Bauern haben es heute nicht leicht. Sagen die Bauern jedenfalls von sich. Und beklagen sich, weil sie meinen, von der Gesellschaft nicht mehr anerkannt zu werden. Doch das stimmt nicht. Bauern sind sehr beliebt, in den Umfragen zu den anerkannten Berufen landen sie jedes Mal unter den vorderen Plätzen. Ich weiß das von mir selbst: wenn jemand meiner Mitbürger mal Hilfe braucht, sei es beim Absägen eines Astes, dem Transport von Kies für sein neues Eigenheim oder wenn der Traktor, der Frontlader für irgendeine Tätigkeit benötigt wird, fragt man bei mir an. Und als guter Nachbar hilft man dann auch. Ist doch selbstverständlich. Und genau diese Nachbarn, denen Du eben noch geholfen hast, beklagen sich bitterlich über die böse Massentierhaltung und das durch „Pestizide“ vergiftete Essen. Und auch darüber, dass die Kartoffeln in diesem Jahr so teuer geworden sind.
Was sagt uns das? Unsere Mitbürger mögen Landwirte, lehnen aber unsere Landwirtschaft ab. Doch das betrifft nur die „industrielle Landwirtschaft“, der Bio-Bauer ist von diesen Urteilen ausgenommen.
Doch warum ist das so? Und ist es wirklich so? Woran denken Sie, wenn Sie über eine Brücke fahren? Ehrliche Antwort: an nichts. Denn würden Sie jedes Mal beim Überqueren einer Brücke über eine mögliche Einsturzgefahr nachdenken, würden Sie nicht vom Fleck kommen. Und genau so geht es den meisten Käufern von Lebensmitteln. Sie denken beim Kauf erst einmal auch an nichts. Sie kaufen das, was sie immer einkaufen, was ihnen schmeckt und was gerade im Angebot ist. Gut, bei Umfragen sieht das etwas anders aus. Da kaufen die allermeisten bio, regional und saisonal. Aber wie gesagt, nur in Umfragen. Wie sagte neulich ein Professor: „In Umfragen wird soziale Schizophrenie empirisch abgebildet“. Übrigens machen wir Bauern das genau so, wir sind da nicht anders.
Woher kommt also die wachsende Kritik an der Landwirtschaft? Immer mehr Menschen leben in Städten und haben den Bezug zu den Lebensmitteln verloren. Lebensmittel kommen aus dem Supermarkt und dort kann man nicht sehen, wie sie erzeugt wurden. In den Schulen wird es auch nicht thematisiert und so ist die Verbindung zwischen Bauern und Bürgern abgebrochen und wir Bauern unternehmen auch nichts, dass sich das ändert. Wer macht aber Meinungen? Meinung macht der, der den Mund aufmacht und da sind wir Bauern eher Sprachökonomen. Wir reden von Natur aus nicht mehr, als unbedingt sein muss.
Kommunikation findet auch zunehmend über die sozialen Medien statt, vor allem bei den jüngeren Leuten. Und da tauchen Landwirte schon gar nicht auf. Wer von Ihnen hat den eine eigene Facebook-Seite, ist bei Twitter oder Instagram aktiv? Wohl die wenigsten. Wer aber dort nicht auftaucht, den gibt es nicht. Die Follower oder „Freunde“ von Natur- und Tierschützern gehen aber in die Hunderttausende! Da nehmen sich die 21.000 Abonnenten von „Bauer Willi“ geradezu mickrig aus.
Da kann man halt nichts machen…
…ist dann auch die typische Reaktion meiner Berufskollegen. Sie igeln sich ein, verstecken sich auf ihren Höfen, jammern über ihr schlechtes Image und wollen jeder Konfrontation am liebsten aus dem Weg gehen. Dabei machen die Bauern jeden Tag Öffentlichkeitsarbeit, nämlich spätestens dann, wenn sie mit dem Traktor vom Hof fahren. Jetzt begegnen sie ganz normalen Menschen. Sie können jetzt mit 40 km/h über den Wirtschaftsweg donnern und den Mitbürger „einsauen“. Das war dann Öffentlichkeitsarbeit, aber keine gute. Sie können aber auch langsam am Spaziergänger vorbeifahren. Wenn der Ihnen dann einen Vogel zeigt (soll ja schon mal vorgekommen sein) machen Sie etwas ganz überraschendes: halten Sie an, stellen den Traktor ab und fragen Sie den Mitbürger, warum er das getan hat. Warten Sie ab, bis er geantwortet hat. Sie werden überraschende Antworten bekommen, auf die Sie dann reagieren können. Beispiel: „Müssen Sie so schnell fahren?“ Ihre Antwort: „Finden Sie, dass ich zu schnell gefahren bin? Habe ich Ihnen irgendwelche Unannehmlichkeiten bereitet?“ Wenn Sie das nicht haben, müsste er Ihnen ja wahrheitsgemäß antworten. „Das zwar nicht, aber….“. Und jetzt kommen Sie vielleicht in ein ganz anderes Gespräch, das so vorher so nicht geplant war. Dann grüßen Sie freundlich und setzen Ihre Fahrt fort. Wetten, dass Sie und Ihr Gesprächspartner sich jetzt kennen? Und vielleicht bei der nächsten Begegnung freundlich grüßen?
