BioAcker und GrünlandBio-Verband in der Krise

Bio-Verband in der Krise

Wenn sich Verband und Mitglieder sich verbeissen…
Quelle: Böck

Im Sommer 2024 sind Bio-Bauern in den österreichischen Tages- und Wochenmedien präsent wie selten zuvor. Mehrere Zeitungen und Magazine berichten über eine Revolte im Bioland sowie über umstrittene Importe von Bio-Getreide in das Bio-Austria-System. Ins Spiel gebracht hat diese Debatte eine Gruppe von Bio-Bauern und Personen mit Naheverhältnis zur Bio-Branche. Sie sind sauer weil die Preise für Ackerfrüchte in den letzten Jahren abgestürzt sind. Als Gründe für den Preisverfall werden meist die hohe Inflation sowie der damit verbundene Nachfragerückgang nach Bio-Lebensmitteln ins Spiel gebracht. Doch diese mutmaßlich recht simplen Gründe sind für die Gruppe von Bio-Bauern nicht ausreichend. Ihrer Meinung nach steckt mehr dahinter. Zahlreiche und vor allem ungerechtfertigte Importe seien für den Preisverfall verantwortlich. Für die Genehmigung von Importen in das Bio-Austria-System ist beim größten Bio-Verband Österreichs die Bio Austria Marketing (BAM) zuständig. Die Gruppe von Bio-Bauern und Leuten mit Naheverhältnis zur Bio-Branche wittert hier schon länger Ungereimtheiten. Man schließt sich zur losen Gruppe unter dem Namen „Bio Initiative Fairplay Österreich“ zusammen und schreibt einen Fragenkatalog mit Bitte um Aufklärung bezüglich der „Bio Austria Importgenehmigungen seit 1.1.2019“. Man wolle Gewissheit, und Einsicht in ein System, in das kaum jemand Einblick hat. Die Antwort der BAM ist unbefriedigend. Der Streit eskaliert und wird in den Medien vor den Augen der verunsicherten Bio-Konsumenten ausgetragen.

LANDWIRT bio hat im Zuge der Recherchen zu dem Thema sowohl mit der Bio Initiative Fairplay Österreich als auch mit dem Geschäftsführer der BAM, Hermann Mittermayr, gesprochen. Die Gesprächspartner aus der Initiative wollten aus Angst vor Sanktionen durch Bio Austria anonym bleiben.

Datenschutz als Grund

Die gesamten Importzahlen werden seit 2023 online auf der Website der Bio Austria präsentiert, so Mittermayr. Genauere Auskünfte, über welchen Händler, welche Mengen, von welchen Produkten der Import gestattet wurde, oder gar eine Einsicht in die Dokumentation, könne die BAM aber nicht nach außen geben, erklärt er weiter. Grund dafür sei der Datenschutz. Man hätte sich vertraglich verpflichtet, diese Informationen nicht zu veröffentlichen. Ansonsten würde man sich rechtlich angreifbar machen.

Die befragten Bio-Bauern aus der Initiative glauben allerdings, dass diese Ausrede vorgeschoben wird, damit die Fehler im Importsystem nicht überprüft werden können. Denn gerade die Importe sind den Bio-Bauern ein Dorn im Auge. Die würden die Preise negativ beeinträchtigen. Gerade in dem Jahr, in dem die Preise so abgesackt sind, seien plötzlich große Mengen importiert worden, so der Vorwurf.

Die offiziellen Zahlen
werden auf der Website der Bio Austria
veröffentlicht.
Quelle: Bio Aústria Marketing

Keine Einbindung in die Preise

Dem widerspricht Hermann Mittermayr vehement. „Die im Vergleich kleinen Mengen, die in das Bio-Austria-Futtermittelsystem importiert wurden, verantworten keinesfalls einen solchen Preisabsturz.“ Laut Mittermayr benötigte das BAM-System in den vergangenen fünf Jahren durchschnittlich 220.000 t Futterrohstoffe landwirtschaftlicher Herkunft im Jahr. „Nur sechs Prozent des durchschnittlichen Gesamtvolumens machen Importe aus“, so Mittermayr, der gleichzeitig betont, dass man in die Kaufpreise nicht eingreifen würde.

Frühe Genehmigungen

Trotz allem sind die Bio-Bauern hier nicht überzeugt, sei die BAM zuletzt doch sehr sorglos mit den Importen umgegangen, so der Vorwurf. So wurden 2022 zeitnah nach der heimischen Maisernte Importe von Bio-Körnermais genehmigt. „Dabei hatte damals noch keiner einen Überblick über die eigene Erntemenge“, ist sich ein wütender Bio-Bauer sicher. „Und überhaupt: Warum soll man Ware importieren, bevor die Lager leer sind. Die BAM ist ja eigentlich genau dafür da, Importe nur im Notfall zuzulassen, um eben einem Preisverfall bei den Ackerfrüchten entgegenzuwirken.“

Gegen diese Vorwürfe setzt sich Mittermayr zur Wehr: „2022 war ein schlechtes Jahr für die Herbstkulturen Mais und Sojabohne. Experten haben bereits früh kommuniziert, dass bei Mais und Soja die Erträge um mindestens 30 % geringer ausfallen würden. Damals sind die Händler und Mischfutterwerke auch schon im Frühherbst mit der Forderung nach pauschalen Importen an uns herangetreten. Darauf haben wir uns nach intensiven Gesprächen im Bundesvorstand und mit den Branchen nicht eingelassen.“ Erst Anfang November hätte man dann erste Importanträge der Händler bearbeitet. Bei Importanträgen führt die BAM routinemäßig eine Marktabfrage durch. Hier werden Händler und Lagerhalter per E-Mail angefragt, ob heimische Bio-Austria-Ware verfügbar ist. Das wurde damals vorschriftsmäßig gemacht, wie Mittermayr betont: „Die Rückmeldungen darauf waren aber recht bescheiden.“ Dadurch ging ein Importfenster auf und blieb bis kurz vor Weihnachten geöffnet.

