Es ist ein Schottland wie aus dem Bilderbuch. Der Nebel hängt in den Bergen und über dem Wasser und verleiht der Landschaft eine launische Stimmung. Ein stattlicher Mann in Wachsjacke und mit Hirtenstab stapft die bucklige Wiese hinauf. Im hohen Gras stehen Highland Cattle – zottelhaarig und mit imposanten Hörnern. Angus Mackay war jahrelang ein wichtiger Mann, wenn es um die Züchtung von Highland Cattle ging. Eigentlich wollte der heute 72-Jährige in Rente gehen, dann „fehlte ihm doch etwas“, wie er gesteht. Nordwestlich von Glasgow hat er jetzt wieder eine Herde stehen: 14 Kühe mit Kälbern und ein Bulle.
Menschenfreundlich und robust
Die Tiere kommen neugierig heran. „Hochlandrinder haben einen ruhigen Charakter, sind intelligent, aufmerksam und sehr menschenfreundlich“, schwärmt Angus Mackay. Außerdem sind sie äußerst genügsam und robust. Sie brauchen keinen Stall oder Hilfe bei der Geburt und verwerten selbst das kargste Futterangebot. „17 Jahre lang jedes Jahr ein Kalb ist normal bei dieser Rasse.“ Wie Rotwild verstecken sie in den ersten Tagen ihre Kälber – „Bloß nicht auf die Suche nach ihnen machen“, rät er. „Highland Cattle sind die wertvollste Ressource, die Schottland zu bieten hat“, findet Angus Mackay. In seinem Haus zeigt sich seine Passion für die Rasse. Die Tiere sind als Statuen, Schnitzereien, Kunstwerke, auf Wandtellern und Briefmarken oder in vielen Büchern verewigt. Über der Tür zum Wohnzimmer hängt ein Prachtexemplar von Kuhhörnern: „Proisag Dhubh, geboren 1877“, steht daneben. Beim Spaziergang durch das Haus nimmt der passionierte Züchter gerahmte Fotos in die Hand: „Das hier ist Shemes, da war er grad sechs, und das hier, die war vielleicht eingebildet, die wusste, dass sie gut aussah.“ Über 40 Jahre, bis zur BSE-Krise, wurden Tausende von schottischen Hochlandrindern ins Ausland verkauft. In den 1980er-Jahren begann es mit Skandinavien. Bis in die 1990er-Jahre war Angus Mackay viel unterwegs – in den USA, Australien, viel in Deutschland und auch in Österreich und der Schweiz. Er hielt Workshops für Tierhalter, agierte auch als Richter bei Zuchtshows. Fünf Jahre arbeitete er mit Dr. Stephan Janz am Buch „Highland Cattle – Ikone des Schottischen Hochlands“, das heute das Standardwerk für Hochlandrindzüchter im deutschsprachigen Raum ist.
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Fleisch hat seinen Preis
Er empfindet es als großes Glück, dass ihm als Teenager, der nicht aus der Landwirtschaft stammte, während eines Jobs auf einem Landgut die ersten Highland Cattle zur Betreuung übergeben wurden. „Das hat mein Leben verändert“, sagt er. Später bekam er die Möglichkeit, auf dem gleichen Betrieb eine Farm mit Flächen zu pachten und begann eine eigene Highland Cattle-Herde zu etablieren. Die Tiere wurden sein Leben, es lief gut, – dann kam die BSE-Krise und der Markt brach ein. 1999 eröffnete der erste Farmers Market im schottischen Perth. „Aus jeder Krise entsteht etwas Gutes“ lernte er damals. „Die Farmers Market-Bewegung war das Beste, was uns hätte passieren können, es gab der schottischen Landwirtschaft ein Gesicht.“ Zu seinen besten Zeiten hatte er über 300 Tiere auf dem Betrieb. Für Angus Mackay gehören die Highland Cattle zur Landwirtschaft der Zukunft. Selbst auf kargen Flächen produzieren sie ein vorzügliches Fleisch, fein und kurzfaserig, mit wenig Fett. Die Tiere eignen sich nicht zur Mast, sie nehmen nur langsam zu, deshalb hat das Fleisch seinen Preis, betont er. „Die Menschen werden in Zukunft weniger Fleisch essen“, davon ist er überzeugt.
Die Luings von Kerrera
Eine ebenfalls genügsame Rinderrasse entstand auf der Insel Luing, 35 Kilometer Luftlinie Richtung Westen. Das Luingrind ist eine Kreuzung aus Beef Shorthorn und Hochlandrind der 1940er-Jahre. Auf der Nachbarinsel Kerrera hat sich Sheila MacGregor für die Rasse entschieden. In nur fünf Minuten ist die Fähre vom Festland übergesetzt. Mit Platz für „vier Färsen, 70 Schafe oder 100 Lämmer“, lacht Sheila. Sie muss es wissen. Wenn sie Tiere verkauft, müssen diese mit der Fähre von der Insel. Sie führt einen der drei landwirtschaftlichen Betriebe auf der kleinen Insel mit nur 60 Einwohnern. 2008 hat die 41-Jährige den Betrieb vom Vater übernommen. Sie war sechs, als die Familie auf die Insel kam und der Vater die ersten Luingrinder kaufte. Schon damals wusste sie, sie wollte einmal Landwirtin werden, erzählt sie. Zum Betrieb gehören 15 Rinder mit Nachzucht, 230 Cheviot-Schafe, eine Imkerei, ein Friedhof für Haustiere und ein Hobbyraum, wo die 41-Jährige Tiere nach Auftrag malt und Filzspielzeug aus eigener Schafwolle herstellt. Schafe und Rinder stehen das ganze Jahr über im Freien. Das Weideland (1.600 Acres, ca. 650 ha) ist gepachtet und besteht „vor allem aus Hügeln und ist nicht besonders gut“, wie Sheila MacGregor zugibt. Doch ihre Luingrinder, „das sind ganz besondere Tiere“, schwärmt sie. „Sie sind robust, haben ein ruhiges Wesen, sind einfach handzuhaben und kommen gut mit dem wechselhaften Westküstenwetter zurecht. Ein bisschen Trockenfutter, zwei Ballen Heu, mehr brauchen sie nicht.“ Außerdem haben sie eine kräftige Knochenstruktur, sind trittsicher und bringen gesunde Kälber zur Welt.
