SchweinFerkelproduktionIsofluran-Narkose: Das unsichtbare Risiko

Isofluran-Narkose: Das unsichtbare Risiko

Quelle: Galyna Syngaievska/shutterstock

Bis zum Stichtag am 01. Juli hatten insgesamt 3.500 deutsche Ferkelerzeuger Fördermittel für die Anschaffung eines Isofluran-Narkosegerätes beantragt. Das war fast die Hälfte aller Sauenhalter. Nun hat das Bundeslandwirtschaftsministerium reagiert und die Antragsfrist bis zum 14. September verlängert. Statt auf die Impfung mit ImproVac und die Ebermast scheint ein großer Teil der Landwirte auf die Ferkelkastration unter Vollnarkose zu setzen. Dabei birgt diese Alternative die größten Gesundheitsrisiken für den Anwender.

Müdigkeit, Schwindel und Kopfschmerzen

Das Narkosemittel Isofluran ist bei Raumtemperatur eine klare, leicht flüchtige Flüssigkeit mit stechendem Geruch. Im Narkosegerät wird das Isofluran erwärmt und verdampft dadurch. Das Ferkel nimmt es mit der Atemluft über die Maske auf. Schließt diese Maske nicht richtig ab oder ist das Gerät undicht, tritt der Dampf aus und gelangt in die Raumluft. Dann besteht die Gefahr, dass der Landwirt ihn einatmet.

Isofluran kann dabei die Atemwege und Schleimhäute reizen. Nach Angaben der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forstwirtschaft und Gartenbau (SVLFG) können bei einem unsachgemäßen Umgang mit dem Narkosegas Müdigkeit, Schwindel und Kopfschmerzen auftreten. Zudem kann Isofluran beim Einatmen das Herz-Kreislaufsystem und das zentrale Nervensystem schädigen. Bei einer Untersuchung in der Schweiz im Jahr 2013 gab ein Viertel der Betriebsleiter in Ferkelställen an, schon selber Symptome gehabt zu haben.

Wie viel Isofluran unbedenklich eingeatmet werden kann, ist derzeit in Deutschland noch nicht eindeutig geregelt. Dazu muss ein sogenannter Arbeitsplatzgrenzwert (AGW für Isofluran festgelegt werden. Dieser gibt die Konzentration des Gases in der Umgebungsluft an, bei der es noch zu keinen Gesundheitsschäden kommt. Der AGW ist so berechnet, dass man theoretisch täglich acht Stunden und an fünf Tagen pro Woche mit Isofluran arbeiten könnte. Die Grenzwerte in anderen Staaten unterscheiden sich stark. Während er in Kanada bei 15 mg je Kubikmeter Luft liegt, hat ihn die Schweiz mit 77 mg pro Kubikmeter fünffach höher angesetzt.

Tab: Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) für Isofluran in verschiedenen Staaten

Staat                              


AGW (mg/m3)


Österreich 80
Kanada 15
Finland 77
Irland 380
Israel 15
Polen 32
Spanien 383
Schweden 80
Schweiz 77
Vereinigtes Königreich 383

Vorsicht auch nach der Narkose

Landwirte sind nicht nur während der Arbeit am Gerät dem Narkosegas ausgesetzt. Das ergab eine Untersuchung der SVLFG. Auch beim Transport der Ferkel zurück zur Mutter und während des Aufwachens kommt es zu erhöhten Isoflurangehalten in der Umgebungsluft. Die Ferkel bauen das Gas im Körper nicht ab, sondern atmen den überwiegenden Teil nach der Narkose wieder aus. Wer die Tiere unmittelbar nach der Kastration in einer Wanne durch den Stall trägt oder in der Abferkelbucht abstellt, atmet das Isofluran unweigerlich selbst ein.