Mangelhafte Umfragen

Hinsichtlich der Marktumfragen kritisiert die Initiative, dass die BAM nur wenige Tage Zeit zur Beantwortung lässt. Außerdem würde man nicht nachhaken, wenn keine Antwort kommen würde.

Hier entgegnet die BAM, dass jeder Teilnehmer hier gut und gerne mehr Mailadressen von mehreren Mitarbeitern im Verteiler hinterlegen kann. So sei es bei größeren Händlern auch üblich. So könne man Abwesenheiten sicher ausgleichen.

Mengen waren da

Am Ende gelangte im Spätherbst 2022 über dieses Importfenster einiges an Mais (mindestens 2.000 t) in das Bio-Austria-System. Das erhitzt die Gemüter der Ackerbauern, denn die BAM – so der Vorwurf – hätte wissen müssen, dass um diese Jahreszeit sicher noch genügend Mais in den Lagern der Händler liegen würde. Abfrage hin oder her.

Dass die Lager im Spätherbst nicht leer sein können, ist selbstredend, so der Geschäftsführer, aber: „Es geht bei der Marktabfrage darum, welche Mengen aktuell zum Verkauf angeboten werden. Und damals war kein Angebot da. Die Marktabfrage hat damals lediglich sieben Prozent Angebot ergeben. Immerhin geht es um das Eigentum der Händler und Bauern, über das sie frei verfügen können. Darüber kann ich als Geschäftsführer der Bio Austria Marketing nicht bestimmen.“ Die Händler und Bio-Bauern würden die zertifizierte Ware ja auch nicht zwingend ins Bio-Austria-System verkaufen müssen.

Am Import verdienen

Ein Kritikpunkt, den die Initiative hier auch anführt, ist der Umgang mit den Zulassungsgebühren bei Importen. Die BAM hebt für jeden Import zu Bio-Austria-Verbandsware eine Gebühr je Tonne Ware ein. Je nach Herkunft werden da vom Händler bis zu 20 Euro pro t eingefordert. Kritisch betrachtet die Gruppe dabei die Tatsache, dass die BAM auf diese Weise mit den Importen Geld verdient. Was mit dem Geld geschehe, würde man allgemein sehr gerne wissen.

Selbst bereichern würde sich die BAM mit den Gebühren nicht, geht Mittermayr wieder in die Offensive: „Mit den Gebühren bezahlen wir die Prozesse, um besagte Importware entsprechend streng zu kontrollieren. Es werden Herkunft, Rückstände und Gentechnikfreiheit geprüft. Das kostet alles viel Geld.“ Die Abwicklung dieser Importe sei allgemein mit großen Aufwendungen verbunden.

Vor allem der Fehler mit dem ukrainischem
Bio-Mais, der ins System gelangt ist wiegt, für die Initiative schwer.
Quelle: Agrarfoto

Was damals geschah

Besonders wütend sind die Bio-Bauern von der Initiative über die Genehmigung von 2.000 t Körnermais aus der Ukraine in dieser Zeit. Dabei hätte die Geschäftsführung der BAM laut Initiative bis zum Sommer 2024 Importe aus der Ukraine ausgeschlossen.

„Den Fehler hat die BAM bereits öffentlich eingeräumt“, stellt Hermann Mittermayr klar. „Da hat eine Mitarbeiterin fälschlicherweise Rumänien mit der Ukraine verwechselt. Jeder macht mal Fehler.“ Personelle Konsequenzen hat der Fehler in der BAM nicht gebracht. Man könne und wolle nicht wegen eines einzelnen Fehlers Mitarbeiter kündigen. Immerhin zertifizieren sie mehrere 100.000 t österreichische Ware jährlich. In diesem Punkt gelobt die BAM aber Besserung. „Wir haben das EDV-System modifiziert und bei Importfreigaben das Vier-Augen-Prinzip eingeführt.“

Fehlende Kontrolle

Die Bauern der Initiative vertrauen dem Importsystem – den Aussagen und Rechtfertigungen der BAM zum Trotz – kaum. „Das ganze System ist aufgrund des vorgeschobenen Datenschutzes eine regelrechte Blackbox“, betont einer der Bio-Bauern seine Kritik speziell in Richtung Geschäftsführung. „Hier braucht es eine Kontrollinstanz, die über der BAM steht.“

Die gibt es laut Mittermayr aber bereits. So wird die BAM einmal jährlich von einem externen Wirtschaftsprüfer geprüft. „Zudem ist die Bundesobfrau in ihrer Funktion als Gesellschafterversammlung jederzeit berechtigt, alles zu kontrollieren, Berichte zu verlangen und Weisungen zu geben“, so Mittermayr. Ebenso hätte ihr Stellvertreter freien Zugang zu den Daten. Den einzelnen Funktionären könne man hingegen rein rechtlich nicht alles offenlegen.

Ausgang offen…

Die Fronten sind verhärtet. Von einem fehlerhaften System will die Bio Austria Marketing GmbH nicht sprechen. Als Impulsgeber der Eskalation vermutet man hingegen einen ehemaligen Partner und seiner Beratungsfirma, von denen man sich getrennt hat. Dieser – so die Vermutung – habe die Bio-Bauern aufgehetzt.

Zurück bleiben eine öffentliche Debatte, verunsicherte Konsumenten sowie und ein undurchsichtiges
Geflecht an Anschuldigen, Gegendarstellungen und Gerüchten.

 

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