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Tierwohllabel oder Tierwohlprämie: eine politische Entscheidung

Ist ein freiwilliges staatliches Tierwohllabel wirklich der beste Weg für mehr Tierwohl in Deutschland?
Quelle: Budimir Jevtic/shutterstock.com

Tierschutz ist Staatsziel – sowohl in Österreich als auch in Deutschland. Um dieses Ziel zu erreichen, wird in Deutschland an der Einführung eines freiwilligen staatlichen Tierwohllabels gearbeitet. Diskutiert wird auch eine verpflichtende Kennzeichnung. Die Option einer staatlichen Tierwohlprämie stand bei der politischen Diskussion bisher im Abseits – und das, obwohl die Prämie viele Vorteile für das Erreichen des Staatsziels Tierschutz hätte. Lesen Sie dazu auch den Beitrag „Was ein Tierwohllabel leistet – und was nicht“.
Diese Diskussion führt geradewegs zu drei wichtigen politischen Grundsatzfragen:

1. Den Verbraucher erziehen?

Staatliche Labels sind eigentlich ein verbraucherpolitisches Instrument. Es geht also darum, die Verbraucher vor irreführender bzw. verwirrender Information zu schützen. Ist es nicht bemerkenswert, dass dieses Politikinstrument nun für die Erreichung des Staatsziels Tierschutz eingesetzt werden soll? Wenn die Gesellschaft mehrheitlich der Auffassung ist, dass bestimmte Haltungsformen dem Staatsziel nicht entsprechen, müsste der Bundestag doch eigentlich ein Instrument wählen, das die unerwünschte Haltungsform sukzessive im gesamten Sektor verschwinden lässt. Mit freiwilligem Label und obligatorischer Kennzeichnung ist das nicht zu erreichen.
Wenn die Gesellschaft hingegen mehrheitlich der Auffassung ist, der aktuelle gesetzliche Mindeststandard sei zur Erfüllung des Staatsziels prinzipiell ausreichend, wäre das auch ein wichtiges Statement. Politiker sollten sich dann aber nicht länger über Verbraucher echauffieren, die mit ihrem preisorientierten Kaufverhalten angeblich für die unakzeptablen Zustände in der Nutztierhaltung verantwortlich sind. Wenn die Politik die Tierhaltung ändern möchte, braucht sie sich nicht am Versuch einer „Verbraucher-Erziehung“ abzuarbeiten, sondern kann den direkten Weg nehmen (Tierwohlprämie).

2. Wo die Grenze ziehen?

Angesichts der offenkundigen Vorzüge, die eine nationale Tierwohlprämie für die Erreichung des Staatsziels Tierschutz bietet, ist aus übergeordneter Sicht die Frage der Grenzziehung zu stellen: Weshalb nur Tierwohl und nicht auch Umweltschutz? Weshalb nur national und nicht EU-weit? Die nähere Beschäftigung mit diesen beiden Fragen führt zu dem Ergebnis, dass in der aktuellen Situation eine Priorisierung auf Tierwohl und auf nationale Politik gerechtfertigt erscheint.

3. Nur die zweitbeste Option?

Eine weitergehende Frage lautet, ob die Extensivierung der Tierhaltung, wie sie sich bei einer tierwohlorientierten nationalen Nutztierstrategie einstellen würde, nicht im Widerspruch zu den globalen Herausforderungen stünde (Ressourcenschutz, Welternährung). Die Diskussion führt zu dem Ergebnis, dass eine „Ressourceneffizienz“-optimierte Nutztierhaltung im Hinblick auf die globale Nachhaltigkeit nur die zweitbeste Option wäre. Die erstbeste Option im Hinblick auf Welternährung und globalen Ressourcenschutz lautet nicht „ressourceneffiziente Nutztierhaltung“, sondern „Reduzierung des Verbrauchs tierischer Lebensmittel“ und „Ersatz durch hochwertige pflanzliche Proteine“.
Auch nach Würdigung dieser ergänzenden Argumente gibt es also gute Gründe für eine nationale Nutztierstrategie, in der Tierschutzziele auf hohem Niveau verbindlich vereinbart und konsequent verfolgt werden. Sofern sich der Bundestag auf diese anspruchsvolle Auslegung des Staatsziels Tierschutz verständigt, sollte das Ziel durch einen Mix aus Investitionsförderung, Tierwohlprämien und schrittweiser Verschärfung der Auflagen angesteuert werden.

Zögerliche Haltung der Politik

Warum haben Politik und Wirtschaft eine so zögerliche Haltung gegenüber einer konsequenten nationalen Strategie mit dem Kerninstrument „Tierwohlprämie“? Es könnte genau daran liegen, dass dieses Instrument so geradlinig und unmittelbar auf das Ziel „gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung“ ausgerichtet ist. Während nämlich mit dem Tierwohllabel oder der Kennzeichnung ein langwieriges „Gesellschaftsspiel“ inszeniert wird, steht am Ende der Tierwohlprämien-Strategie ganz schlicht die weitgehende Zielerreichung nach 20 Jahren.
Diese Klarheit kann für die Politik in zweifacher Hinsicht beängstigend wirken:

Angst vor dem Misserfolg:

Sollte der Strategieprozess misslingen, wird sich die öffentliche Kritik primär

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