Entschlossen setzt Helmut Tschiderer am oberen Ende des Stammes zu einem ersten schrägen Schnitt an. Das Heulen seiner Motorsäge erfüllt die Werkstatt, in der es nach Benzin und frischem Holz riecht. Tschiderer stellt die Säge ab und wischt mit seinen behandschuhten Händen die Sägespäne von der frisch entstandenen Fläche. Er greift zu einem Stift und dem Blatt Papier, auf dem er das Werkstück skizziert hat. Konzentriert überträgt er zuerst die Mittellinie und anschließend ein Raster auf das Holz. Der Profi weiß, dass er präzise arbeiten muss, damit aus dem groben Lärchenstamm vor ihm am Ende eine elegante Dame entsteht. Der gebürtige Tiroler, der jetzt in Graubünden in der Schweiz lebt, ist eigentlich gelernter Koch. Als er seine Berufung für die Bildhauerei entdeckt, entscheidet er sich im zweiten Bildungsweg für eine Lehre zum Bildhauer. „Die Motorsäge ist mir dann im Laufe der Zeit irgendwie passiert“, schmunzelt Tschiderer, während er einen Ausfallschritt macht und die Säge wieder startet. Mit gezielten Schnitten entfernt er das Holz links und rechts vom späteren Kopf.
Vielfalt leben
Vor rund zehn Jahren nahm er das Schnitzen mit der Motorsäge in sein Portfolio auf. „Aber ich lebe von der Vielfalt“, weiß Tschiderer, der sich nicht nur dem Holz verschrieben hat. Er arbeitet genauso mit Stein und Marmor und gießt Skulpturen aus Bronze oder Aluminium. Figuren mit der Motorsäge schnitzt er aus vielen verschiedenen Holzarten. Tschiderer erklärt: „Grundsätzlich lässt sich jedes Holz in beliebiger Stärke verwenden, solange es nicht faul oder morsch ist.“ Er tritt einen Schritt zurück und beäugt sein Werk, das einer Frau bisher nur wenig ähnelt. Schon gestern hat er dafür ein Modell aus Ton geformt.
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