Ferkel atmen das Isofluran nach der Narkose wieder aus. Eine Gefahr für den Transporteur.
Quelle: ggamies/shutterstock

Das alles zeigt, wie wichtig es ist, sorgfältig mit Isofluran umzugehen. Nicht umsonst ist ein Sachkundelehrgang verpflichtend. Hier lernen die Anwender den richtigen Umgang mit den Geräten, aber auch alles weitere zu Lüftung und Lagerung von Isofluran. Nur wer die Inhalte dieser Lehrgänge auf dem Betrieb vollständig umsetzt, kann die Gesundheitsrisiken auf ein Minimum reduzieren. Ob das in der Praxis jedoch so funktioniert, bezweifelt unter anderem Thomas Blaha von der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz: „Es gibt keine Garantie, dass alle Teilnehmer später das tun, worüber sie in den Kursen geprüft wurden. Die Menschen haben unterschiedliche Auffassungen zu dem, was man denn unbedingt einhalten muss. Oder die Person am Betrieb, die den Sachkundenachweis hat, wird krank oder hat Urlaub. Die Abferkelungen gehen weiter und dann macht es jemand anderes.“

Vier Schritte zum Schutz

Um genau das zu vermeiden, setzt die SVLFG auf das STOP-Prinzip. Grundsätzlich sollte ein Betrieb prüfen, ob die Alternativen Ebermast oder Impfung nicht eine bessere Lösung wäre. Somit könnte die Isofluran-Narkose ersetzt werden. Ist das nicht möglich, muss der Betriebsleiter entsprechende technische und bauliche Maßnahmen ergreifen. Dazu gehört beispielsweise eine gute Lüftung vor, während und nach der Narkose. Sind nicht ausreichend Fenster und Türen vorhanden, muss eine Lüftungsanlage mit bodennaher Luftabsaugung und 3- bis 5-facher Luftwechselrate eingebaut werden.

Im nächsten Schritt kommen die organisatorischen Schutzmaßnahmen. Alle Personen, die das Narkosegerät bedienen, müssen eine Unterweisung dafür haben. Diese sollte man als Betriebsleiter regelmäßig wiederholen, um die Risiken im Bewusstsein zu halten. Zuletzt sind die persönlichen Schutzmaßnahmen und -ausrüstungen wichtig. Neben Schutzhandschuhen, die allein aus hygienischen Gründen sinnvoll sind, gehört auch immer eine Atemschutzmaske mit AX-Filter in greifbarer Nähe dazu. Sollte einmal unkontrolliert Isofluran austreten, kann man sich dadurch schnell schützen.

Tab: Mit den 4 Schritten des STOP-Prinzips, können Sie sich und Ihre Mitarbeiter schützen.

Schritt                                                                        


Diese Fragen sollten Sie sich stellen?


Substitution

 

  • Gibt es Alternativen zur Isofluran-Narkose?
  • Ebermast? Impfung?
Technische Schutzmaßnahmen

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Wie gut ist die Lüftung im Kastrationsbereich?
  • Reicht die natürliche Lüftung aus oder brauche ich eine Lüftungsanlage?
  • Arbeitet das Narkose-Gerät ordnungsgemäß und ist es dicht?
  • Sind die Schläuche und Kabel so angeordnet, dass niemand darüber stolpert?
  • Wird das Gerät regelmäßig geprüft und gewartet?
  • Lagert das Isofluran sicher in einem abschließbaren, kühlen Raum?
Organisatorische Schutzmaßnahmen

 

 

 

 

  • Sind alle Personen, die das Gerät bedienen sachkundig?
  • Werden die Mitarbeiter regelmäßig unterwiesen?
  • Gibt es eine Betriebsanweisung für das Gerät?
  • Gibt es eine Gefährdungsbeurteilung “Isofluran” für den Betrieb?
Persönliche Schutzmaßnahmen

 

 

  • Gibt es Schutzkleidung für die Kastration, wie z.B. Handschuhe?
  • Liegt eine Atemmaske mit AX-Filter bereit?

Alle diese Maßnahmen müssen Ferkelerzeuger im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung nach dem Arbeitsschutzgesetz ermitteln. Dafür stellt die SLVFG den Landwirten drei Praxishilfen zur Verfügung. Anhand einer Checkliste können die Sauenhalter die Gefährdungsbeurteilung Schritt für Schritt auf ihrem eigenen Betrieb erstellen. Die Muster-Betriebsanweisung „Isofluran“ ist eine Vorlage, die man für die Unterweisung von Mitarbeitern verwenden kann. Sie muss auf den Betrieb entsprechend angepasst werden. Als Drittes gibt es eine Information, wie man Isofluran am sichersten lagert und leere Behälter und Material entsorgt.

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