Von Lena ADLHOCH, LANDWIRT Redakteurin
Bundesumweltministerin Hendricks hat eine Reihe von Initiativen gestartet. Zeitweise entstand der Eindruck, sie treibe Sie vor sich her.
Christian Schmidt: Die Umweltministerin hat es vorgezogen, die Landwirtschaft mit einer missglückten Plakatkampagne an den Pranger zu stellen – und sie hat sich lieber auf fremden Feldern getummelt, als ihre eigenen Baustellen anzugehen. Ich will Verbesserungen mit den Bauern erzielen, nicht gegen sie. Die geforderten Änderungen im Baurecht hätten für die Bauern schwerwiegende Konsequenzen gehabt. Das konnte ich nicht mittragen. Außerdem werden die Verschärfungen bei den Emissionsanforderungen, die das Umweltministerium geplant hatte, in dieser Legislaturperiode nicht kommen. Beim Klimaschutz haben wir uns aber auf vernünftige Ziele verständigt. Lebensmittel können nicht mit Null Emissionen hergestellt werden.
Bringt das neue Düngerecht den Landwirten Rechtssicherheit?
Ich habe ein Düngepaket geschnürt, das den Bauern Planungssicherheit für die nächsten Jahre gibt. Für die Landwirtschaft bietet die neue Verordnung die Chance, herunterzukommen von der Anklagebank. Die Landwirtschaft hat gezeigt, dass sie gesprächsbereit ist und zur Lösung beitragen will. Das ist aus meiner Sicht die zentrale Botschaft des neuen Düngerechts. Und das wird für viele Landwirte eine Herausforderung. Zudem haben wir mit der neuen Düngeverordnung eine gute Basis, um die Vorwürfe der Europäischen Kommission in Sachen Nitratrichtlinie zu entkräften.
Der Deutsche Tierschutzbund ist Ihnen – wie andere Organisationen auch – bei einem wichtigen Vorhaben wie dem staatlichen Tierwohllabel von der Fahne gegangen. Werden tragfähige Lösungen unmöglich?
Der Deutsche Tierschutzbund hat seine Erfahrungen mit seinem Premiumlabel gemacht. Ich denke, man wird zur Einsicht gelangen, dass die Anforderungen realistisch sein müssen, wenn man am Markt Erfolg haben will. Deswegen bin ich zuversichtlich, dass der Tierschutzbund an den Gesprächstisch zurückkehren wird.
Warum haben Sie beim Tierwohllabel erst das Label in Umrissen vorgestellt und die nationale Tierhaltungsstrategie nachgeliefert?
Die Gespräche zu den Tierwohlkriterien für die Schweinehaltung sind konstruktiv verlaufen. Es war aber von vornherein absehbar, dass es viele unterschiedliche Interessen gibt. Letztlich habe ich e i n e n Vorschlag für eine Einstiegsund eine Premiumstufe vorgelegt. Die Nutztierhaltungsstrategie ist inzwischen vorgestellt. Zur Umsetzung der Details werde ich jetzt mit der Branche, den Verbänden und den Ländern diskutieren. Ich will auch bei der Nutztierhaltungsstrategie den Weg des Dialogs mit der Branche gehen.
Fällt Ihr Tierwohllabel unter die Rubrik „Gut gedacht, schlecht gemacht“?
Wir sind ja noch nicht zu Ende mit dem Label. Der Erfolg des Labels entscheidet sich übrigens nicht im politischen Raum, sondern an der Ladentheke. Wir brauchen ein Bündnis mit den Erzeugern und Verbrauchern. Darum geht es.
Was ist das Ziel der Nutztierstrategie, die Sie vorgelegt haben?
Ich möchte den Landwirten soweit wie möglich Planungssicherheit für die nächsten Jahre geben. Unser Ziel ist es, Rahmenbedingungen zu schaffen, so dass Investitionsentscheidungen getroffen werden können. Die Tierhalter müssen wissen, welche Anforderungen auf sie zukommen. Meine Strategie ist ein eindeutiges Bekenntnis zur Tierhaltung in Deutschland. Das bedeutet ein Ende der „Pilatus-Politik“, nach der Tierwohl losgelöst von den ökonomischen Konsequenzen betrieben wird und man sich anschließend die Hände in Unschuld wäscht, wenn die Tierhaltung aus Deutschland abwandert. Stattdessen will ich das Tierwohl Stück für Stück verbessern und gleichzeitig dafür sorgen, dass es wirtschaftlich machbar ist.
