Jagdaufseher ernannt. Sehr zum Ärger seiner Frau verbrachte er den Großteil seiner Freizeit im Revier, kümmerte sich um Kirrungen für das Schwarzwild, reparierte in die Jahre gekommene Reviereinrichtungen und entsorgte Rehe, die einem Auto zum Opfer gefallen waren. Doch manchmal ging die Leidenschaft auch mit ihm durch. Auf einer Pirsch traf er einmal auf ein Pärchen, das seinen Hund ohne Leine herumlaufen ließ. Rasch kam es zu einer hitzigen Diskussion zwischen meinem Cousin und den Spaziergängern, die er mit der Drohung beendete: „Sonst erschieße ich euren Hund.“ Da war es wieder, das Bild des mordlustigen Jägers. Einige Zeit später erzählte er mir von dem Vorfall, worauf ich ihn fragte, warum er den Leuten nicht erklärte, dass sie gegen das Jagdrecht verstoßen hatten. Darauf antwortete er etwas niedergeschlagen: „Es hat mir keiner beigebracht, das Jagdrecht zu diskutieren und zu erklären.“ Übrigens hat mein Cousin bis heute noch keinen einzigen wildernden Hund erschossen.

Moderne Zeiten

Diese Geschichte soll zeigen, wie sehr sich die Aufgaben des Jägers in den letzten Jahrzehnten verändert haben und welche Konflikte es zwischen Jägern und Gesellschaft gibt. Ein ordentlicher Waidmann muss sich heutzutage um weit mehr kümmern, als noch vor 50 Jahren, wo Wild, Hund und Jagdwaffe im Mittelpunkt standen. Die Erwartungen der Gesellschaft wachsen: Ob Verkehrsunfall oder Wildschaden, der Geschädigte ruft den jeweils zuständigen Jäger an. Dabei sind Jagdausübende aber keine staatliche Institution wie Polizei oder Rettung, sondern Privatpersonen, die der Leidenschaft der Jagd nachgehen. Trotzdem trägt der Jäger weit mehr Verantwortung als Anhänger anderer Freizeitaktivitäten. Was würden wohl die Mitglieder eines Motorradclubs sagen, wenn die Gesellschaft von ihnen verlangte, für die Schneeräumung im Winter zu sorgen, nur weil die Straße der Ort ist, wo sie ihr Hobby ausüben?

Vom Jäger jedoch werden diverse Dienstleistungen an der Gesellschaft erwartet. Erwartet, aber nicht anerkannt. Es hat natürlich auch etwas mit Ausbildung und Kompetenz zu tun, dass der Jäger ein vom LKW angefahrenes Wildschwein von seinen Leiden erlöst – und nicht der LKW-Fahrer mit dem Schraubenschlüssel auf das verletzte Tier eindrischt. Aber in dem Moment, in dem der Jäger das Wildschwein erschießt, erfüllt er für viele wieder das Klischeebild vom Tiermörder. Dabei ist die ganze Diskussion ziemlich verlogen: In einer zunehmend städtischen Gesellschaft, in der die Menschen weniger und weniger Bezug zur Natur haben – und der Tod ist ein Teil der Natur –, gibt es nur noch wenige Menschen, die es zustande bringen, ein Tier zu töten. Es ist dann nur logisch, dass derjenige, der das kann und tut, ein kaltblütiger und mordlüsterner Zeitgenosse sein muss.

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