Fette Weiden, native Angus
Am anderen Ende Schottlands, 200 Kilometer Richtung Osten im Regierungsbezirk Angus sind die Flächen groß und flach, die Weiden saftig und fett. Mittendrin am Ortsrand von Forfar oberhalb der Hafenstadt Dundee das beeindruckende Landgut Kingston Farm. Hier bitten Geordie Soutar und Frau Julia auf die Veranda zu Erdbeeren und Earl Grey- Tee. Es ist die Gegend, aus der das Angusrind seinen Siegeszug in die Welt angetreten hat. Es wurde jedoch über die Jahre viel mit anderen Rassen eingekreuzt, wie Geordie Soutar berichtet. Sein Herz schlägt für das „native“, das ursprüngliche Angusrind, „die Ur-Rasse“, die es ab den 1800er-Jahren gegeben hat. Geordie Soutar wollte sie vor dem Aussterben bewahren. 1995 begann er. Er brauchte zehn Jahre, bis die einzigen noch in Großbritannien existierenden Tiere in seinen Besitz kamen. Wichtig war ihm auch eine „rein britische Bullengenetik, die mindestens 50 Jahre zurückging“. Seit 2018 ist „Native Angus“ eine eingetragene Marke. 2021 wurde Geordie Soutar für seinen Einsatz, die Rasse vor dem Aussterben zu schützen und sie zu verbreiten, vom britischen Königshaus sogar eine Medaille überreicht! Landwirt Soutar schnappt sich den Cowboyhut, dazu trägt er Cowboystiefel, die er sich aus dem amerikanischen Midwest mitgebracht hat, wie er erzählt. Mit Stolz stiefelt er über seine „Ranch“ hinaus auf die Weiden, die von typisch britischen alten Feldsteinmauern eingefasst sind, zu seinen Tieren. Sie fressen ausschließlich Gras, was bei Angusrindern kaum mehr zu finden ist, wie er sagt, und er zählt auf, was sonst noch für die Rasse spricht. Sie sind kleinrahmig und erstklassige Futterverwerter, sie nehmen schnell zu und können bereits mit etwa 300 kg geschlachtet werden. Schon das Fleisch junger Tiere hat eine ausgeprägte Marmorierung. „Unsere Kunden berichten, wie gut sich unsere Tiere machen, von Argentinien über die USA bis nach Europa, selbst im trockenen Australien – keine Frage, diese Rasse passt zur Klimaveränderung.“
Genügsam und ruhig
Zurück im Westen Schottlands. Nördlich von Glasgow befindet sich die Region Galloway, nach ihr ist eine weitere wichtige schottische Rinderrasse benannt. Am Rande des Galloway Forest Park in den Hügeln über St John’s Town of Dalry lebt Galloway-Züchter Andrew Hunter Blair. Von der kleinen Farm hat man einen herrlichen Blick auf einen tiefdunklen See, dahinter grüne, karge Berge. Auf einer abfallenden Wiese stehen die Rinder. Im Moment sind es 15 Kühe, die Kälber werden verkauft, berichtet der 27-Jährige. „Friedfertig, genügsam, widerstandsfähig, ausgeglichener Charakter, ruhiges Temperament“, zählt er die Vorzüge der Rasse auf. Außerdem seien Galloways leichtkalbig, man kann sie sich selbst überlassen, sie können das ganze Jahr im Freien bleiben und brauchen nicht viel Futter. Blair selbst füttert etwas Silage und Gerste zu. „Das Fleisch schmeckt einmalig. Sie können richtig fett werden, denn die Kunden mögen das wieder.“ Wer in die Rumpelkammer neben dem Wohnhaus eintritt, wird überrascht: Wände und sogar die Decke sind mit bunten Rosetten und Auszeichnungen dekoriert. Seit 40 Jahren nimmt Familie Hunter Blair an Tierschauen teil und „es ist wohl kein Jahr vergangen, an dem wir nicht einen Platz belegt haben“, so Andrew. Die Galloway-Zucht ist sein Hobby, sein Geld verdient er als Viehauktionator in der Kleinstadt Newton Stewart. Wer sich für Galloways interessiert, muss zur Auktion in Castle Douglas, knapp 20 Meilen von hier, wie er sagt. Der dortige Viehverkauf wird seit Jahren auch von vielen europäischen Züchtern besucht.
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