Baumarten und Naturwaldelementen erhöht die Arten- und Strukturvielfalt im Wirtschaftswald. Aktuelle Studien zeigen, dass der Wald damit widerstandsfähiger wird gegenüber Wetterkapriolen, die der Klimawandel mit sich bringt. Gleichzeitig tragen struktur- und artenreiche Wälder mit gesunden Böden zur Abschwächung der Klimawandelfolgen bei, indem sie CO2 speichern, vor Naturereignissen wie Lawinen, Muren, Steinschlägen oder Rutschungen schützen und Abkühlung in Hitzeperioden bieten. In einem Ökosystem hat jede Art ihre Funktion. Artenreichtum ermöglicht beim Ausfall einer Art ihren Ersatz und die Übernahme ihrer Funktion durch eine andere Art. So können sich Ökosysteme an neue Umweltbedingungen wie veränderte Temperatur- und Niederschlagsverläufe anpassen. Gibt es aber etliche Arten nicht mehr, so entstehen Lücken, die das System schwächen. Im Wald kann das mangelnde Stabilität bei Stürmen sowie größere Anfälligkeit für Schädlinge und Krankheiten bedeuten.
Lebensräume schaffen
Waldbestände ab einem Alter von 120 Jahren bieten mit ihren Alt- und Totholzanteilen außerdem besondere Strukturen, die Klein- und Kleinstlebensräume für viele verschiedene Arten darstellen. Auch Waldränder lassen sich so gestalten, dass sie durch ihre Vielfalt anziehend wirken. Ein strukturreicher und stufig aufgebauter Waldrand ist nicht nur Nahrung und Lebensraum für viele Tier- und Pflanzenarten, sondern schützt außerdem den Bestand. Um zu zeigen, wie viele Möglichkeiten es gibt, die Arten- und Strukturvielfalt im Wirtschaftswald zu erhöhen, haben die Österreichischen Bundesforste gemeinsam mit dem WWF die Broschüre „Aktiv für Artenvielfalt im Wald“ herausgebracht. Der Trend zu kleinen Wohnungen besteht im Tierreich seit jeher. Sogenannte Baummikrohabitate, also Kleinstlebensräume auf alten Bäumen oder abgestorbenem Holz, bieten zahlreichen Tieren ein wertvolles Zuhause. Vor allem seltene und vom Aussterben bedrohte Arten wie der Veilchenblaue Wurzelhalsschnellkäfer, der Schwarzspecht oder die Kleine Hufeisennase (eine Fledermaus) nutzen jeden kleinsten Hohlraum, um ihre Jungen aufzuziehen oder sich vor Feinden zu verstecken. Biotopbäume sind aus ökologischer Sicht somit unverzichtbar und können bis zu 65 verschiedene Mikrohabitate, von der Höhle bis zum Rindenriss, aufweisen. „Biotopbäume sind ein wahrer Hotspot der Biodiversität. In unseren Wäldern belassen wir daher bewusst alte Bäume sowie ausreichend abgestorbenes Holz, um wieder mehr Lebensraum für seltene Arten zu schaffen“, betont Rudolf Freidhager, Vorstand der Österreichischen Bundesforste.
Höhlen in Biotopbäumen
Vor allem der Schwarzspecht, der größte europäische Specht, stellt durch den Bau geräumiger Baumhöhlen der Waldlebensgemeinschaft wichtige Kleinsthabitate zur Verfügung. Schwarzspechte sind wahre Höhlenbau-Profis, die an mehreren Wohnungen gleichzeitig zimmern. Zieht ein Schwarzspecht-Paar nach erfolgter Brut in eine neue Höhle, gibt es zahlreiche potenzielle Nachnutzer, die um die „Specht- Immobilien“ buhlen: Raufußkäuze, Hohltauben, Kleiber, Fledermäuse, Eichhörnchen, Haselmäuse, Siebenschläfer oder Hornissen übernehmen die Kleinstwohnungen zum Brüten, als Futterversteck oder Schlafplatz. Viele Tiere sind auf die Höhlen des Schwarzspechtes in Biotopbäumen angewiesen und würden ohne ihn unsere Wälder nicht oder nur in sehr viel geringerer Dichte besiedeln. Insgesamt wurden in Europa bisher 58 unterschiedliche Tierarten als Nachnutzer von Schwarzspecht- Höhlen nachgewiesen. Neben Biotopbäumen finden sich auch in abgestorbenem Holz zahlreiche Mikrohabitate und Nischen unterschiedlichster Art. Ausreichend Totholz in der Waldlandschaft ermöglicht somit auch seltenen Arten ein langfristiges Überleben. Rund 1.500 von den etwa 7.400 heimischen Käferarten sind von Totholz abhängig. Die meisten von ihnen sind als sogenannte Destruenten am Abbau des Holzes zu Humus beteiligt und stellen damit einen wichtigen Faktor zur Erhaltung und Förderung eines gesunden, produktiven Bodens dar. Je nach Baumart, Zersetzungsgrad des Holzes oder Sonneneinstrahlung leben auf Totholz ganz unterschiedliche Organismen. Beispielsweise wächst das in Europa stark gefährdete Grüne Koboldmoos ausschließlich auf im Schatten liegenden Fichten- Totholz und der seltene, besonders geschützte Alpenbock-Käfer benötigt totes Buchenholz für die Entwicklung seiner Larven.
