Agrarpolitik„Schon die letzte Agrarreform war ein Rückschritt“

„Schon die letzte Agrarreform war ein Rückschritt“

„Ich habe große Bedenken, dass wir uns zu sehr von der Gemeinsamkeit der Agrarpolitik entfernen.“

Knapp zusammengefasst: Wie bewerten Sie die von EU-Agrarkommissar Phil Hogan vorgelegten Reformvorschläge zur Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) nach 2020?

Albert Deß: Ich habe große Bedenken, dass wir uns zu sehr von der Gemeinsamkeit der Agrarpolitik entfernen. Schon die letzte Agrarreform war ein Rückschritt, da wir beispielsweise mehr freiwillige gekoppelte Zahlungen zugelassen haben. Wenn die Zuständigkeit bei den Umweltmaßnahmen jetzt verstärkt auf die Mitgliedstaaten verlagert wird, gibt es nicht mehr viel Gemeinsames. Zudem bin ich der Meinung, dass mit der Reform kein Bürokratieabbau verbunden ist; vielmehr wird die Bürokratie von Brüssel auf die Mitgliedstaaten verlagert. Auch wenn der Agrarkommissar wiederholt das Gegenteil behauptet, wird es dadurch nicht richtiger.

Es gibt Kritiker, die sagen, dass gerade in Deutschland zusätzliche bürokratische Hürden drohen.

Korrekt, diese Gefahr besteht bei unserem föderalen System; das können wir nicht zulassen. Weitere Wettbewerbsverzerrungen würden entstehen, da die Umsetzung in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich wäre.

Die Kommission sagt doch, dass das anhand eines gemeinsamen Rahmens von Brüssel aus überprüft werden solle.

Das stimmt, aber wie will Brüssel die Ziele dieses Rahmens zeitnah überprüfen? Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Gerade Erfolge im Umweltbereich sieht man meist erst Jahre später.

Sie sind langjähriger Agrarsprecher der größten Fraktion im EU-Parlament. Wie schätzen Sie mit Blick auf die GAP 2020 die Stimmung unter den Abgeordneten ein?

Keine Fraktion im EU-Parlament ist wirklich begeistert von Hogans Vorschlägen.

Auch die Zustimmung von Seiten der Mitgliedstaaten ist nicht besonders groß. Wie sollte damit umgegangen werden?

Ich hatte bereits bei der vorherigen Agrarreform vorgeschlagen, einen Katalog von Umweltmaßnahmen zu erstellen, aus dem die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen auswählen können. An Hogans Stelle würde ich die Mitgliedstaaten fragen, welche Agrarumweltmaßnahmen sich die Länder bei der GAP-Reform wünschen. Denn Sizilien wünscht sich beispielsweise etwas anderes als Finnland. Am Ende könnte man sich auf einen Katalog mit vielleicht 18 Umweltmaßnahmen einigen, aus denen die Mitgliedstaaten wählen können.

Wie wollen Sie mit den drohenden Kürzungen im EU-Agrarbudget umgehen? Die EU-Agrarpolitiker haben sich parteiübergreifend weitgehend gegen Einschnitte ausgesprochen und eine Beibehaltung der bisherigen Fördermittel gefordert.

Ich habe schon zu Beginn dieser Wahlperiode Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Agrarkommissar Hogan angeboten, auf fünf Prozent oder auch etwas mehr der Agrargelder zu verzichten, wenn im Gegenzug 50 Prozent der Bürokratie abgebaut werden. Dieser Vorschlag wurde leider nicht weiterverfolgt.

Teilen Sie die Forderung, den Beitrag der Mitgliedstaaten auf 1,3 % des Bruttonationaleinkommens (BNE) zu erhöhen, um damit letztlich auch ein stabiles EU-Agrarbudget zu realisieren?

Es gab bereits beim letzten Mehrjährigen Finanzrahmen die Möglichkeit, die Beiträge auf bis zu 1,25 Prozent des BNE zu erhöhen. Wie der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte, bin ich der Meinung, dass die Kommission zunächst prüfen sollte, ob es nicht effektivere Einsparmöglichkeiten im Haushalt gibt. Insgesamt gesehen wäre es aber durchaus sinnvoll, wenn gewisse Aufgaben gesamteuropäisch geregelt würden; dann würden im Gegenzug die Mitgliedstaaten entlastet. Wenn neue Aufgaben hinzukommen, müssten die EU-Staaten auch bereit sein, etwas mehr zu geben.

Für wie wahrscheinlich halten Sie eine zeitnahe Einigung der Mitgliedstaaten auf ein höheres EU-Budget?

Das Problem ist, dass bei der Finanzierung der Europäischen Union Einstimmigkeit notwendig ist. Ich glaube zwar nicht, dass die Österreicher am Schluss nicht kompromissbereit sind. Am schwierigsten wird es meiner Ansicht nach mit den Niederländern werden. Trotzdem müssen wir irgendwo einen gemeinsamen Nenner finden. Meine Linie ist jedenfalls ganz klar. Das EU-Agrarbudget darf nicht mehr gekürzt werden als der Durchschnitt der Kürzungen in anderen EU-Haushalten.

„Keine Fraktion im EU-Parlament ist wirklich begeistert von Hogans Vorschlägen.“

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