Ein Bundesministerium kann keine gesetzlichen Änderungen vorgeben. Welchen Wert hat also eine solche Strategie?
Ich zeige den Handlungsbedarf auf, der in der Tierhaltung besteht, und skizziere die nötigen Maßnahmen. Entscheidend ist ein zeitlicher Rahmen, in dem bestimmte Ziele erreicht werden sollen. Dabei spielen Übergangsfristen eine wichtige Rolle.
Übergangsfristen erwarten die Sauenhalter beim Thema Kastenstandhaltung. Bekommen sie Klarheit?
Ich habe eine Initiative ergriffen, um zu einer Lösung zu kommen. Das geht nicht von einem auf den anderen Tag. Die bisherigen Gespräche stimmen mich zuversichtlich, dass wir zu vernünftigen Lösungen kommen werden. Ich trete für vernünftige Übergangsregelungen ein.
An welche Fristen wird gedacht?
Es geht um Zeiträume zwischen zehn und zwanzig Jahren.
Dringend gelöst werden muss der Konflikt zwischen Anforderungen des Tierschutzes und des Umweltschutzes, beispielsweise bei Offenställen. Wie gehen Sie damit um?
Nach meiner Überzeugung kann eine derzeitige Entscheidung nur zugunsten des Tierwohls ausfallen. Das bedeutet aber nicht, dass wir nicht gleichzeitig an Lösungen arbeiten, der Umwelt gerecht zu werden. Vielleicht müssen wir in Offenställen über ein angepasstes Management diskutieren, um Emissionen zu mindern.
In Sachen Agrarpolitik setzt Frankreich eher auf eine Marktsteuerung. Deutschland hat einen marktliberalen Kurs eingeschlagen. Bleibt dieser bestehen?
Ich denke, dass sich die französische Regierung uns annähern wird. Das zeigt zumindest die Erfahrung während der Milchkrise. Hinsichtlich der Forderung nach Mengensteuerung auf dem Milchmarkt war mein französischer Kollege mindestens genauso zurückhaltend wie ich.
Die Stärkung der ersten Hektare ist ein Indiz für eine insgesamt eher restriktivere Agrarstrukturpolitik. Müssen Bund und Länder stärker in die Agrarstrukturentwicklung eingreifen?
Ja. Deutlich wird das beim Thema Bodenmarkt und nichtlandwirtschaftliche Investoren. Dabei handelt es sich nicht um einen vorübergehenden Trend. Die Situation bedroht bäuerliche Betriebe in ihrer Entwicklung. Ich bin dafür, dass wir das Bodenrecht noch stärker an der landwirtschaftlichen Nutzung ausrichten und aktive Landwirte bevorzugen. Ansatzpunkte sind neben dem Grundstückverkehrsgesetz das Steuerrecht, das Gesellschaftsrecht oder auch die Förderpolitik. Dringend geregelt werden sollte auch der Bodenerwerb über Anteilskäufe. Hier sind die Länder gefragt.
Ihr Ministerium soll sich stärker auf die ländlichen Räume fokussieren. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie dies in der kommenden Legislaturperiode umsetzen?
Politik ist immer an Legislaturperioden gebunden. Ich will die Ernte auch einfahren, die noch wachsen muss. Ich gehöre jetzt 27 Jahre dem Deutschen Bundestag an, in Oppositionsund in Regierungszeiten, und sitze fast zwölf Jahre auf der Regierungsbank. Ich sehe die Dinge gelassen.
Nur noch wenige Wochen verbleiben bis zum Ende der Legislaturperiode. Sind Sie zufrieden mit dem, was Sie erreicht haben?
Insgesamt ja. Beim Tierwohl und bei den ländlichen Räumen haben wir viel bewegt. Es bleiben aber auch noch Aufgaben für meine nächste Legislaturperiode. Ich denke dabei an meine Initiative für strukturelle Verbesserungen im Milchmarkt und insbesondere eine Modernisierung der Lieferbeziehungen. Mein Branchendialog hat hier einiges auf den Weg gebracht; ich hätte mir aber noch mehr vorstellen können.
Das Interview führte der Agrar-Pressedienst Agra-Europe.
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