Nicht das Licht abdrehen
Zum Schutz der Artenvielfalt belassen die Bundesforste daher mindestens fünf Biotopbäume sowie durchschnittlich 25 Festmeter Totholz pro Hektar im Wald. Knapp 500 Altholzinseln und weitere Wildnisecken wurden in allen ÖBf- Forstrevieren eingerichtet. Die wenige Hektar großen, wildnisartigen Waldgebiete werden ganz der Natur und ihren Bewohnern überlassen. Gemeinsam mit den Biotopbäumen und durch das Belassen von Totholz schaffen die Bundesforste dadurch ein Netzwerk für die Artenvielfalt im Wald. Durch das gezielte Einbringen seltener Strauch- und Baumarten, wie Schwarzpappel oder Elsbeere, lässt sich die Vielfalt weiter erhöhen. Die Artenvielfalt zu fördern bedeutet nicht zugleich, den Wald großflächig außer Nutzung zu stellen. Das weiß auch Ku
rt Ramskogler, Präsident BIOSA – Biosphäre Austria, Verein für dynamischen Naturschutz: „Würden wir den Wald nicht bewirtschaften, wäre die Artenvielfalt wesentlich geringer.“ So brauche etwa Mitteleuropas Tagfalter und viele Vogelarten lichte Wälder, um darin die geeignete Nahrung und Brutmöglichkeiten zu finden. Die Bedrohung für diese lichtbedürftigen Arten entstehe dann, wenn die Wälder immer dunkler werden und sich das Kronendach der Wälder zunehmend schließt. „Dies erfolgt beispielsweise dadurch, dass Wälder großflächig aus Gründen des vermeintlichen Klima- und Biodiversitätsschutzes außer Nutzung gestellt werden, weil der in den Bäumen gebundene Kohlenstoff im Wald verbleiben soll“, weist Ramskogler auf einen Zielkonflikt in der EU-Politik hin.
Wald ökologisch bewirtschaften
Es gibt in Österreich von Natur aus seltene Waldlebensräume, die zum Beispiel von den Waldbesitzern freiwillig in das Naturwaldreservate- Programm des Bundes und in private Initiativen wie bei BIOSA eingebracht werden. Zahlreiche Waldbewohner wie Pilze, Insekten, Vögel und Fledermäuse sind häufig an Totholz und spezielle Kleinstlebensräume gebunden. „Wir unterstützen daher alle Aktivitäten, die zu einer Anreicherung von Biotopholzbäumen im Wald führen. Das sind entweder Uraltbäume mit einem hohen Totastanteil, Bäume mit Spechtlöchern oder Mulmhöhlen, Bäume mit Verletzungen durch Blitzeinschlag, Sonderformen wie Mehrwipfeligkeit oder ganz einfach ein abgestorbener Baum“, erklärt Ramskogler. Dass sich in Richtung einer ökologischen Bewirtschaftung des Waldes sehr viel getan habe, würden die Daten der Österreichischen Waldinventur beweisen. „Der Anteil an totem Holz, das aus ökologischen Gründen im Wald verbleibt, ist seit 1960 um das Dreifache gestiegen und liegt bei beachtlichen 30 Vorratsfestmetern je Hektar“, so Ramskogler.
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