RindMutterkuh„Wir sollten nicht jammern, sondern anpacken“

„Wir sollten nicht jammern, sondern anpacken“

Ein Interview von Konrad LIEBCHEN

LANDWIRT: Frau Sauer, wie zufrieden sind Sie mit der Agrar-Reform?

Erika Sauer: Die Länder hätten Gelder für Mutterkühe beziehungsweise Raufutterfresser koppeln können, wie das Frankreich beibehalten hat. Die Chance hat Deutschland nicht genutzt. Aus der Ersten Säule werden aber die ersten 30 und dann noch weitere 16 Hektar stärker gefördert; das kommt Bayern zugute.

Keine Angst vor Greening

Wie sehen Sie die Greening-Auflagen?

Erika Sauer: Die Greening-Auflagen dürften die Mutterkuhhalter mit ihren Grünlandbetrieben kaum treffen. Als gutes Zeichen für Mutterkuhhalter sehe ich auch, dass darüber diskutiert wird, die Weideprämie von aktuell 30 Euro pro Hektar merklich zu erhöhen.

Welche Konsequenzen hat das für Bayerns Mutterkuhhalter?

Erika Sauer: Gerade Betriebe mit Direktvermarktung und Ausmast fallen weitgehend durch den Raster. Entweder können sie den Höchst-GV-Besatz nicht einhalten oder nicht auf mineralische Düngung verzichten.

Ist Weidehaltung eine Alternative?

Erika Sauer: Für Weidehaltung liegt die Prämie derzeit bei 30 Euro je GV. Dafür braucht man aber mehr Fläche. Um dann noch Winterfutter zu gewinnen, müssten die Futterflächen intensiver geführt werden. Betriebe, die die Leistung ihrer Tiere im Auge behalten und mit Kurzrasenweide wirtschaften, kommen beispielsweise nicht in den Genuss von Blühwiesenprogrammen. Im Wettbewerb mit Produktionsverfahren, die teils indirekt hoch subventioniert werden, führen wir einen schier aussichtslosen Kampf um Flächen.

Mutterkuhhalter konkurieren um Flächen

Wo liegen aktuell die Pachtpreise?

Erika Sauer: Abhängig von der Region und der Biogasdichte werden 200 Euro und mehr pro Schnitt bezahlt, ohne Prämie. In Regionen mit zusätzlich intensiver Milchwirtschaft liegen die Preise noch höher.

Welche Flächen bleiben dann für Mutterkuhhalter?

Erika Sauer: Die Lehrmeinung würde lauten: Restgrünland in Landschaftspflegeprojekten.

Die Interessen vertreten

Und was denken Sie?

Erika Sauer: Ich denke, das wäre das Ende der uns eigenen Biodiversität in der Nutztierhaltung. Mutterkuhhaltung und Fleischrinderzucht stehen für Tierwohl, facettenreiche Kulturlandschaft, Grundund Hochwasserschutz, Rassevielfalt, Transparenz und die Erzeugung eines hochwertigen regionalen Lebensmittels. Und das unabhängig vom Standort. Diese Leistung für die Gesellschaft gilt es herauszustellen.

Wie wollen Sie das erreichen?

Erika Sauer: Leider fallen die Fleischrinderzüchter im Kräftemessen mit anderen Agrarbranchen oft durch den Rost. Andere Bereiche der Landwirtschaft machen seit langem besseres Lobbying und erreichen mehr. Wir Fleischrinderzüchter hätten mit der Meinungsbildung und dem Lobbying viel früher anfangen müssen. Verständnis für unsere Anliegen erkenne ich aber in der Gesellschaft und der Politik durchaus. Auf diesem Fundament wollen wir uns besser vernetzen und um Verständnis und Synergien werben.

Ändert das die Strategie im Zuchtverband?

Erika Sauer: Der Fleischrinderverband Bayern war bisher in erster Linie Zuchtverband. Das bleibt sicherlich auch weiterhin die Kernaufgabe. Wir müssen uns aber künftig auch als Interessensvertreter für Mutterkuhhalter verstehen.

Was kann der Verein tun?

Erika Sauer: Der Verein kann bei der Politik und im Ministerium vorstellig werden, Kontakt zu Berufsverbänden halten und über Broschüren oder Internetauftritt Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

Was können die Bauern selbst tun?

Erika Sauer: Das ist meiner Meinung nach der wichtigere Part. Jeder Einzelne sollte sich für die gemeinsame Sache in seinem Umfeld einsetzen, bei jeder Gelegenheit. Wir sollten nicht jammern, sondern anpacken.

Fachzentrum für Mutterkuhhaltung

Wo wird die bayerische Mutterkuhhaltung 2020 stehen?

Erika Sauer: Entweder gelingt es uns, einen Rahmen zu schaffen, in dem mutterkuhhaltende Betriebe über die reine Erzeugung von Nahrungsmitteln hinaus, so honoriert werden, dass sie wirtschaftlich arbeiten können. Oder aber die Mutterkuhhaltung und Fleischrinderzucht verkommen zur reinen Hobbyhaltung. Damit es nicht soweit kommt, träume ich von einem Fachzentrum für Fleischrinderzucht und Mutterkuhhaltung in Bayern. Hier könnten staatliche Fachberater Bauern ausund weiterbilden, beraten und auch dafür sorgen, dass dem Produktionsverfahren innerhalb der Agrarverwaltung ein größerer Stellenwert zukommt. Bei der Auswahl eines solchen Fachzentrums sollte darauf geachtet werden, dass in Zusammenarbeit mit dem Fleischrinderverband ganz Bayern räumlich abgedeckt wird.

Fleischrinder in Bayern

In Bayern gibt es 8.235 Betriebe mit 72.044 „Sonstigen Kühen“. In diese Kategorie fallen Mutterkühe und Fleischrinderzuchtkühe.

Der Fleischrinderverband Bayern (FVB) mit Standort in Ansbach in Mittelfranken ist einer von 17 bayerischen Zuchtverbänden. Er ist als einziger Verband bayernweit tätig und führt das Herdbuch für alle 23 derzeit in Bayern gezüchteten Fleischrinderrassen. Im Verband sind rund 600 Betriebe, davon 380 Herdbuchzüchter mit 4.972 Herdbuchtieren, organisiert. Die Anzahl der Züchter ist stabil bis leicht ansteigend, die Tierzahlen gehen leicht zurück. Die Hauptrassen sind Angus, Charolais, Fleckvieh, Galloway, Highland und Limousin. Bedrohte Rassen wie Pinzgauer und Rotes Höhenvieh gewinnen zunehmend an Bedeutung.

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