Kennen Sie WhatsApp? Wenn nicht, können Sie diesen Abschnitt überspringen. Wenn Sie aber WhatsApp haben, warum gründen Sie keine Gruppe „Nachbarn“. Landwirte im Gülle-Gürtel in Weser-Ems machen das und warnen so ihre Nachbarn vor. „Übermorgen keine Wäsche raushängen, es könnte etwas streng riechen“ steht dann in einer solchen Nachricht, die an 10, 15 oder mehr Nachbarn geht. Wetten, dass Sie eine Antwort bekommen? „Viel Glück, und vergesse nicht die Straße sauberzumachen“ oder „Hoffentlich passt das Wetter, drück Dir die Daumen“ können mögliche Antworten sein. Die neuen Techniken bieten uns Bauern also auch neue Möglichkeiten. Kreative Kommunikation ist möglich und so einfach.
Dann ist da das Thema Journalisten. „Oh, da gehe ich aber nicht ran, der will mich doch nur in die Pfanne hauen“ ist eine typische Reaktion des grünen Berufstandes. Journalisten haben aber jeden Tag das Problem, die Zeitung voll zu bekommen. Was glauben Sie, wie viele Journalisten schon mal mit einem GPS-gesteuerten Traktor gefahren sind? Wer von den Journalisten hat mal einen Melkroboter mit all seinen Auswertungsmöglichkeiten bei der Arbeit gesehen? Wer von denen weiß, was eine Transponderfütterung ist? Die wenigsten. Und die Vorteile einer All-in-one-Kartoffellegemaschine kennen wahrscheinlich sogar manche Landwirte nicht. Also ran, einladen, zeigen, mitfahren lassen. Und wieder ist ein Artikel über Landwirtschaft fertig, diesmal aber positiv.
Ganz wichtig in der Kommunikation ist aber ein Aspekt: Erklären Sie keine Dinge, sondern lassen Sie die Leute fragen. Halten Sie keinen Vortrag und lassen den Experten raushängen (Klugscheißer) sondern führen Sie ein Gespräch. Verwenden Sie keine Begriffe, die das Gegenüber nicht kennt. Wir Bauern haben ja eine Spezialsprache entwickelt. Was soll sich ein Laie unter einer Drillmaschine vorstellen? Was ist, bitteschön, eine Abrechnungsmaske? Hat das was mit Karneval zu tun? Und auf der Ackerschiene fährt kein Zug. In unserer Genossenschaft fragte neulich eine Kundin nach Kartoffelsamen.
Damit sind wir beim Thema Allgemeinbildung. Laden Sie den örtlichen Kindergarten oder Schulklassen mal auf Ihren Hof ein. Warten Sie nicht, bis die auf Sie zukommen sondern gehen Sie aktiv nach vorne. Keine Angst, dass klappt und das macht sogar Spaß. Und neben den Schülern sind auch die Lehrer meist sehr interessiert. Die haben auch keine Ahnung, lassen sich das aber nicht anmerken.
Es gibt noch tausend Möglichkeiten, wie wir unser Image aufpolieren können. Wir könnten auch eine tolle Kampagne für heimische Lebensmittel in Presse, Rundfunk und Fernsehen fahren. Aber die kostet Geld, und da endet dann die Freundschaft. Unser Bild in der Gesellschaft soll sich ändern, das wünschen wir uns so sehr. Aber es soll nichts kosten. Und da sind wir Bauern dann auch ein wenig schizophren.
Wir haben im Rheinland einen krassen Spruch, der im Dialekt heißt: „Arsch huh, Zäng usenander“. Übersetzt: Hintern hoch, Zähne auseinander. Dann klappt es auch mit Ihrem Nachbarn.
In diesem Sinne, Ihr Bauer Willi
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Autor: Dr. Willi Kremer-Schillings alias Bauer Willi betreibt den BLOG www.bauerwilli.com und ist auch Buchautor. Seine Motivation: Wunsch und Wirklichkeit wieder zueinander bringen.
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Der erste, gemeinsame Kompetenztag Schwein in der Steiermark am 6.2. im Gemeindesaal in Hatzendorf war ein großer Erfolg. Rund 350 Teilnehmer folgten der Einladung der neuen Veranstaltungskooperation von Styriabrid, der LFS Hatzendorf, der LK Steiermark, SBS, SZS und dem LANDWIRT.
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